Luxus geht immer – auch in Pandemiezeiten

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Marktupdate 42/2020

Markus Schön, Dienstag 20. Oktober 2020

 

Mit den explodierenden Infektionszahlen in Europa und den spürbaren Steigerungen in den USA rückt die Corona-Pandemie wieder in den Fokus an den Kapitalmärkten. Schon kommen erste Stimmen auf, die für Deutschland einen zweiten „Lockdown“ fordern, den andere Staaten in Europa in Teilen schon vollziehen. Dies sorgte für hohe Nervosität an den Kapitalmärkten, die durch Nachrichten noch verstärkt wurde, dass es bei zwei möglichen Impfstoffen und Behandlungsansätzen Rückschläge gegeben hatte. Mit der Nachricht am letzten Freitag von Fortschritten des schweizerischen Pharma-Konzerns Roche und der damit verbundenen Hoffnung auf eine schnellere Zulassung kam neue Zuversicht an die Kapitalmärkte. Dabei gibt es viele weitere „Sorgenthemen“: In engem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie steht die Warnung der EZB, das Volumen an notleidenden Krediten könne in Europa die Entwicklungen der Finanzkrise 2008 übertreffen. Hier gäbe es immer noch zu viele Banken und Sparkassen, die ihre Kreditvorsorge nicht entsprechend anpassen. Sozusagen unter der Wahrnehmungsschwelle der Marktteilnehmer spitzt sich der Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland weiter zu. Es entwickelt sich dort ein Pulverfass, das bei der kleinsten Unruhe explodieren könnte. Die EU schaut weg, weil sie sich auf die Corona-Pandemie und das Anschlussabkommen nach dem Brexit mit Großbritannien konzentriert. Zwar hat der britische Premierminister Boris Johnson seine Drohung nicht wahrgemacht, nach dem 15.10.2020 nicht weiter verhandeln zu wollen, aber eine wirkliche Lösung für ein echtes Handelsabkommen ist weit weg. Vermutlich ist die aktuelle Situation auch für Großbritannien die Gelegenheit, einen harten Schnitt mit der EU zu vollziehen. Im Zweifel werden die negativen Effekte durch diese politische Entscheidung als „Corona-Folgeschaden“ dargestellt. Es ist nicht festzustellen, dass Großbritannien wirklich eine Lösung sucht. Möglicherweise sind aber gerade wieder die sehr stark steigenden Corona-Infektionen ein viel größeres Problem, weil es aktuell viel spürbarer ist.

 

Vielleicht setzen die Verhandlungspartner aber auch auf ein wechselseitiges Einlenken und eine Verlängerung der Übergangsfrist. Schließlich ist es in der Partnerschaft zwischen den USA und Großbritannien auch ziemlich still geworden. Beide Staaten kämpfen mit der Pandemie. Donald Trump ist zudem auf der Zielgerade im US-Präsidentschaftswahlkampf, bei dem er zumindest wieder etwas auf seinen Herausforderer Joe Biden aufzuholen scheint. Diese Aufholbewegung geht vor allem auf die Einschätzung der US-Amerikaner zurück, Trump könnte sich gegen China, Russland und andere Staaten besser durchsetzen. Hierbei versucht der US-Präsident, sich die Corona-Pandemie zunutze zu machen. Er spricht von dem „China-Virus“ und stellt dar, wie gering die Zahlen sind, die China weiterhin hinsichtlich Neuinfektionen vermeldet. Spätestens jetzt muss man von einem „Tarnen, Tricksen, Täuschen“ Chinas sprechen, das von der Weltgemeinschaft so eigentlich nicht hingenommen werden darf. Aber ohne die chinesische Wirtschaftskraft und der daraus folgenden Nachfrage wären viele Branchen und Unternehmen in den USA, aber vor allem in Europa am Ende. Schließlich fällt der Wirtschaftseinbruch in Deutschland nach – aus unserer Sicht zu optimistischen – Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute verhältnismäßig niedrig aus, weil in China die Konjunktur wieder unbeeindruckt funktioniert. Der Inlandsflugverkehr dort liegt sogar wieder über dem Niveau vor Corona. Durch die faktisch nicht mehr vorhandenen Auswirkungen boomt der Konsum und gerade im Luxussegment ist China wie bei LVMH der Garant für teilweise ordentliche Umsatz- und Ergebnisentwicklungen.

 

Neben einer Verschärfung der regionalen Verschiebungen der Wirtschafts- und Finanzkraft vertieft die Corona-Pandemie soziale Ungleichgewichte. Während mehr als 100 Millionen Menschen zusätzlich in extreme Armut zurückfallen, werden die Hochvermögenden immer reicher. Gleichzeitig steigt die Verschuldung der Staaten immer schneller. Hier zeigt sich, dass die USA nicht mehr viel Kraft haben, weitere Konjunkturmaßnahmen zu ergreifen. Aber auch Private-Equity-Anbieter haben mit 1,5 Billionen US-Dollar so viel Geld wie nie zuvor für Firmenübernahmen. Dies wird die teilweise irrationalen Bewertungen von Unternehmen und Immobilien weiter treiben, öffnet aber auch Anlagebetrag immer stärker Tür und Tor.

 

Nach einem im Frühsommer 2020 bekannt gewordenen, aber aus unserer Sicht viel zu wenig beachteten Anlagebetrug im Großraum Osnabrück erschüttert nun ein aus Deutschland betriebenes Schneeballsystem vor allem britische Anleger, die das Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ – leider zu Unrecht – auf einen Immobilien-investor übertragen hatten. Den von Anlegern erhaltenen ca. 1 Mrd. Euro sollen nur Werte von 150 Mio. Euro gegenüberstehen. Dieser Investor war u. a. in Ostwestfalen-Lippe tätig. Deswegen kann man die Warnungen vor intransparenten Anlagekonzepten nicht oft genug wiederholen. Geschäftsmodell, Kosten und Transparenz müssen immer gegeben und nachvollziehbar sein. Deswegen investieren wir grundsätzlich in Einzelwerte und freuen uns, dass wir auf der Aktienseite u. a. in Werte wie LVMH oder Ferrari investiert hatten. Während die EU-Ausfuhren um über 12% im Vorjahresvergleich zurück-gegangen sind, sind solche europäische Werte – auf der Aktien- und Anleiheseite weiterhin sehr gefragt.

 

Dies wird sich auch fortsetzen, weil die Nachfrage nach Luxusgütern weiterhin hoch ist. Immer mehr Menschen in den Industriestaaten sind konjunkturell unabhängig, während für viele andere die Corona-Pandemie materiell zu einer existenziellen Bedrohung wird. Dies gilt auch gerade in den USA. Dort liegen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe doppelt so hoch wie in den wirtschaftlich durchschnittlich Jahren 2011 und 2012. Die höchste Pro-Kopf-Verschuldung der führenden Industriestaaten zeigt die Grenzen weiterer Hilfsmaßnahmen sehr deutlich. Dies spielt aber in der Diskussion um ein weiteres Hilfspaket keine Rolle. Donald Trump ist die Verschuldung ohnehin egal, während Joe Biden eine kluge Strategie zu einer wirtschaftsschonenden Entschuldung fehlt. Dennoch gehörte der US-Dollar gerade in dem nervösen Umfeld zu den „sicheren Häfen“.

 

Wirklich rational zu erklären ist dies nicht, zumal der Mexikanische Peso ebenfalls hinzugewinnen konnte, der ja als Indikator für einen Wahlsieg von Joe Biden gilt. Schließlich haben die anderen rohstoffnahen Währungen eher verloren oder sich seitwärts entwickelt. Dies verwundert umso mehr, da die industriell benötigten Metalle nahe ihrer Jahreshochs 2020 notieren und sich selbst der Ölpreis in der allgemeinen Nervosität über 40 US-Dollar je Barrel hält. Hierbei wirken die geringeren Lager-bestände und neue Diskussionen um weitere Förderkürzungen der OPEC stützend. Aber auch eine neue Studie zu weiteren negativen Folgen des Frackings sorgt – gerade in den USA – für neue Diskussionen in der Branche. Werden dort beispielsweise die Umweltauflagen erhöht, werden weitere US-Anbieter vom Markt verschwinden. Dies ist für einige Private-Equity-Anbieter sicherlich schwierig, aber für die Umwelt und die anderen Förderstaaten wäre es eine gute Nachricht. Eine solche Entwicklung wäre bei einer 2. Amtszeit Donald Trumps unwahrscheinlicher, der um jeden Preis die Wirtschaft stützen wird. Dann muss Silber – vielleicht noch stärker als bislang – ein Ankerwert in der Anlagestrategie sein.

 

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