Notenbanken mit vorweihnachtlichen Zinsgeschenken?

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Marktupdate 49/2020

Markus Schön, Dienstag 08. Dezember 2020

 

Möglicherweise werden sich einige Leserinnen und Leser des Schön & Co Marktupdate an die Werbung mit Franz Beckenbauer „ja, ist denn heut schon Weihnachten“ erinnern. So ähnlich ist die Reaktion an den Aktienmärkten, nachdem viele Indices den erfolgreichsten November seit mehreren Jahrzehnten erlebt hatten. Bei DAX hat es aber immer noch nicht gereicht, um ein neues Allzeithoch zu erreichen. Ohne die Berücksichtigung von Dividenden ist er davon ohnehin weit entfernt. Es ist aber auch an den Aktienmärkten in Deutschland eine Stimmung, als wäre Corona Vergangenheit. Wie sehr man auf die Impfstoffe hofft, zeigte sich, als die Nachricht von Lieferproblemen bei Biontech bekannt wurde. Dabei ist der Impfstoff in der EU und in den USA nicht zugelassen. Die Impflogistik steht nicht, aber die Produkte wie Tiefkühl-Container werden so stark nachgefragt, dass man den Eindruck hat, es gäbe keine Alternative zu diesem Impfstoff. Die damit verbundene Hektik ist nicht nachvollziehbar. Noch immer stehen Studien aus, aber Großbritannien wird ab dem kommenden Dienstag Impfungen vornehmen. Dies wird als konkret spürbarer Vorteil des Brexit dargestellt. Möglicherweise ist dies nötig, weil die Verhandlungen über ein Folgeabkommen zu scheitern drohen. Immer neue „letzte Fristen“ werden heruntergezählt, um dann doch noch auf eine Lösung zu hoffen und weiter zu verhandeln.

 

Eigentlich ist dies aber egal, weil die Akteure an den Kapitalmärkten den festen Glauben haben, dass alle wirtschaftlichen Einschränkungen durch die Politik oder die Notenbanken ausgeglichen werden können. Deswegen sind die Erwartungen für die EZB-Sitzung am kommenden Donnerstag sehr hoch und möglicherweise völlig überzogen. Für Südeuropa muss die EZB deutlich expansiver werden, aber in Deutschland und teilweise Österreich ist die Finanzpolitik so expansiv, dass hier die Risiken weiterer Vermögenspreisblasen drohen. Deswegen darf es eigentlich keine weiteren geldpolitischen Impulse geben, die ohnehin in der Realwirtschaft kaum ankommen. So warnt die OECD vor einer schwächeren Erholung. Erst 2020 dürfte die Weltwirtschaft wieder das Niveau vor Corona erreichen. Aber dabei ist ein schnelles Ende der Pandemie ohne größere Beschränkungen „eingepreist“. Tatsächlich drohen aber eher weitere Einschränkungen in Staaten wie in Italien über Weihnachten und den Jahreswechsel, in Österreich mit Blick auf die Skisaison oder auch in Deutschland, da hier die Zahlen eher weiter steigen als wirklich zu fallen. Überhaupt nicht berücksichtigt werden an den Kapitalmärkten die Ausführungen Joe Bidens, der sich für 100 Tage Maske tragen ausspricht. Damit ist die Erwartung einer Normalisierung im 2. Quartal 2021 verbunden, sofern die auch in den USA sehr ambitionierten Impfpläne funktionieren. Das 1. Quartal 2021 dürfte jedoch wirtschaftlich verloren sein. An den Devisenmärkten wird dies deutlich gesehen. Der US-Dollar fällt, obwohl die Attraktivität von Anlagen dort durch die steigenden Zinsen zunimmt. Fast unbemerkt haben die USA im Bereich von zehn Jahre laufenden Staatsanleihen wieder ein Niveau von knapp 1% p. a. erreicht. Die Zinsdifferenz zwischen den USA und Deutschland beträgt fast 160 Basispunkte und wird sich wahrscheinlich ausweiten. Schließlich erwartet die US-Notenbank herausfordernde Monate und hat kaum noch Möglichkeiten, die US-Wirtschaft zu stützen. Dies kann nur durch ein Konjunkturpaket erfolgen, das zwar erhofft wird, aber kaum noch in diesem Jahr verabschiedet werden wird. Das Jahr 2020 wird daher als Corona-Jahr ohne große Impf-erfolge und mit hoher Unsicherheit zu Ende gehen. Anders als früher ist diese Unsicherheit kein Gift an den Märkten, sondern Gold für die Märkte. Je unsicherer die Lage ist, desto mehr Geld gibt es von den Notenbanken und durch die Politik. Dieses Geld sucht immer neue Anlagen.

 

Schließlich gilt es doch als sicher, dass die Zinsen dauerhaft niedrig bleiben, weil anders die Staaten ihre Schuldenlast nicht mehr tragen könnten. Dies gilt neben Südeuropa vor allem für die USA, die der Überschuldung in einem Tempo entgegentaumeln, das noch vor Jahren unvorstellbar war. Auch in diesem Bereich hat Donald Trump die Grenzen weit zum Schlechteren verschoben. Die Zinsen müssen mit Blick auf die Entwicklung der Inflation niedrig bleiben. Auch im November 2020 ist die Inflation in der Eurozone mit minus 0,3% deutlich negativ. Im Monatsvergleich gibt das Minus von 0,8% in Deutschland besonders Anlass zur Sorge, da diese Höhe für eine länger anhaltende Deflation spricht.

 

In Deutschland wird man – zumindest vordergründig – im kommenden Jahr eine Entspannung schaffen. So soll die im Zuge der Corona-Pandemie temporäre gesenkte Mehrwertsteuer nicht fortgeführt werden und eine weitere CO2-Abgabe führt zu steigenden Energiepreisen. Theoretisch wird dies die Deflation stoppen und ist eine Chance für das Elektro-Unternehmen Tesla, das sein Geld nicht mit Autos, sondern dem Handel von CO2-Zertifikaten verdient. Ohne dies und die Bereitschaft von Anlegern, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen, wäre Tesla lange insolvent. Deswegen muss sich das Unternehmen nun in einen Zusammenschluss mit einem deutschen Autokonzern flüchten. Spannend wird sein, ob und wenn ja, zu welchen Konditionen dies gelingt. Derzeit ist nahezu jede Bewertung denkbar. So wurden in den letzten Tagen in den USA Übernahmen im Wert von über 70 Mrd. US-Dollar vollzogen. Der SAP-Konkurrent Salesforce übernimmt den Kommunikationsdienstleister Slack für 28 Mrd. US-Dollar. Die Ratingagentur Standard & Poors kauft den Datenanbieter IHS Markit für fast 45 Mrd. US-Dollar.

 

Im Ergebnis zielen die Übernahmen auf eine Konsolidierung in der jeweiligen Branche ab. Dies zeigt, dass sich die IT-Macht nicht nur immer stärker in den USA ballt, sondern auch dort die Kräfte immer weiter gebündelt werden. Mittelfristig werden sich Salesforce/Slack mit Microsoft zusammenschließen, um dann neben der Kompetenz in allen unternehmerischen IT-Segmenten eine Alternative zu Facebook bieten zu können. Dort haben dann Konzerne wie SAP kaum eine Chance. Betrachtet man die Entwicklung der Wechselkurse deutet auf dieses Szenario – Bedeutungsverlust Europas, weitere Dominanz der USA – nichts. Schließlich gewinnt der Euro an Wert. Bezieht man in diese Betrachtung aber China ein, stellt sich die Situation ganz anders dar. Die chinesische Währung Yuan zeigt eine Stärke, die vor Corona nicht angestrebt, aber jetzt akzeptiert wird.

 

China drängt mit Macht in die Rolle der global führenden Wirtschaftsnation. Corona ist dort „erledigt“. Die Wirtschaft wächst und entwickelt einen Rohstoffhunger, der beängstigend ist. Die Nachfrage nach Kupfer, Eisenerz und in Teilen auch Silber oder Platin sorgt für immer neue Rekorde. China ist der Motor der wirtschaftlichen Erholung und trifft im Kampf um Weltmarktanteile auf schwankende USA und uneinige Europäer. Die Weltwirtschaft verschiebt sich deutlich Richtung Asien, was weniger überraschend geschieht. Aber die Geschwindigkeit, in der diese Entwicklung erfolgt, ist mehr als beeindruckend. Weniger von China als durch die Entscheidung der OPEC erklärt sich der Anstieg des Ölpreises. Es wurde zwar eine Ausweitung der Fördermengen beschlossen. Aber diese fiel nicht so stark aus, wie es ohne Einigung erfolgt wäre. Entsprechend groß war die Erleichterung, dass das Angebot nicht zu stark ansteigt. Zudem wurde für Euro-orientierte Anleger der Ölpreisanstieg durch die Schwäche des US-Dollars nahezu vollständig ausgeglichen. Dies hat zwar die Entwicklung der Edelmetallpreise etwas gedämpft, aber durch die starken Anstiege bei Silber mit über 7% und vor allem Platin mit knapp 11% war die Währungskomponente weniger wichtig.

 

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