Rallye bei Anleihen dank Inflationsziel der EZB

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Marktupdate 27/2021

Markus Schön, Dienstag 13. Juli 2021

 

Die spannendste Nachricht der hinter uns liegenden Handelswoche schien eigentlich eine Kleinigkeit zu sein. Die Europäische Zentralbank kündigte an, das Inflationsziel von knapp unter 2% auf exakt 2% auf Jahressicht anzupassen und sogar ein temporäres „Überschießen“ dieser Marke zuzulassen. Damit ist die Notenbankpolitik Europas eigentlich zementiert: Die Zinsen werden – selbst bei deutlich steigender Geldentwertung – dauerhaft niedrig bleiben. Vermutlich wird das Zinsniveau eher weiter fallen als wieder moderat steigen. Dies zeigte sich auch schon an der Entwicklung erstklassigen Anleihen in Europa, die im Kurs so stark wie nie zuvor in diesem Jahr gestiegen sind und im Wochenvergleich – neben den laufenden Einnahmen durch die Zinsen – den stärksten Anstieg in diesem Jahr zu verzeichnen hatten. Mit Anleihen lassen sich weiter deutliche Gewinne erzielen, während die Aktienmärkte – ebenso wie in den Vorwochen – eher nervös reagierten. Die Sorge um eine neuerliche Zuspitzung der Corona-Pandemie belastet die Aktienmärkte. Dies wird durch die Äußerungen der US-Finanz-ministerin Janet Yellen befeuert, die am Rande des G20-Treffens der Finanzminister die größte Gefahr für die Weltkonjunktur in neuen Mutationen des Corona-Virus und darauf folgenden Beschränkungen sah. Entsprechend sind Rücknahmen von Lockerungen in den Niederlanden, Finnland und den baltischen Staaten ebenso ein Belastungsfaktor wie die Entscheidung Tokios, die Olympischen Spiele ohne Zuschauer durchzuführen oder in Teilen Australiens, einen schärferen Lockdown zu verhängen. Der Grundsatz, wer bislang gut durch die Krise gekommen ist, hat niedrige Impfquoten und ist nun von der Delta-Variante besonders betroffen, bestätigt sich aktuell immer stärker. Zusammen mit den steigenden Corona-Zahlen in Afrika und Teilen Asiens und Südamerikas droht eine (konjunkturelle) Belastung, die derzeit an den Kapitalmärkten nicht eingepreist ist. In diesem Zusammenhang gehen auch gute Nachrichten unter: So ist die Einigung der G20-Finanzminister auf eine Mindestbesteuerung eine gute Nachricht, da so die Umverteilung von staatlichen Geldern in das Privatvermögen der Gründer von US-Technologie-konzernen möglicherweise etwas abgebremst werden könnte. Das dennoch erreichte Rekordhoch bei den entsprechenden Aktien ist auf das global wieder deutlich gesunkene Zinsniveau zurückzuführen. Fundamental ist dieser Anstieg daher nicht begründet und die Bewertungen der Aktien insgesamt werfen immer größere Fragezeichen auf. Es wird ein dauerhaft niedriges Zinsniveau und eine extrem boomende Wirtschaft eingepreist. Während ersteres wahrscheinlich erscheint und hier die Notenbanken wirklich alle Hemmungen zu verlieren scheinen, ist zweiteres zunehmend unwahrscheinlich. So trüben sich die Konjunkturdaten weltweit ein und die eigentlich boomenden Märkte in Asien sind auf Jahressicht 2021 teilweise deutlich im Minus. Wirkliche Gegenbewegungen sind dort nicht erkennbar.

 

China ist zwar der Motor für die globale Wirtschaftsentwicklung. An den Kapitalmärkten bleiben aber die USA das Maß aller Dinge und hier hat sich mit dem Wechsel des US-Präsidenten wenig bis nichts geändert. An den Aktienmärkten gilt weiterhin das Motto „America first“. Anders ist nicht zu erklären, dass das US-Unternehmen Facebook die Monopolvorwürfe – zunächst – unbeschadet überstanden hat, während die US-Justiz u. a. gegen die deutschen Konzerne Bayer und Volkswagen teilweise nicht nachvollziehbar juristisch zu Felde zieht. Sicherlich ist Bayer hier hinsichtlich des Vorstands und insbesondere des Aufsichtsrats schlecht aufgestellt. Der vor einiger Zeit berufene Aufsichtsratsvorsitzende ist für einen so international bedeutsamen Konzern sicherlich nicht die erste und keinesfalls die beste Wahl. Dennoch bleiben die Einschätzungen der US-Gerichte zu Glyphosat teilweise wenig nachvollziehbar. Ein US-Unternehmen wäre hier bei einer vergleichbaren Ausgangslage weit weniger kritisch beurteilt worden. Nun kommen neben fundamentalen Fragestellungen, den Rahmenbedingungen – Stichwort allgemeines Zinsniveau – eher politische Fragestellungen hinzu, bei denen die US-Konzerne offensichtlich mehr Unterstützung als europäische und teilweise asiatische Konzerne erhalten. Das bedingungslose Eintreten Chinas für dort beheimatete Unternehmen wird hingegen eher negativ gesehen. Damit ist eine Irrationalität an den Märken verbunden, die kaum nachzuvollziehen ist. Juristische oder politische Einflussnahme auf Unternehmen ist gut, wenn sie den jeweiligen Unternehmen hilft und der Eindruck einer demokratischen Legitimierung besteht. Deswegen haben in den ersten Monaten 2021 US-Unternehmen eine deutlich stärkere Wertentwicklung als beispielsweise asiatische Aktien erzielen können. Eine nachhaltige Überlegenheit dieser Unternehmen ist damit aber eben nicht verbunden.

 

Vielmehr liegt die Grundlage dieser Entwicklungen in der Notenbankpolitik. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat die chinesische Notenbank mit einer Reduzierung des Mindest-reservesatzes auf die sich dort eintrübenden Konjunkturdaten reagiert. Zusammen mit der „Anhebung“ des Inflationsziels in der Eurozone und der zurückhaltenden Positionierung der US-Notenbank zu einer Reduzierung der Anleihekäufe oder gar einer Zinserhöhung haben die Anleihekurse in den vergangenen Handelstagen eine deutliche Aufwärtsbewegung eingeleitet. Es ist spannend, inwieweit sich diese Dynamik fortsetzt, zumal die Handelsvolumina eher zurückgehen und gleichzeitig die Nachfrage nach (erstklassigen) Anleihen weiter steigt. Mit einer attraktiven Struktur der Laufzeiten, Emittenten und Währungen lassen sich bei Zinspapieren weiterhin attraktive Anlageerfolge erzielen

 

Anders stellt sich die Situation auf der Aktienseite da. Unter teilweise Schwankungen von mehreren Hundert Punkten erlebt der DAX – und mit ihm weitere Indices – seit einigen Monaten eine weitgehende Seitwärtsbewegung. Leidglich die US-Technologiebörse Nasdaq erreicht in kleinen Schritten einen Erfolg nach dem anderen und gehört mit einem Jahresplus von 15% zu den stärksten Indices in diesem Jahr. Der deutsche Leitindex DAX ist davon nicht so weit entfernt, aber die asiatischen Märkte haben ihre – vor allem zum Jahresanfang erzielten – Gewinne nicht nur vollständig abgegeben, sondern notieren teilweise mit bis zu 3% im Minus. Dort haben sich die hohen Konjunkturerwartungen „nach“ Corona nicht erfüllt. Gleichzeitig belasten der Bearbeitungsstau in chinesischen Häfen ebenso wie die globale Knappheit an Mikrochips. Dies hat schon dazu geführt, dass 5 Mio. weniger Pkw produziert werden konnten. Damit geht eine Belastung der zyklischen Aktienwerte einher, die zusätzlich durch die Konjunkturrisken aus der Pandemie belastet werden.

 

Hätte sich die Corona-Situation in Australien in den vergangenen Tagen nicht deutlich zugespitzt, wäre der Australische Dollar einer der Wochengewinner im Währungsbereich gewesen. In dessen Windschatten bewegt sich die neuseeländische Währung. Aber beide kamen durch den überraschenden Anstieg der Corona-Neuinfektionen und die damit verbundenen Lockdown-Maßnahmen unter Druck, so dass im Wochenvergleich moderate Rückgänge zu verzeichnen waren. Neben einer Seitwärtsbewegung beim US-Dollar gehörte die norwegische Krone zu den wenigen Wochengewinnern und den Profiteuren von der fehlenden Einigkeit der ölproduzierenden Staaten, die wiederum zu einem Anstieg des Ölpreises führte. Aufgrund der vorangegangenen Anstiege konnte aber weder der Mexikanische Peso noch der Russische Rubel ihre Aufwärtsbewegung fortsetzen.

 

Dabei war es im Rohstoffsektor eine eigentlich ziemlich zufriedenstellende Woche. Der Ölpreis hat sich zwar seitwärts bewegt, aber die Industrie- und Edelmetalle konnten – mit Ausnahme von Silber – moderat hinzugewinnen. Ähnlich wie im Aktienmarkt scheint die Dynamik allerdings deutlich nachzulassen. Schließlich wurde bei den Preissteigerungen eine konjunkturelle Dynamik erwartet, die nun so nicht eingetreten ist. Entsprechend spürbar sind die Rückgänge der Rohstoffe von ihren jeweiligen Höchstständen. Dies nimmt aber auch etwas Druck von den Inflationserwartungen, die somit dann eine Fortsetzung der expansiven Geldpolitik ermöglichen. Damit sind die Perspektiven insbesondere für Edelmetalle – und hier die industriell benötigen Silber und Platin – weiterhin sehr positiv. Insbesondere beim Ölpreis scheint eine Marktübertreibung zu bestehen, die sich nach unserer Einschätzung über den Sommer relativieren wird.

 

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