Sind US-Technologiewerte die Dotcom-Blase 2.0?

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Marktupdate 36/2020

Markus Schön, Dienstag 08. September 2020

 

Die Zeit wird immer schnelllebiger und die Anleger vergessen schnell. Anders ist die Fortsetzung der Rekordjagd bei den US-Technologiewerten in der ersten Hälfte der hinter uns liegenden Handelswoche nicht zu erklären. Die Videokonferenzplattform Zoom stieg an einem Handelstag um 40%, Tesla profitierte von einer Kapitalerhöhung, die normalerweise zu einem Aktienminus geführt hätte. Alles erinnert an die Dotcom-Blase vor 20 Jahren. Auch zur Jahrtausendwende waren die starken Anstiege von Privatanlegern getragen, die noch unbedingt investieren wollten. Schließlich gab es – vor den Anschlägen am 11.09.2001 – noch teilweise eine Aufbruchstimmung. Die USA hatten unter dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton Hausüberschüsse erzielt und in Europa wurde der Euro greifbare Realität. Das Internet war relativ neu und bot viele Chancen. China nahm gerade erst richtig wirtschaftlich Fahrt auf. Entsprechend gab es einige Argumente für eine Fortsetzung eines moderaten Wachstums weltweit und steigende Kurse an den Aktienmärkten, auch wenn viele Technologiewerte sehr ambitioniert bewertet waren. Jetzt ist die Situation viel schlechter. Die Unternehmen sind noch viel höher bewertet, so dass bei Betrachtungen von Kurs-Gewinn-Verhältnissen teilweise völlig abwegige Relationen festzustellen sind. Tesla ist – den größten Hersteller Toyota außen vorgelassen – beispielsweise so viel Wert wie sämtliche börsennotierte Automobilhersteller zusammen. Jetzt mag man – für uns unverständlich – eine zukünftig marktbeherrschende Stellung des Unternehmens annehmen, aber das gesamte Umfeld spricht gegen die aktuellen Bewertungen gerade im US-Technologiesektor. So bleibt der Pkw-Absatz schwach; in Spanien werden fast nur noch alte Gebrauchtfahrzeuge verkauft. Aber auch die Einkaufsmanagerindices gehen wieder zurück. Selbst in Deutschland hat noch immer jede 3. Firma Kurzarbeit angemeldet. Die Arbeitslosigkeit in den USA geht nur langsam zurück, in der Eurozone steigt sie sogar. Aber vor allem ist dort die Inflation – für uns logisch, für viele Analysten – überraschend in den negativen Bereich gefallen.

 

Mit einer Rate von -0,2% auf Jahressicht lag sie fast einen halben Prozentpunkt unter den Prognosen der Analysten, deren Prognosen für den Rückgang der Wirtschaftsleistung viel zu optimistisch sein dürften. Durch die Corona-Schutz-maßnahmen ist die Konsumstimmung weltweit eingetrübt. Dies erklärt auch die rückläufigen Einzelhandelsumsätze in Deutschland im letzten Monat, obwohl die in Deutschland vorhandene Kaufkraft durch die reduzierten Urlaubsreisen viel größer als im letzten Jahr gewesen ist. Die Maßnahmen zur konjunkturellen Belebung könnten einen viel geringeren Effekt als politisch erhofft haben. Dafür sprechen auch die Einschätzungen, dass in Deutschland inzwischen jedes 6. Unternehmen nicht überlebensfähig ist und die Kreditausfälle bei Banken und Sparkassen sprunghaft ansteigen. Hier rettete die Aktienkurse von Deutsche Bank und Commerzbank nur die sich abzeichnende Fusion der spanischen Kreditinstitute Caixabank und Bankia. Letztere war ja schon ein Abwicklungsfall, der durch den spanischen Staat gerettet wurde. Auch hier ist es wieder eine Fusion aus der Schwäche. Solche Firmentransaktionen sind nie erfolgreich. Aber die konjunkturellen Sorgen betreffen nicht nur Spanien oder Deutschland. Frankreich will zur Arbeitsplatzsicherung ein neues Konjunkturpaket auflegen, ohne erklären zu können, wie dies finanziert werden soll. In Italien deuten alle Zahlen auf eine Fortsetzung der wirtschaftlichen Abwärtsbewegung und in den USA ist die Wirtschaftskrise mit den Händen zu greifen. Umso unverständlicher ist die Rekordjagd an den Börsen, die am Donnerstag und Freitag mit einem Rückgang von 7% beim Nasdaq zumindest vorerst etwas gebremst wurde.

 

Ob die Anleger tatsächlich aus ihrer Blase aufwachen oder dies nur ein „Luftholen“ für die nächste Rallye ist, wird sich nach dem verlängerten Wochenende in den USA zeigen. Die Unterstützung der Verfechter, dass fundamentale Daten keine Rolle spielen, wird vermutlich in der nächsten Woche eher von der EZB kommen. Neben den Sorgen um die konjunkturelle Entwicklung hat die Notenbank bereits deutlich Stellung zum Außenwerts des Euros bezogen. Dieser ist ihr zu hoch. Zusammen mit den beschriebenen, deflationären Tendenzen spricht viel für eine weiteren Ausweitung der ohnehin schon extrem expansiven Geldpolitik. Entsprechend ist ein Absenken des Leitzinses unter 0% p. a. ebenso denkbar wie eine Ausweitung des Anleihekaufprogramms. Wie hoch die Nachfrage nach Zinspapieren ist, zeigte neben vielen Neuemissionen vor allem die Emission einer „grünen“ Bundesanleihe, die mit 4 Mrd. Euro geplant, mit 6,5 Mrd. Euro emittiert wurde und auf eine Nachfrage von mehr als 30 Mrd. Euro traf. Zinsen sind damit nicht zu erzielen.

 

Wirkliche Nachhaltigkeit und Rendite lassen sich viel besser mit dem Schön & Co Nachhaltigkeitsfonds erreichen, der ab dem 15.09.2020 handelbar sein wird. Aktien können dort mit maximal 35% gewichtet sein, aber unser aktives Management steuert die Aktienquote in Relation zu aktuellen Marktentwicklungen. So haben viele unserer Mandate Allzeithochs erreicht, aber in der Schwäche der letzten zwei Tage kaum nachgegeben. Dazu trägt unser unabhängiges Research bei, das nicht nur Anlagen in Wirecard ausgeschlossen hatte, sondern unsere Kunden auch vor Rocket Internet bewahrt hatte. Das Unternehmen zieht sich mit einem Rücknahmeangebot von knapp 19 Euro von der Börse zurück, nachdem die Altaktionäre mit einem damaligen Emissionskurs von 42 Euro reich geworden sind.

 

Solche Entwicklungen sind nicht nur schlecht für die betroffenen Anleger; sie schaden auch dem Finanzplatz Deutschland, der ohnehin unter Wirecard und den verschwiegenen Treffen zwischen Olaf Scholz und der Warburg-Bank im Steuerskandal leidet. Mehr Verlässlichkeit und Transparenz wären dringend geboten. Dies gilt auf europäischer Ebene umso mehr, da ohne klaren wirtschafts- und geldpolitischen Kurs das Vertrauen in Europa immer weiter schwindet. Umso wichtiger erscheint derzeit eine breite Währungsdiversifikation. Der Russische Rubel leidet zwar unter den politischen Verwerfungen und dem rückläufigen Ölpreis. Aber die starke Entwicklung des Australischen Dollar ist sehr positiv. Dies gilt umso mehr, da Australien zum ersten Mal seit 1991 eine Rezession erlebt.

 

Durch die Weltfinanzkrise war die sehr rohstoffabhängige Wirtschaft 2008 ohne Wirtschaftseinbruch gekommen. Die Entwicklung jetzt zeigt, wie tiefgreifend die Corona-Krise wirklich ist. Ohne den Rohstoffsektor, der durch China wieder profitiert, wären die Einschnitte in Australien noch wesentlich stärker. Dies sollte eine Mahnung für die Weltkonjunktur, aber auch gerade die Risiken, die in Deutschland bestehen, sein. Vor diesem Hintergrund kann man dem starken Rückgang beim Ölpreis von -7% im Wochenvergleich auch etwas Positives abgewinnen. Es relativiert die Energiekosten und schafft so neue Ausgabe- und Investitionsspielräume, wenn sich der Trend rückläufiger Energierohstoffpreise verstetigt. Allerdings ist dies auch immer ein konjunktureller Indikator. Es ist also ein schmaler Grad zwischen positiven Kosteneffekten und einer Indikation für eine nachlassende wirtschaftliche Dynamik. Letztere lässt sich aus der Rohstoffpreisentwicklung noch nicht ableiten. Vielmehr deutet alles auf eine Umschichtung vieler Investoren von Rohstoffanlagen – auch Edelmetallen – in Aktien, da diese bis Mitte der hinter uns liegenden Handelswoche nach dem Corona-Schock nur noch eine ansteigende Richtung zu kennen schienen.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.