Omikron sorgt für 1.000 Punkte Minus

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Marktupdate 48/2021

Markus Schön, Dienstag 07. Dezember 2021

 

Das Marktumfeld bleibt seltsam. Einer der Mitbegründer der Investmentfirma von Warren Buffett sieht – ähnlich wie wir – bei den aktuellen Börsenkursen eine Blase wie zur Jahrtausendwende. Damals schockte das Platzen der Technologieblase die Märkte weltweit und sorgte in Deutschland für das faktische „Aus“ des Neuen Markts, der heute TecDAX heißt. Viele Marktteilnehmer argumentieren derzeit, aus den damaligen Übertreibungen hätten Investoren gelernt. Es darf bezweifelt werden, wenn man die Bewertungen von Unternehmen betrachtet, denen jegliche Rentabilität fehlt, weil sie teilweise Milliardenverluste schreiben. Daher ist das Entweichen von Luft aus einigen der aufgepumpten Märkte nicht überraschend. Die chinesischen Aktien – vor allem – aus dem dortigen Technologiesektor, leiden unter dem US-Börsen-Rückzug des Fahrdienstanbieters Didi, welches der immer schärferen Regulatorik Chinas Rechnung trägt. Damit fallen auch die führenden Internetwerte aus China – Alibaba und Tencent – deutlich. Zusammen haben beide Werte 1 Billion US-Dollar an Marktkapitalisierung verloren. Dies entspricht – je nach „Tagesform“ – der Marktkapitalisierung von Apple, die wiederum über eine verhaltende Nachfrage klagt. Dies wurde zwar mit Unruhe an den Aktienmärkten aufgenommen. Bislang hat Apple aber keinen deutlichen Rückgang verzeichnen müssen, während andere Technologieaktien wie Amazon, Facebook, Netflix oder auch unser „Lieblingswert“ Tesla um bis zu 20% gefallen sind. Die wesentliche Frage ist in diesem Zusammenhang, ob Apple einer der nächsten Werte ist, der ebenso unter Druck gerät oder die Bereinigung – zumindest bei den Top-Technologiewerten – bereits wieder vorbei ist. Nimmt man klassische Substanzwerte wie HeidelbergCement oder Klöckner & Co, dürfte sich die eingangs beschriebene Einschätzung bestätigen. Viele der Substanzwerte notieren sogar unter ihren Buchwerten. Umso verwunderlicher ist die nach wie vor teilweise zweistellig positive Wertentwicklung vieler Indices in diesem Jahr. Getragen wurde diese im Wesentlichen von Technologie- und selektiv Automobil- sowie Luxuswerten. Die Schwankungsbreite bei diesen Werten und darüber hinaus ist aber teilweise sehr hoch. So war es nicht verwunderlich, dass der US-Leitindex Dow Jones am vergangenen Donnerstag in der Spitze um fast 1.000 Punkte fiel. Vor rund 10 Jahren hätte eine solche Bewegung sofort eine Untersuchung der US-Börsenaufsicht nach sich gezogen. Jetzt scheint man aber zur Tagesordnung überzugehen, obwohl die Begründung für diesen Kursrutsch mehr als seltsam ist. Ohne sonstige Nachrichten sorgte die Meldung über den ersten Corona-Fall mit der Omikron-Variante in den USA für die Abwärtsbewegung. Dabei ist die US-Wirtschaft derzeit deutlich robuster als die Eurozone aufgestellt. Des Weiteren scheinen die USA in vielen Regionen eine andere Strategie im Umgang mit der Pandemie zu verfolgen: Man ergreift nur noch sehr begrenzt beschränkende Maßnahmen.

 

Wie lange dies so bleiben wird, ist auch abzuwarten. Im Sommer 2021 sah man in Deutschland und weiten Teilen Europas die Corona-Pandemie als nahezu überwunden an. Nun sind die Maßnahmen so streng, dass sie zu wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führen. Dies erfolgt in einer Phase, in der die wirtschaftliche Situation ohnehin instabil ist. Nach wie vor sind Lieferketten gestört; nach wie vor sorgen immer wieder nahezu weltweit erfolgende Corona-Beschränkungen für wirtschaftliche Beeinträchtigungen. Insofern muss man den Hinweis von Apple, einer rückläufigen Nachfrage sehr ernst nehmen. Es gibt derzeit im Technologiesektor nicht nur Angebotsdefizite aufgrund der Knappheit von Datenchips, sondern auch eine geringere Nachfrage. Letztere ist darauf zurückzuführen, dass die wirtschaftliche Dynamik weltweit unter den Erwartungen zurückbleibt. Sollte sich nun die neue Omikron-Variante des Corona-Virus als schnell übertragbar und gefährlicher herausstellen, dürfte die wirtschaftliche Entwicklung 2022 viel schwächer als erwartet und vor allem an den Kapitalmärkten eingepreist ausfallen. Ein Warnsignal könnte der schwache Aufbau neuer Arbeitsplätze in den USA sein, obwohl die Arbeitslosenquote stärker als erwartet sinkt. Aber auch das Verbrauchervertrauen und der viel beachtete Einkaufs-managerindex Chicago sind rückläufig. Eine ähnliche Situation ist in Europa und insbesondere Deutschland festzustellen. Mit den steigenden Infektionszahlen geht eine Verunsicherung einher, die durch Meldungen über steigende Inflationsraten noch zusätzlich befeuert wird. Zumindest hier könnte in Ansätzen der November, aber vor allem der Dezember 2021 mit einer rückläufigen Steigerung der Geldentwertung überraschen, da durch das Aufkommen der Omikron-Variante die Rohstoffpreise fielen.

 

Daher nimmt auch niemand die Überlegungen des US-Notenbankpräsidenten Jerome Powell ernst, das dortige Anleihekaufprogramm schneller zu beenden, um eher den US-Leitzins zu erhöhen. Solange die Corona-Pandemie die „Welt beherrscht“, wird die Geldpolitik global expansiv bleiben. Dennoch war die Reaktion an den Kapitalmärkten kurios: Statt fallender Kurse stiegen die Preise für Anleihen wieder und damit sanken die Zinsen. Anders als sonst half dies aber nicht den Aktienmärkten. Dort waren Verluste zu verzeichnen. Betrachtet man nun noch die Unternehmensanleihen, wird deutlich wie verrückt das Marktumfeld ist. Diese stiegen teilweise deutlicher als Staatsanleihen im Kurs, obwohl gerade Unternehmensanleihen in den letzten zwei Wochen besonders unter dem Marktumfeld gelitten hatten. „Normal“ wäre eine leicht schwächere Entwicklung als bei Staatsanleihen gewesen.

 

Aber in diesem Marktumfeld ist nichts normal. Auf der einen Seite gibt es Unternehmen, die auf Kursniveaus bewertet werden, die nur bei zukünftigen und dauerhaften Monopolen gerechtfertigt sind. Auf der anderen Seite finden sich am Aktienmarkt Werte, die nur knapp oberhalb des Gewinns eines Geschäftsjahres bewertet werden. Letztere werden dann in rückläufigen Marktphasen eher verkauft, so dass die Bewertungen noch aberwitziger werden. Möglicherweise ist diese Irrationalität einer der Gründe, aus denen die Märkte nun stärker schwanken und sich viele Indices seit fast neun Monaten seitwärts – und in Asien – abwärts entwickeln. Während diese Entwicklung beim DAX in der hinter uns liegenden Handelswoche mit einem Minus von 0,6% nicht so ausgeprägt war, hat der US-Technologieindex NASDAQ fast 3% verloren. Ein Großteil des Minus entstand in einer relativ kurzen Handelsdauer. Auch dies zeigt die Nervosität an den Märkten.

 

Diese Nervosität hatte in der Vorwoche noch für einen deutlichen Anstieg des Euros gesorgt. Gegenüber den rohstoffnahen Werten war dies überhaupt nicht nachzuvollziehen. Schließlich entwickeln sich diese Volkswirtschaften durch die steigenden Einnahmen sehr robust. Aber auch die leichte Abschwächung des US-Dollars überraschte. Die US-Wirtschaft ist stabiler und es besteht ein deutlicher Zinsvorteil der USA gegenüber der Eurozone. Daher waren die deutlichen, knapp 3% starken Anstiege des Russischen Rubel und des Mexikanischen Peso nicht überraschend. Gleichzeitig war aber auch Sicherheit gesucht, weshalb Schweizer Franken und Japanischer Yen auch zu den Wochengewinnern zählten. Interessant ist aktuell auch der Südafrikanische Rand als zinsstarke und zu stark abgestrafte Währungsbeimischung.

 

Eher als spekulativ geltende Fremdwährungen sind in diesem Umfeld attraktive Wert- und vor allem Ertragsergänzungen. Anders als in nahezu allen Industriestaaten gibt es dort attraktive Renditen. Dies ist umso wichtiger, da neben den nervösen Aktienmärkten auch die Edelmetalle in den vergangenen Tagen und im Gesamtjahr unter Druck blieben. Diese haben in der hinter uns liegenden Handelswoche zwischen 1% und 2,5% an Wert verloren. Auf Jahressicht 2021 summiert sich der Rückgang teilweise auf bis zu 15% für vermeintliche Sachwerte, die auch als Inflationsschutz dienen sollen. Es kann kaum eindrucksvoller deutlich werden, wie irrational Märkte werden, wenn diese mit Liquidität geflutet und Fehlallokationen eher die Regel werden.

 

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