Märkte vor dem Sommer-Crash?

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Marktupdate 28/2021

Markus Schön, Dienstag 20. Juli 2021

 

Allzeithochs in den Schön & Co Mandaten wurden erreicht, weil wir – basierend auf unserem unabhängigen Research – ausschließlich auf erstklassige Werte setzen und großen Wert auf makro-ökonomische Analysen legen. So sind wir hinsichtlich der aktuellen Konjunkturdaten aus China skeptisch. Zwar wurde mit einem Wachstum im 2. Quartal 2021 von 7,9% fast die Prognose erreicht, aber die Schwäche im chinesischen Konsumsektor ist eine negative Überraschung. Schließlich will die Volkswirtschaft genau in diesem Bereich ihre Zukunftsfähigkeit sichern. Wenn dies nicht gelingt, droht eine Pleitewelle in China, die den Finanzsektor dort und die gesamte wirtschaftliche Entwicklung belasten würde. Deswegen ist die Entwicklung der Inflation in den USA keine gute Nachricht. Sie erreichte mit 5,4% auf Jahressicht den höchsten Stand seit der Finanzkrise 2008. Betrachtet man die Kerninflation, ist der Wert mit 4,5% naturgemäß niedriger, aber so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Dennoch hält die US-Notenbank an ihrer expansiven Geldpolitik fest, weil man die Entwicklung der Inflation nur als temporäres Problem betrachtet. Eine ähnliche Sichtweise offenbarte die EZB, bei der sich immer stärker abzeichnet, geldpolitisch keine Veränderungen bis mindestens ins 1. Quartal 2022 anzustreben. Ohne „offiziellem“ Ende der Pandemie werden die Finanzhilfen nicht gestoppt. Die Risiken der Geldentwertung werden auch dort als temporäre Gefahr eingestuft. Viel kommt von der Steigerung der Rohstoffpreise und insbesondere der Energierohstoffe, so dass die Entscheidung der OPEC+ wichtig war.

 

Dort strebt man eine Ausweitung der Fördermengen an, was schon in den vergangenen Handelstagen zu Preisrückgängen beim Ölpreis sorgte. An den Tankstellen machte sich dies bislang nicht bemerkbar. Dort bewegen sich die Preise nach den deutlichen Steigerungen der Vormonate derzeit seitwärts. Dies könnte die Flutkatastrophe in Deutschland und in einigen Nachbarstaaten sehr schnell verändern. Zum einen gibt es Einschränkungen in der Verkehrsinfrastruktur – Autobahnen wie Seewege – und zum anderen wird dies zu einer Diskussion über eine noch schnellere Abkehr von fossilen Brennstoffen führen. Einen wesentlich ganzheitlicheren Ansatz verfolgt unser Schön & Co Nachhaltigkeitsfonds, bei dem wir uns auch mit der Frage beschäftigen, wie ein schnellerer Umstieg auf – vermeintlich – grüne Energie-Lösungen erfolgen kann und welche Folgen damit verbunden sind. Ein radikaler Schwenk – ähnlich wie bei der Abkehr von der Kernenergie nach der Fukushima-Katastrophe – würde sehr teuer und würde eine Form von Verteilungskonflikten nach sich ziehen. Schon heute wird erwartet, dass der Mangel an Halbleitern noch länger als 1 ½ Jahre anhalten wird. Gleichzeitig mehren sich Anzeichen, dass die Kapazitäten in der Batterieherstellung 2023 ebenso wie der Abbau von den benötigten Rohstoffen an Grenzen stoßen werden. Der Abbau würde dann nun weniger unter ökologischen Aspekten geschehen, so dass Technologien, die mindestens als Übergangslösung dienen können, weiterentwickelt werden. Hierzu gehören sicherlich hoch effiziente Gasturbinen von Siemens oder – mit Abstrichen – General Electric. Der Brennstoff für Deutschland und teilweise Europa kommt mit Nordstream 2 noch stärker aus Russland. Die Pipeline ist sehr umstritten und wurde bei dem Abschiedsbesuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bei dem US-Präsidenten Joe Biden heftig kritisiert. Wie auch in anderen Feldern verfolgt er die Politik seines Amtsvorgängers. Er ist nur weniger marktschreierisch als der Ex-US-Präsident Donald Trump.

 

Versucht man nun über die Sommerpause Ihres Schön & Co Marktupdate eine Einschätzung aus nachlassender Konjunktur, wieder rückläufiger Inflation und eher noch expansiver Geldpolitik zu entwickeln, scheint die Zinsprognose relativ einfach. Die Zinsen werden weiter fallen. Ganz so leicht ist es aber nicht. Mit inzwischen wieder -0,35% p. a. für zehn Jahre laufende Staatsanleihen hat man sich weit von der „Höchstverzinsung“ in diesem Jahr entfernt. Man liegt ungefähr in der Mitte zwischen Zinstief und -hoch 2021. Daher spricht bei erstklassigen Anleihen viel für eine Seitwärtsbewegung, bei der Überraschungen bei US- und vor allem Unternehmensanleihen möglich sind. Hier kann es zu Kursrückgängen – gerade in der Sommerphase mit reduzierten Handelsvolumina – kommen. Dies wird nach unserer Einschätzung aber eher länger laufende Anleihen betreffen. Daher ist es wesentlich auf eine gute Durchmischung der Anleihen hinsichtlich Emittenten, Laufzeiten und Währungen zu achten. Zusätzlich kann man mit ambitionierten Limiten – sowohl bei Käufen und Verkäufen – arbeiten, um sich bietende Marktchancen zu nutzen. Gerade im Rentenmarkt ist der Zufluss an neuem Geld immens. Die EZB hat angekündigt, in diesen Monaten aufgrund der geringeren Umsätze mehr zu kaufen, aber nahezu alle relevanten Notenbanken kaufen viel mehr Anleihen als Aktien und sorgen für eine zusätzliche Verknappung. Viele Unternehmen haben derzeit aufgrund ihrer Kapitalstärke keinen Refinanzierungsbedarf. Ohne die Kreditaufnahme vieler Staaten wäre das Angebot viel knapper.

 

Diesem knappen Angebot stünde eine große Nachfrage gegenüber, die das Zinsniveau noch weiter drücken würde. Davon leben die Aktienmärkte. Bei einem „normalen“ Zinsniveau, das vielleicht auch eher der derzeitigen Inflationsentwicklung angemessen wäre, würden alle Rekordstände an den Märkten in sich zusammenbrechen. Die Aktienmärkte leben fast ausschließlich von der „Droge“ billiges Geld. Dies zeigt sich besonders an den US-Technologiewerten, die viel stärker auf Zinsentwicklungen als auf Unternehmensnachrichten reagieren. Dies ist eine sehr ungesunde Entwicklung, weil damit bestehende Gefahren komplett ausgeblendet werden. Die gesellschaftlichen Spannungen in vielen Weltregionen werden nicht wahrgenommen. Dabei stehen einige Staaten in Süd- und Mittelamerika, aber auch Südafrika am Rande eines Bürgerkriegs. Dies wird in einer global vernetzten Welt, in der immer noch eine Pandemie tobt, nicht spurlos an dem globalen Wachstum vorbei gehen. Neben den menschlichen Tragödien können solche Katastrophen wie aktuell in Deutschland, aber auch Belgien, Österreich oder den Niederlanden dramatischere Auswirkungen auf die jeweiligen Volkswirtschaften haben. So sind die Schäden in der Infrastruktur nicht kurzfristig zu beheben. Der Mangel an verfügbaren Baumaterialien wird den Wiederaufbau hemmen. Gleichzeitig werden die Hilfszahlungen die jeweiligen Staatshaushalte belasten und die globale Verschuldung zusätzlich leicht nach oben treiben.

 

Dies müsste eigentlich auch die Währungen beeinflussen. Schließlich dokumentiert der Außenwert einer Währung die Wirtschaftskraft einer Volkswirtschaft inkl. der Verschuldung sowie das jeweilige Zinsniveau. Damit ist der Anstieg der US-Dollar im Vergleich zum Euro in der hinter uns liegenden Handelswoche um 0,6% gerechtfertigt. Ein fairer Preis der US-Währung liegt eher bei 1,12 als aktuell rund bei 1,18. Neben den fundamentalen Faktoren spielt aber manchmal auch das politische Umfeld eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Deswegen ist es – trotz sinkender Energierohstoffpreise – eine positive Überraschung, dass der Russische Rubel über 1% hinzugewinnen konnte und nun auf Sicht des Jahres 2021 fast 4% im Vergleich zum Euro hinzugewonnen hat. Schließlich sind die Sanktionen der EU gegen Russland erneut verlängert worden. Hier ist kein Ende abzusehen, aber die – teilweise auch in Folge der Sanktionen – entstandene, eigene wirtschaftliche Stärke Russlands sowie das deutlich höhere Zinsniveau bei einer niedrigen Verschuldung sprechen auch weiterhin für Zuwächse des Russischen Rubel. Ähnlich überraschend ist die Stärke des Australischen Dollar, der ähnlich stark wie der US-Dollar hinzugewinnen konnte, obwohl mit dem Großraum Sydney eine der wirtschaftsstärkten Regionen in einen neuerlichen Lockdown geht, da es dort zu einem größeren Corona-Ausbruch gekommen ist. In Australien ist wegen der bislang geringen Anzahl an Infektionen die Impfbereitschaft sehr niedrig.

 

Darin kann eine weitere Gefahr für die Weltwirtschaft liegen, da insbesondere China auf die Lieferungen von Rohstoffen aus Australien angewiesen ist. Sollten dort die Lieferketten ins Stocken geraten, kann dies wiederum spürbare Steigerungen der Rohstoffpreise nach sich ziehen. In diesem Fall würde sich der in den vergangenen Handelstagen leicht rückläufige Trend wieder umkehren. Dort waren überwiegend Preisrückgänge im Rohstoffsektor zu verzeichnen. In Erwartung einer Einigung auf Anpassungen der Förderquoten hatte der Ölpreis um fast 5% nachgegeben, während das ebenfalls stark für das Wirtschaftswachstum benötigte Kupfer um 0,5% korrigiert hatte. Die Rückgänge gingen von industriell benötigten Rohstoffen aus. So konnte Gold leicht hinzugewinnen, während sich Platin seitwärts entwickelte und Silber sogar im Wochenvergleich 1% verlor. Im Vergleich seit Jahresanfang sieht dies weiterhin anders aus: Da bleibt Gold der stärkste Verlierer, während Platin auf Sicht des Gesamtjahres 2021 bislang einen Zugewinn von rund 3% ausweist. Platin hat – neben der Werterhaltungskomponente – noch viele industrielle Anwendungen und wird daher weiter an Wert hinzugewinnen können. Ähnliches gilt für Silber. Ein Fragezeichen ist mit Gold verbunden. In der Erzählung gilt es als der Wertaufbewahrungsmaßstab und profitiert von der geringen fundamentalen Betrachtung von Fakten. Sollte sich aber der Narrativ einer nur temporären Inflation durchsetzen, dürften die weiteren Gewinnperspektiven bei Gold begrenzt sein. Die besseren Wertsicherungen bleiben Silber und Platin.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.