Der Heilige Gral der US-Notenbank

US-Notenbank_Marktupdate_2020_35

Marktupdate 35/2020

Markus Schön, Dienstag 01. September 2020

 

Das traditionelle Treffen der Notenbanker in Jackson Hole fand in diesem Jahr nur virtuell statt, bot aber dennoch eine historische Nachricht. Die US-Notenbank wird ihr statisches Inflationsziel aufgeben, um zukünftig Phasen besonders niedriger Geldentwertungsraten stärker berücksichtigen zu können. In der Theorie würde beispielsweise auf eine Phase zweijähriger Inflation von 1% jährlich ein Zeitraum von 2 Jahren mit 3% Inflation folgen können, ohne dass das Ziel der US-Notenbank verfehlt oder die Geldpolitik geändert werden müsste. So versucht man vordergründig, wirtschaftliches Wachstum und hohe Beschäftigung besser gewährleisten zu können. Tatsächlich ist es allerdings der Kampf gegen die drohende Deflation in der Realwirtschaft, die in einem scharfen Kontrast zu der Vermögenspreis-inflation steht. Nahezu alle Anlageformen haben trotz der tiefgreifenden Corona-Krise deutlich an Wert gewonnen, obwohl immer noch völlig unklar ist, welche Unternehmen die Krise überleben. Es findet aber eine Flucht aus Liquidität in Anleihen, Aktien, Immobilien und Edelmetalle statt, was einem Misstrauensvotum gegen das Geldsystem entspricht. Anleger fühlen sich im Moment bestätigt, da nahezu alle Anlagen an Wert gewinnen und teilweise dramatische Insolvenzen wie bei Wirecard komplett ausgeblendet werden. Aber auch der Nachfolger des Betrugssystems Wirecard entwickelt sich zu einem „Anlage-Grab“. Delivery Hero weitet trotz Umsatzsteigerung die Verluste weiter aus.

Substanz spielt an den internationalen Aktienmärkten kaum noch eine Rolle. Während dies im DAX nichts Neues ist, geht leider auch der US-Leitindex Dow Jones in eine ähnliche Richtung. Die nach wie vor arbeitsplatzstarke „old economy“ macht in der ersten US-Börsenreihe teilweise Platz für Technologieunternehmen. Mit Salesforce und Amgen kommen zwei bedeutende Unternehmen der „new economy“ in den Dow Jones. Beide spielen in einer völlig anderen Liga als Delivery Hero, aber sie ersetzen mit Pfizer und vor Exxon Unternehmen, die fast jeder kennt und die viel deutlicher für die Wirtschaftskraft der USA standen. Ob eine immer stärkere Abbildung durch Technologieunternehmen in allen Aktiensegmenten über den Nasdaq-Index hinaus sinnvoll ist, kann man zumindest kritisch hinterfragen. Salesforce kann ohne produzierende Unternehmen als Kunden ebenso wenig überleben wie Amazon, wenn es keine Hersteller mehr gäbe, die auf der Plattform ihre Produkte anbieten. Entsprechend bleibt eine ausgewogene Mischung in den Indices ebenso von wesentlicher Bedeutung wie in den individuellen Depots. Schließlich werden die Risiken nicht kleiner. Corona spielt an den Kapitalmärkten keine Rolle mehr, obwohl in Frankreich als zweitgrößter Volkswirtschaft der Eurozone die Infektionszahlen wieder explodieren und sich selbst in Deutschland die Konsumstimmung wieder rückläufig entwickelt. Aber auch andere Nachrichten sind nicht ermutigend. Zwischen der Türkei und Griechenland kann man inzwischen von einem militärischen Säbelrasseln sprechen. Ähnlich wie in Weißrussland steht das türkische Regime unter Druck und könnte die „Rettung“ in einem Konflikt mit einem ausländischen Staat suchen. Die Strategie, einen Feind von außen zu suchen, gegen den man sich verbünden muss, ist – leider – ein beliebtes Mittel des politischen Machterhalts. Dies sollte man knapp zwei Monate vor der Wahl in den USA nicht unterschätzen, zumal Donald Trump nicht der erste US-Präsident wäre, der einen militärischen Konflikt aus Wahlkampfüberlegungen nutzt. Entsprechend ist die politische und gesellschaftliche Unsicherheit so hoch wie vielleicht tatsächlich seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Man sollte sich daher nicht auf die positive Stimmung an den Kapitalmärkten verlassen, sondern weiterhin breit streuen und Risiken beobachten.

Schon jetzt ist ein deutlicher Anstieg der internationalen Risikoneigung spürbar. So gab es für den August eines Jahres in den letzten Tagen viele Neuemissionen von Anleihen, bei denen besonders viele eher als risikoreich einzustufen waren. Hier hat die Änderung der Strategie der US-Notenbank sicherlich die Überzeugung verfestigt, dass das Zinsniveau auf sehr lange Sicht extrem niedrig bleiben wird. Höhere Zinsen lassen sich – so die vereinfachte Logik – nur mit höheren Risiken realisieren. Dieser Blickwinkel ist falsch, wie die erfreuliche Entwicklung beispielsweise in Schön&Co-Mandaten zeigt. Hier zeigt sich, dass eine Strategie mit überschaubaren Laufzeiten bei erstklassigen Unternehmensanleihen und einem aktiven Agieren sinnvoll ist. Schließlich bieten sich gerade in diesem Umfeld immer wieder Chancen, Anleihen zu hohen Kursen zu verkaufen und – teilweise wenig später – zu günstigeren Preisen wieder kaufen zu können. Selbst in dem Umfeld extrem expansiver Geldpolitik kommt es zu Schwankungen, die man für den langfristigen Anlageerfolg nutzen kann.

Diese Schwankungen sind auch am Aktienmarkt festzustellen. Durch die stark auf Phasen positive Marktentwicklungen abzielende Berichterstattung hat man den Eindruck, alle Aktienmärkte weltweit befinden sich auf einem Allzeithoch und würden nur steigen. Letzteres gilt für keinen Aktienmarkt und „lediglich“ Nasdaq und S&P 500 erreichten – für US-Anleger – Höchststände. Europäischen Investoren machte hier teilweise der schwache US-Dollar die Gewinne zunichte. Von diesem profitieren die US-Märkte derzeit besonders, weil sich Exporte der USA in andere Währungsräume damit verbilligen und die Verschuldung der USA im Ausland zumindest sinkt.

Da neben den USA selbst auch viele andere Staaten ihre Schulden in US-Dollar aufgenommen haben, ist die Schwäche der US-Währung eine Hilfe für die weltweite Konjunktur. Schließlich fällt es so gerade Schwellenländern leichter, sich zu refinanzieren. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft internationaler Kreditinstitute wieder, diesen Staaten und dort beheimateten Unternehmen mit Krediten zur Verfügung zu stehen. Trotz dieser vordergründig positiven Entwicklungen sollte man nicht vergessen, dass der Währungskurs auch immer ein Zeichen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist. International werden die USA also so schwach wie seit mindestens zwei Jahren nicht mehr gesehen. Neben dem spaltenden US-Präsidenten Donald Trump und der politischen Unsicherheit bezogen auf den Präsidentschafts-wahlkampf dort spielt sicherlich die Schwäche der USA durch die Corona-Pandemie eine spürbare Rolle. Selbst Russland, das ebenfalls stark betroffen ist und durch die Sanktionen sowie mit Blick auf Weißrussland eine Phase hoher politischer Unsicherheit durchlebt, verzeichnet eher wieder steigende Währungskurse. Dies bestätigt unsere positive Einschätzung zu rohstoffnahen Währungen.

Auf der Rohstoffseite bestätigt sich unsere positive Meinung zu Silber weiterhin. Zwar kann der Goldpreis um rund 1,3% im Wochenvergleich steigen, aber Silber entwickelt sich mit 3% wiederum deutlich besser. Während Gold 20% in diesem Jahr gestiegen ist, hat Silber mit einem Zuwachs von 40% eine doppelt so starke Entwicklung genommen. Hier ist aus unserer Sicht noch kein Ende zu erkennen, weil gerade die industriell benötigten Rohstoffe besonders gefragt sind. Gold hingegen funktioniert nur als Inflationsschutz, die aber in den letzten fünf Jahren niedrig war und sich weiter abschwächen wird. Entsprechend steht Gold im Wettbewerb mit anderen Anlageformen, die von der Angst vor einem Kollaps des Finanzsystems profitieren. Hier zählt dann aber nur die Wertentwicklung. Dort sind neben Silber andere Anlagen Gold deutlich überlegen.

 

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