New York mit Fingerzeig für Immobilienpreise

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Marktupdate 38/2020

Zusätzlich zu dieser Ausgabe des Schön & Co Marktupdates veröffentlichen wir eine Audio-Datei eines Beitrags der Sendung „Wirtschaft und Gesellschaft“ des Deutschlandfunk vom 18.09.2020, in der zwei Zitate zu einem der wesentlichen Kapitalmarktthemen der letzten Tage von uns zu hören sind.

Markus Schön, Dienstag 22. September 2020

 

Die Erwartungshaltung an die hinter uns liegende Handelswoche war groß. Schließlich fand die letzte Sitzung der US-Notenbank statt, in der noch grundlegende geldpolitische Entscheidungen vor der US-Präsidentschaftswahl am 03.11.2020 getroffen werden konnten. In den letzten Wochen davor hält sich die Notenbank zurück, um sich nicht der Beeinflussung des Wahlkampfs verdächtig zu machen. Umso überraschender war, dass der US-Präsident Donald Trump im Vorfeld nicht versuchte, Druck auf die Notenbank aufzubauen. Schließlich stehen weitere staatliche Hilfen in den USA aus, was die Erholung dort spürbar verlangsamt. Politisch scheint dort weitgehend Stillstand zu herrschen und der Präsidentschaftswahlkampf die Politik zu lähmen. Neues Streitpotenzial entsteht durch den Tod einer der liberalsten Richterinnen am Obersten Gerichtshof der USA. Durch eine Neubenennung noch vor der Wahl könnte Trump die ohnehin sehr konservative Mehrheit des höchsten Gerichts der USA auf Jahrzehnte zementieren. Dies so kurz vor einem Wahltermin zu tun, wäre sehr ungewöhnlich, aber Trump ist ja nicht für einen ausgleichenden Politikstil bekannt. Mit Blick auf die sehr langfristige Bedeutung werden in den USA die finanzpolitischen Entscheidungen eher in den Hintergrund rücken. Entsprechend wird die Erholung der größten Volkswirtschaft der Welt schleppend bleiben. Entsprechend rückt die US-Notenbank die wirtschaftliche Erholung in den Fokus und enttäuscht dennoch die hochgesteckten Erwartungen. Statt Negativzinsen oder weiterer Anleihe-kaufprogramme bekennt sich die Notenbank zwar zu einer langfristig niedrigen Zinspolitik, ergreift aber eben keine neuen Maßnahmen. Dies hat viele Marktteilnehmer enttäuscht. Schließlich hatte die Entscheidung beim eher virtuellen Notenbanktreffen in Jackson Hole, das Inflations-ziel flexibler zu gestalten und Jahresraten von moderat über 2% zuzulassen, weitere geldpolitische Hoffnungen geweckt. Aber diesen – aus unserer Sicht falschen Forderungen – ist nach der EZB nun auch die US-Notenbank nicht gefolgt. Sorgen macht jedoch weiter die rückläufige Inflation.

 

Nach der Bestätigung der deflationären Tendenzen in der Eurozone im August 2020 bestätigten auch Analysen der Verbraucherwahrnehmung der Inflation den rückläufigen Trend. Auch europäische Notenbank-Vertreter warnen vor einer Kombination sehr niedriger Inflation mit geringem Wachstum. Bei diesen Szenarien wird eine weiterhin moderat entspannte Pandemie-Situation in Europa unterstellt. Tatsächlich steigen die Infektionszahlen in Europa deutlich und gerade das relativ wirtschaftsstarke Bayern ist im Augenblick besonders getroffen. Kritischer ist die Situation schon jetzt in Österreich, da dort in Wien das erste Krankenhaus wieder eine voll belegte Intensivstation meldet. Hinsichtlich der Infektionszahlen ist die Lage in Spanien, Frankreich und Belgien schon jetzt dramatisch und in Osteuropa steigen die Infektionszahlen ebenfalls sehr schnell. Großbritannien denkt vor diesem Hintergrund und einem ebenfalls deutlich steigenden Infektionsgeschehen über einen zweiten Lockdown nach, der möglicherweise in den dortigen Herbstferien im Oktober 2020 umgesetzt wird. In Spanien gibt es schon jetzt regionale Lockdowns, die wir in einer viel beachteten Analyse für ein großes, internationales Unternehmen auch in Deutschland für wahrscheinlich erachtet haben. Daher halten wir die Prognosen für die Stärke der wirtschaftlichen Erholung in Deutschland, Europa und weltweit für zu optimistisch. Die Unternehmen werden auf jede neue Maßnahme mit immer stärkeren Sparprogrammen reagieren und die Insolvenz-quote wird deutlich steigen. Damit droht eine Abwärtsspirale, die insbesondere vor dem Hintergrund drohender Deflation in ihrer Gefahr nicht unterschätzt werden darf, zumal sich in weiten Teilen die Vermögenspreisinflation der letzten Jahre nicht fortsetzt. So fallen in vielen Metropolen der Welt die Immobilienpreise spürbar.

 

Besonders spürbar ist dies – wie von Saskia Gaymann in der Illustration wunderbar dargestellt – besonders in New York. Ohne das kulturelle und gesellschaftliche Angebot einer Weltstadt verliert dieser Wohnort an Attraktivität und das Umland gewinnt – auch durch niedrigere Preise und Home-Office-Lösungen – hinzu. Dieser Trend fallender Preise ist in Deutschland nur vereinzelt spürbar. Die Situation in den USA sollte aber Mahnung sein, dass niedrige Zinsen nicht automatisch zu Preissteigerungen führen. Die Nachfrage und die dauerhafte Werthaltigkeit müssen eben auch gegeben sein. Diese Erfahrung machen gerade Anleger des MDAX-Wertes Grenke, der nach Anschuldigungen eines Investors massiv unter Druck geriet. Die Aktie des Konzerns hatte sich mehr als halbiert und die Anleihen des Finanz-dienstleisters waren von 100% auf teilweise ca. 60% gefallen. Unser lange vor dem Vorwürfen erstelltes Research stieß nun auf sehr große mediale Beachtung, weil wir davon ausgehen, dass Anleihen und Aktien eine weitere Halbierung vor sich haben, um den bekannten Bilanzrisiken Rechnung zu tragen.

 

Sollten sich die Vorwürfe, die an Wirecard erinnern, bestätigten, wäre dies ein weiterer Tiefschlag für den Finanzplatz Deutschland. Schließlich hätten dann wieder Kontrollmechanismen versagt. Umso wichtiger ist es, bei Anlageentscheidungen Experten hinzuziehen, die über einiges Research verfügen und damit wirklich unabhängige Bewertungen vornehmen. Schließlich haben Banken viel Geld an der Platzierung von Anleihen des Unternehmens verdient. Ein wirklich unabhängiges Research ist so einfach nicht möglich, zumal Deutsche Bank, Commerzbank und viele Regionalbanken spürbare Ertragsprobleme haben.

 

Umso verwunderlicher ist die Zinsmarge, die Grenke in einem eher margenarmen Geschäft erzielte. Hier ist auch die internationale Ausrichtung wenig relevant. Schließlich ist das Zinsniveau global niedrig und sinkt eher weiter. Dies versuchen die Notenbanken zu nutzen, um den Außenwert der jeweiligen Währung zu schwächen. Im Moment gelingt dies der EZB ganz gut, da der Euro gegenüber einigen Währungen an Wert verliert. Gerade die rohstoffnahen Währungen gewinnen leicht hinzu und der vor allem unter politischen Druck stehende Russische Rubel stabilisiert sich. Der Druck, niedrige Zinsen zu haben, bleibt aber global. So zeigt die Inflationserwartung in den USA wie sehr die Notenbanken in vielen Themen auch nur spekulieren.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.