Inflation 2023 – kein Thema für die Kapitalmärkte

Marktupdate 48/2022

Markus Schön, Dienstag 29. November 2022

Passend zur nun beginnenden Adventszeit wird es an den Kapitalmärkten ruhiger. Für die Kunden in unserer Schön & Co- Mandaten ist dies uneingeschränkt erfreulich, weil diese Beruhigung auf den Eintritt unserer Erwartungen zurückgeht. Die Marktzinsen entwickeln sich seit längerem rückläufig, auch weil sich der von der Inflation ausgehende Druck zu entspannen scheint. Nicht nur in den USA scheint die Inflation ihren Hochpunkt überschritten zu haben; auch in Deutschland und Europa dürften die Daten niedriger als erwartet liegen. Dazu trägt der Rückgang der Energiepreise bei. Der Ölpreis liegt auf Sicht des Jahres 2022 nur noch rund 1,5% im Plus und auch die Gaspreise sind von ihren Höchstständen deutlich gefallen. Dies zeigt, dass insbesondere die Politik in Deutschland zu langsam ist. Jetzt sind die Preisbremsen nicht notwendig, sondern schaffen nur zusätzliche Anreize für Versorgungsunternehmen das Preisniveau höher als notwendig zu halten. Dies zeigt auch die Diskussion in der EU, für russisches Öl einen Preisdeckel bei 70 US-Dollar einzuführen, was knapp 10% unter dem durchschnittlichen Weltmarktpreis liegt. Leider wird dabei übersehen, dass der Preis für russisches Öl global derzeit bei 52 US-Dollar liegt. Es wird eine Diskussion auf unzureichenden Erkenntnissen geführt, die damit dann auch globale Wettbewerbsprobleme verkennt. Indien und China kaufen das günstige russische Öl und verschaffen sich so erhebliche Wettbewerbsvorteile. Selbst Saudi-Arabien kauft das russische Öl, um es dann 40% teurer in die USA oder nach Europa zu exportieren. Aber auch für Russland bleibt dies ein Geschäft. Im Durchschnitt kann das flächenmäßig größte Land der Welt für 35 US-Dollar Öl fördern und hat damit eine Marge von 50%. Nicht ohne Grund hat der Russische Rubel deutlich hinzugewonnen und kann das Kursniveau halten, während andere Währungen sinken.

Aber insgesamt tritt der russische Krieg in der Ukraine an den Kapitalmärkten in den Hintergrund. Durch die weiterhin eher milde Witterung reduzieren sich die Sorgen um eine Gasknappheit und vor Stromengpässen. Damit käme Deutschland und Europa besser als erwartet durch diese Krise. Vor allem gibt es aber kaum eine Weltregion, in der die Situation wesentlich besser ist. In den USA droht nicht nur ein Gas-Engpass, sondern auch eine technische Zahlungsunfähigkeit, weil man „nur“ noch 400 Mrd. US-Dollar von der dortigen Schuldenobergrenze entfernt ist. Die Erhöhung ist zwar theoretisch nur eine Formsache, aber ist durch die neu geschaffene Mehrheit der US-Republikaner im USKongress nicht einfacher geworden. Dies kann die US-Wirtschaft zusätzlich bremsen, die ohnehin schon durch die Zinserhöhungen der US-Notenbank in schwerem Fahrwasser ist. So enttäuschen die Daten vom dortigen Arbeitsmarkt und die Einkaufsmanager- Indices deuten auf einen größeren Abschwung. Gut sind hingegen die Auftragseingänge der Industrie. Einen wichtigen Fingerzeig werden auch die Daten zum „Black Friday“ liefern, der traditionell dem Thanksgiving-Feiertag folgt und der erste Tag des Jahres ist, an dem US-Einzelhändler einen Jahresgewinn erreicht haben. Durch die Bedeutung des online-Handels gewinnt der Donnerstag auch an Bedeutung. Da in den USA die stationären Geschäfte geschlossen waren, wird an dem sogenannten „Cyber-Thursday“ viel online gekauft. Entsprechend lässt sich aus diesen beiden Tagen die tatsächliche Konsumneigung in den USA ableiten. Da diese Tage auch zunehmend in Deutschland den Konsum anheizen sollen, gibt es in dieser Zeit viele Aktionen. Daher haben wir die Daten aus unserem „Verbundunternehmen“ www.buero.de mit großer Spannung verfolgt. Dort waren die Tage sehr umsatzstark und es scheint sich zu bestätigen – die Lage ist vielfach besser als die Stimmung. Dies scheint in China anders zu sein. Dort sorgt die restriktive Corona-Politik für Frustration in der Bevölkerung und wird ein immer größerer Belastungsfaktor für die Wirtschaft. Daher ist es nicht überraschend, wenn die chinesische Notenbank ihre Geldpolitik lockert. Diese Entwicklung hat ebenfalls einen dämpfenden Effekt auf die Inflation. Ähnlich wie in den 2000er Jahren könnte China durch Preisrückgänge weltweit dämpfend auf die Geldentwertung einwirken. Schon jetzt sind diese Effekte bei den Rohstoffen spürbar; aber auch immer mehr Unternehmen merken, wie schwierig es ist, Wachstum in China zu erzielen. Es ist also ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sorgt das gebremste Wachstum für moderate Weltmarktpreise – insbesondere im Rohstoffbereich, andererseits bremst dies die Nachfrage auf unterschiedlichen Ebenen. Dieses sehr differenzierte Bild ist auch für die Notenbanken ein größeres Rätzel. Während die USNotenbank auf einen „entspannteren“ Zinskurs einzuschwenken scheint, überbieten sich EZB-Vertreter in ihrer Haltung, wie groß ein nächster Zinsschritt werden könnte und wie viele notwendig sein werden. Mit einem überraschend guten deutschen Wirtschaftswachstum kehrten leichte Zinssorgen zurück.

Es bleibt allerdings auffällig, dass insbesondere bei Unternehmensanleihen kaum Verkäufer aktiv sind und neu aufgelegte Papiere stark nachgefragt werden. Dies ermöglicht den emittierenden Unternehmen dann, die Risikoaufschläge deutlich zu reduzieren. Damit wird ein Trend bei bestehenden Anleihen bestätigt, nach dem sich die historisch hohen Aufschläge weiter sukzessive reduzieren. Auffällig bleibt die Bewegung bei Nachranganleihen. Diese gewinnen weiterhin hinzu. Hier relativiert sich die von uns seit längerem beschriebene Marktübertreibung ebenfalls. Es dauert nur länger und geht in kleineren Schritten. Durch die vielfach günstigen Kaufkurse sind aber die Renditen so attraktiv, dass es im Zusammenspiel weiterhin attraktiv ist, eine breite Mischung über alle Anleiheformen zu haben und eher auszuweiten.

Schließlich haben sich die Aktienmärkte für das ungewisse Umfeld bereits sehr gut erholt. Lediglich die US-Technologiebörse Nasdaq mit weiterhin einem Minus von fast 30% und einige asiatische Börsen präsentieren sich von den Haupt-Aktienbörsen schwach. Der deutsche MDAX hinkt in der Entwicklung auch stark hinterher, aber durch aktives Agieren ist das Aktienjahr 2022 nicht mehr so schwach. So steht die Aktie des Stahlhandelskonzerns Klöckner & Co auf Jahressicht deutlich im Minus. Wir haben für unsere Schön & Co Kunden aber allein mit dieser Aktie einen Ertrag von 30% erzielt. Trotz unserer konservativen Ausrichtung sind wir mit der Aktienentwicklung weit über dem Markt und nutzen die Gewinne, um Erträge durch Neuanlagen in Anleihen für die Zukunft zu sichern.

Schließlich ist die Frage nicht unwesentlich, ob wir am Beginn einer neuen Krise stehen. Die Konjunkturdaten sind teilweise deutlich schwächer als erwartet. Neben dem deutschen ifo- Geschäftsklima-Index sind vor allem die Daten vom USArbeitsmarkt enttäuschend. Deswegen stellt sich die Frage, ob die US-Dollar-Schwäche, die in der zweiten Hälfte der vergangenen Handelswoche zu spüren war, tatsächlich auf die Rede des USNotenbankpräsidenten zurückgeht oder nicht eine konjunkturelle beachtenswert. Trotz deutlich steigender Corona-Infektionszahlen und damit verbundenen Lockdown gewinnt die Währung mehr als 1,5%. In diesem Zuge haben wir die US-Dollar-Gewichtung reduziert, weil unsere Erwartung ist, dass die US-amerikanische Währung bei 1,05 fair bewertet ist. Im Zuge eines Streits um die Erhöhung der Schuldenobergrenze könnte die US-Währung weiter fallen. Nach wie vor überraschend ist die anhaltende Stärke des Russischen Rubel. Sie zeigt, wie groß die Nachfrage nach Energie-Rohstoffen weiterhin sein muss. Auf Jahressicht 2022 hat der russische Währung 26% gegenüber dem Euro hinzugewonnen. Dies ist doppelt so viel wie der Mexikanische Peso, der 13% steigen konnte, aber ähnlich stark von der Rohstoffpreisentwicklung abhängig ist. Schon fast tragisch ist die Entwicklung der Digitalwährungen, die in diesem Jahr 2/3 ihres Wertes eingebüßt haben. Eine Erholung zeichnet sich nicht ab, da möglicherweise eine weitere Handelsplattform in dem Bereich vor dem Aus steht.

Das „digitale Gold“ glänzt also derzeit nicht und kann sich mit der etwas größeren Zuversicht an den Kapitalmärkten nicht positiv entwickeln. Anders sieht dies bei den physischen Edelmetallen aus, die aber fast ausschließlich vom schwächer werden US-Dollar profitieren. Im Moment gilt für Platin, Silber und insbesondere Gold „US-Dollar schwächer, Edelmetalle besser“. Entsprechend sehen wir hier auch einen weiteren Aufwärtstrend, während die Energierohstoffe eher weiter unter Druck bleiben werden. Nicht nur die milde Witterung, sondern vor allem die sich abschwächende Wirtschaft werden die Nachfrage weiter beeinträchtigen. Dies betrifft dann auch die weiteren industriell benötigten Rohstoffe. Ohne eine deutliche Stabilisierung in China, die durch die restriktive Corona-Politik nicht absehbar ist, werden die industriellen Rohstoffpreise unter Druck bleiben. Damit gilt allerdings auch, dass die Weltwirtschaft wenig dynamisch wächst.

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.