Anleihen sind Inflationsschutz

Marktupdate 39/2022

Markus Schön, Dienstag 28. September 2022

An den Kapitalmärkten ist das „(Un-)Wort des Jahres 2022“ schon jetzt klar. Es muss „Jahrestief“ lauten. Nach einer zumindest auf der Zinsseite relativ ruhigen US-Notenbanksitzung kam es am vergangenen Freitag zu einem Ausverkauf, bei dem wieder Billionen an Marktwerten verloren gegangen sind. Auslöser war – teilweise Russland und die sich wohl abzeichnenden Annektionen – aber vor allem Großbritannien. Das britische Pfund ist auf den tiefsten Stand seit über 30 Jahren im Vergleich zum Euro gefallen. Die Aktienkurse brachen ein und die Rendite von britischen Staatsanleihen stieg Richtung 4% p. a. Ursache waren die geplanten, wirtschaftspolitischen Maßnahmen der neuen britischen Premierministerin Liz Truss. Es wird befürchtet, dass die deutlichen Steuersenkungen zu immer geringeren Staatseinnahmen führen und Großbritannien so auf den finanziellen Status eines Entwicklungslandes fällt. Dies ist natürlich übertrieben, aber die negative Reaktion auf die Ankündigung von Steuersenkungen zeigt, dass der Trend gerade in eine ganz andere Richtung geht. Es setzen sich immer mehr Akteure durch, die eine Art Staatskapitalismus favorisieren. Während die in der Finanzkrise 2008 erfolgten (Teil-)Verstaatlichungen von Kreditinstituten noch sehr kritisch bewertet wurden, war die Skepsis während der Corona-Pandemie deutlich geringer und die Nachricht der Verstaatlichung des Gashandelskonzerns Uniper wurde schon fast wohlwollend zur Kenntnis genommen. Während die autokratischen und z. T. autoritäre Gesellschaftssysteme in der westlich geprägten Welt weiterhin – völlig zu Recht – geächtet sind, wird ein Staatskapitalismus eher positiv gesehen. Für die Kapitalmärkte ist dies natürlich ein schlechtes Signal. Schließlich zeigt die Zwangsverstaatlichung von Uniper, dass der Staat deutlich tiefer in Unternehmensstrukturen als bislang eingreift.

Für die Steuerzahler kann dies ein Segen sein, weil somit riesige Verluste wie bei der Commerzbank vermieden werden. Wenn sich der Staat als besserer Unternehmen versteht, wird es schwierig. Dies gilt umso mehr bei einem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Bei ihm würden keine Unternehmen mehr insolvent; sie hören nur auf zu produzieren. Seine Inkompetenz musste nun der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz „ausbügeln“, der bei seiner Nahost-Reise hoffentlich endlich verbindliche Regelungen zur Belieferung Deutschlands mit Flüssiggas treffen konnte. Allerdings wird dies – selbst bei einer unverzüglichen Lieferaufnahme – nicht ausreichen, um den Wegfall der russischen Gaslieferungen zu kompensieren. Russland ist im Energiesektor das wichtigste Land der Welt und dauerhaft nicht zu ersetzen. Daher muss man sorgenvoll auf die Risiken eines atomaren Erstschlags blicken, wenn die Ukraine ihr von Russland vermutlich spätestens am kommenden Freitag annektiertes Gebiet zu rückerobern versucht. Eine atomare Verseuchung westlich der Ostukraine wäre für Russland vermutlich ein akzeptables Szenario, weil aus dortiger Sicht damit ein „Schutzkorridor“ entstünde, die Regierung Wladimir Putins fordert. Daher wird es am Ende leider eine Abwägung sein, ob das politische Risiko zu groß ist, einen Atomschlag zu führen und Russland vielleicht noch stärker zu isolieren. Humanitäre Erwägungen spielen dabei keine Rolle mehr. Es geht um aggressive Machtpolitik, in der Russland bereit zu sein scheint, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu ergreifen. Dann DIE DATENBASIS 39|2022 – STAND 25.09.2022 – 23:10 An den Kapitalmärkten ist das „(Un-)Wort des Jahres 2022“ schon jetzt klar. Es muss „Jahrestief“ lauten. Nach einer zumindest auf der Zinsseite relativ ruhigen US-Notenbanksitzung kam es am vergangenen Freitag zu einem Ausverkauf, bei dem wieder Billionen an Marktwerten verloren gegangen sind. Auslöser war – teilweise Russland und die sich wohl abzeichnenden Annektionen – aber vor allem Großbritannien. Das britische Pfund ist auf den tiefsten Stand seit über 30 Jahren im Vergleich zum Euro gefallen. Die Aktienkurse brachen ein und die Rendite von britischen Staatsanleihen stieg Richtung 4% p. a. Ursache waren die geplanten, wirtschaftspolitischen Maßnahmen der neuen britischen Premierministerin Liz Truss. Es wird befürchtet, dass die deutlichen Steuersenkungen zu immer geringeren Staatseinnahmen führen und Großbritannien so auf den finanziellen Status eines Entwicklungslandes fällt. Dies ist natürlich übertrieben, aber die negative Reaktion auf die Ankündigung von Steuersenkungen zeigt, dass der Trend gerade in eine ganz andere Richtung geht. Es setzen sich immer mehr Akteure durch, die eine Art Staatskapitalismus favorisieren. Während die in der Finanzkrise 2008 erfolgten (Teil-)Verstaatlichungen von Kreditinstituten noch sehr kritisch bewertet wurden, war die Skepsis während der Corona-Pandemie deutlich geringer und die Nachricht der Verstaatlichung des Gashandelskonzerns Uniper wurde schon fast wohlwollend zur Kenntnis genommen. Während die autokratischen und z. T. autoritäre Gesellschaftssysteme in der westlich geprägten Welt weiterhin – völlig zu Recht – geächtet sind, wird ein Staatskapitalismus eher positiv gesehen. Für die Kapitalmärkte ist dies natürlich ein schlechtes Signal. Schließlich zeigt die Zwangsverstaatlichung von Uniper, dass der Staat deutlich tiefer in Unternehmensstrukturen als bislang eingreift. SEITE 1 UNSERE EINORDNUNG dürfte aber die Front der NATO-Staaten noch geschlossener hinter Sanktionen stehen, weshalb zumindest unter diesem Blickwinkel der sich abzeichnende Wahlerfolg der teilweise extremen Rechten in Italien nur begrenzten Einfluss hätte. Die hier voraussichtlich entstehende Regierungskoalition wird deutlich EU- und Euro-skeptischer sein, als dies bislang ein Mitgliedsland war. Dabei darf man nicht vergessen, dass es sich um die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone handelt. Italiens Wirtschaftskraft ist drei Mal so groß wie Russland und zehn Mal so groß wie die Wirtschaftsleistung Polens. Dies erklärt auch, weshalb der Euro erneut so deutlich gegenüber dem US-Dollar verlor, der nun mit rund 0,98 deutlich über der Parität handelt. Der durch die US-Notenbank vollzogene Zinsschritt um die erwarteten 75 Basispunkte erklärt dies nur teilweise. Wesentlicher sind die wirtschaftlichen Probleme, die in Europa und insbesondere in Deutschland immer offenkundiger zu Tage treten, aber auch die Frage der politischen Ausrichtung der Eurozone. Durch die Notenbankpolitik in Kombination der mindestens in Deutschland inkompetenten Wirtschaftspolitik wird viel unternehmerisches Substanz endgültig vernichtet. Wenn beispielsweise BASF ein weiteres Werk in China baut, geht diese Investition in Höhe von 10 Mrd. Euro an Deutschland vorbei. Der mit viel medialer Wirksamkeit angekündigte Bau von zwei Intel-Chipfabriken in Magdeburg kommt ebenso ins Stocken wie die Batteriefertigung Teslas in Brandenburg.

Gleichzeitig sinken die Möglichkeiten, finanzpolitisch zu unterstützen. Während es vor einem Jahr noch ein Geschäft für den deutschen Staat war, Schulden zu machen, hat sich die Situation nun verkehrt. Statt bis zu 0,8% Zinsen zu erhalten, muss Deutschland für aktuelle Refinanzierungen 2% p. a. bezahlen. Dies ist noch verkraftbar, aber für Staaten wie Italien, aber auch die USA werden die dort jeweils deutlich höheren Zinssätze existenzbedrohend. Die US-Staatsanleihen haben das schlechteste Jahr seit 1920. Es findet wirklich eine – aus unserer Sicht völlig übertriebene – dramatische „Zeitenwende“ statt. Bei den Staatsanleihen erlebt man keinen Crash mehr, sondern eine Situation, die einem Systemzusammenbruch nahekommt. Umgekehrt werden – auch staatsnahe – Neuemissionen immer noch „aufgezogen“. Die Nachfrage übersteigt das Angebot teilweise um ein Vielfaches. Geld ist weiterhin vorhanden.

Schließlich hält die japanische Notenbank an ihrer expansiven Geldpolitik fest, aber auch in China nehmen die Hilfsmaßnahmen der Notenbanken eher zu. Dennoch ist die Stimmung an den Aktienmärkten historisch schlecht. Viele Indizes markieren neue Jahrestiefs. Die Stimmung bei Aktienanlegern ist so schlecht wie nie zuvor. Gleichzeitig ist der Börsengang des Automobilkonzerns Porsche in wenigen Minuten überzeichnet. Dies ist umso beachtlicher, weil sich Porsche zumindest mit dem Unternehmenskern des Sportwagens 911 gegen alternative Antriebe wendet. Auch hier zeigt sich, wie wichtig eine breit aufgestellte Wirtschaft mit unterschiedlichen Lösungsansätzen ist. So würde eine Durchdringung mit Elektromobilität in diesem Winter zu einem Stromkollaps führen.

Schließlich ist die Frage nicht unwesentlich, ob wir am Beginn einer neuen Krise stehen. Die Konjunkturdaten sind teilweise deutlich schwächer als erwartet. Neben dem deutschen ifo-Geschäftsklima-Index sind vor allem die Daten vom US-Arbeitsmarkt enttäuschend. Deswegen stellt sich die Frage, ob die US-Dollar-Schwäche, die in der zweiten Hälfte der vergangenen Handelswoche zu spüren war, tatsächlich auf die Rede des US-Notenbankpräsidenten zurückgeht oder nicht eine konjunkturelle beachtenswert. Trotz deutlich steigender Corona-Infektionszahlen und damit verbundenen Lockdown gewinnt die Währung mehr als 1,5%. Letztlich fehlen die Rohstoffe, weil man Russland als Lieferanten ausschließt, aber auch weil nichts so energie-effektiv wie Atomenergie und Kohle ist. Auf ein ähnliches Niveau kann „grüner Wasserstoff“ kommen, aber dies ist ein weiter Weg, an den zumindest aktuell die Devisenmärkte nicht glauben. Sonst würden die rohstoffnahen Währungen – insbesondere der Russische Rubel mit einem Plus im Wochenvergleich von fast 8% nicht so deutlich hinzugewinnen können. Aber auch der Mexikanische Peso profitierte überproportional, obwohl der Ölpreis in einer Woche auch den verbliebenen Rest seiner Jahresgewinne 2022 nahezu vollständig abgegeben hatte.

Das Minus von fast 8% beim Ölpreis macht eigentlich deutlich, dass die stark steigenden Rohstoffpreise zumindest aktuell der Vergangenheit angehören. Es wurde auch in diesem Bereich alles verkauft. Gold hat inzwischen in diesem Jahr 10% an Wert eingebüßt, obwohl es als Sachwert und Schutz vor Inflation gilt. Diese Unsicherheit, dass keine Gewissheit mehr Bestand hat, sorgt für immer mehr Nervosität. Dabei müssten die fallenden Preise im Energiesektor ein Signal sein, dass die steigende Inflation zum Erliegen kommt. Die Versorgungsrisiken bestehen weiterhin, weil Russland bei den meisten Energierohstoffen den Weltmarkt durch das dort vorhandene Volumen bestimmt. Aber auch die Rückgänge in anderen Segmenten zeigen, wie deutlich ein – teilweise sehr starker – Abschwung eingepreist ist.

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