Sparen in Zeiten von Strafzinsen

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Marktupdate 26/2021

Markus Schön, Dienstag 06. Juli 2021

 

Es ist die Zeit widersprüchlicher, wenn nicht sogar gegenläufiger Meldungen. So standen robusten US-Daten relativ schwache chinesische Entwicklungen gegenüber. Es gab auch keine Impulse von den Feierlichkeiten zum 100jährigen Bestehen der dortigen Kommunistischen Partei. Die Tendenzen der chinesischen Führung, sich immer stärker auch in „privatwirtschaftliche“ Fragestellungen einzubringen, wurden eher bestätigt. Dennoch erreichten mehrere Aktienindices Rekordstände und die Rohstoffpreise präsentierten sich im Wesentlichen robust. Die OPEC-Staaten – ergänzt um Russland – lieferten keine neuen Impulse, aber schon im Vorfeld wurde jede Entscheidung als positiv für die Aktienmärkte eingestuft. Eine Ausweitung über die geplanten Steigerungen der Fördermenge hinaus spräche für die boomende Weltwirtschaft. Eine Beibehaltung der geplanten Fördererhöhungen würde zu steigenden Preisen und damit zu höheren Gewinnen des für die Weltwirtschaft wichtigen Rohstoffsektors führen. Mindestens bei dem letzteren Argument muss man die Logik suchen: So erzielte Gewinne führen zu steigenden Kosten in anderen Wirtschaftsbereichen und sorgen für weitere Inflationssteigerungen. Aktuell lag jedoch die Inflationsrate in Deutschland mit 2,3% auf Jahressicht etwas unter den Erwartungen und hat – neben der unverändert hohen – Nachfrage zu steigenden Kursen von Anleihen beigetragen. Dies stimmt zuversichtlich für die aktuell beginnende „Sommerpause“, in der traditionell die Umsätze an den Börsen und insbesondere im Rentenmarkt deutlich sinken. Das Zinsniveau wird niedrig bleiben. In vielen Bereichen bewegt es sich nunmehr fast durchgängig seit einem Jahrzehnt im negativen Bereich. Insofern kann es eigentlich keine Überraschung sein, dass nun auch die ING-DiBa in Deutschland Strafzinsen einführt. Mit aggressiven Zinsangeboten war die inzwischen drittgrößte deutsche Bank groß geworden. Nun müssen Anleger, die dort mehr als 50.000 Euro Guthaben unterhalten, ab November 2021 einen jährlichen Strafzins von 0,5% p. a. bezahlen. Statt sich zu ärgern, ist – für mittelfristig orientierte Anleger – unser Schön & Co Nachhaltigkeitsfonds eine gute Alternative. In einem deutlichen Gegensatz hierzu steht ein Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof, der Negativzinsen als verfassungswidrig ansieht, weil es eine Benachteiligung der Sparer im Vergleich zu Aktien- und Immobilienanlegern darstelle. Dies ist natürlich grober Unfug. Zum einen kann man auch bei Zinsanlagen weiterhin Negativzinsen vermeiden. Man muss sich nur mit den Rahmendaten befassen oder sich unabhängige Expertise sichern. So können auch Sparer weiterhin sinnvoll anlegen. Zum anderen stellt sich bei Kreditinstituten nicht die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen. Vertraglich ist die Vereinbarung von Strafzinsen möglich. Dies als logische Folge der Notenbank zu definieren, ist mehr als fraglich. Es lässt außen vor, dass Kreditinstitute weiterhin nicht kosteneffizient agieren.

 

Letztlich führt die hohe Kostenquote deutscher Kreditinstitute auch zu negativen Einschätzungen durch die US-Ratingagenturen. Hier ergibt sich immer stärker eine Dreiteilung: Die US-Banken sind durch ihr starkes Investmentbanking und die dort immer größere Deregulierung wirtschaftlich weit führend. Danach kommen die europäischen Kreditinstitute – mit Ausnahme der deutschen Banken und Sparkassen. Der Bedeutung der deutschen Wirtschaft entspricht die heimische Kreditwirtschaft schon lange nicht mehr. Kaum zu beurteilen sind die asiatischen Banken, die unter aktuell in der Region wieder steigenden Corona-Zahlen leiden und schon länger Unternehmen dort finanzieren, deren Überlebensfähigkeit ohne niedrige Zinsen zumindest in Frage stünde. Das damit verbundene Risiko ist vielleicht einer der Gründe, aus denen sich viele asiatische Märkte eher verhalten entwickeln. Dennoch ist verwunderlich, wie stark sich die Aktienmärkte insgesamt präsentieren. Es scheint so, als würde Corona an den Börsen nicht nur Vergangenheit sein, sondern die in einigen Regionen der Welt wieder deutlich anziehenden Inzidenzen an der Börse abprallen. Dabei kristallisiert sich immer deutlich eine in den Industriestaaten unter der Quote für eine Herdenimmunität liegende Impfbereitschaft und eine – eher nur mäßig – reduzierte Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die Deltavariante ab. Damit ist eine schnelle Rückkehr zur früheren Normalität nicht sehr wahrscheinlich. Dies zeigen auch Zahlen aus der Luftfahrtbranche, die bei einem „Vielfachen“ des Werts aus dem Vorjahr liegen. Damals war der Flugverkehr vollkommen zum Erliegen gekommen. Vergleicht man die Zahlen entsprechend mit dem Vor-Corona-Niveau, erreicht dieser Sektor Zahlen von 25% bis 35%. Dies ist kein Einzelfall; entsprechend wird die Erholung länger dauern und langsamer als ursprünglich gedacht erfolgen. Damit sind Belastungen vor allem an den Aktienmärkten wahrscheinlich.

 

Um die damit verbundene realwirtschaftlichen Risiken zu vermeiden, wird die Geldpolitik global weiterhin sehr expansiv bleiben.  Die damit verbundenen Folgen waren gerade in den letzten Tagen absehbar. So sind die Zinsen z. T. deutlich gefallen. Ein durch die Sommerzeit reduziertes Angebot stößt auf weiterhin sehr hohe Nachfrage, die von den internationalen Notenbanken – in diesem Fall allen voran die EZB – noch massiv erhöht wird. Hinzu kommt von den USA ausgehend eine Feiertagsruhe, da der auf den heutigen Sonntag fallende Unabhängigkeitstag sozusagen mit einem Feiertag morgen nachgeholt wird. Es werden zum Wochenauftakt die Impulse aus den USA fehlen. Daher dürften die Handelsvolumina weiter sehr gering sein. Die Neuemissionen werden auch deutlich weniger werden, weil – trotz geldpolitischer Unterstützung – kein Unternehmen das Risiko eingehen will, sich in dieser Phase geringer Handelsvolumina teuer zu refinanzieren.  

 

Wie groß die Gefahren derzeit sind, zeigt der viel beachtete Börsengang des chinesischen Uber-Wettbewerbers DiDi, der zunächst Kursaufschläge von 20% verbuchen konnte und mit über 60 Mrd. Euro bewertet wurde. Als aber Ermittlungen chinesischer Behörden aufgrund Verletzungen der Datenschutzpflichten bekannt wurden, fiel die Aktie um 5%. Nun wurde der Zugriff auf die DiDi-Applikation weitgehend gesperrt. Aus einem mit dem Bayer-Konzern vergleichbaren Börsenwert könnte für DiDi-Anleger sehr schnell ein wirtschaftliches Desaster entstehen. Es zeigt die Risiken, die nach wie vor bei chinesischen Werten bestehen und durch die noch stärkere staatliche Lenkung sicherlich nicht kleiner werden. Ähnlich wie andere Technologie-werte ohne wirkliche Substanz kann dies sehr schnell für weltweite Erschütterungen an den Aktienmärkten sorgen.

 

Mit Blick auf die Stabilität der Rohstoffmärkte fiel die Entwicklung der rohstoffnahen Währungen enttäuschend aus. Lediglich der Mexikanische Peso konnte etwas hinzugewinnen und nährt sich mit einem Jahresplus 2021 von 3,5% langsam der Wertsteigerung des Russischen Rubel an, der noch rund 4% im Plus ist. Allerdings hat die russische Währung in der hinter uns liegenden Handelswoche 0,8% an Wert eingebüßt. Die Zinsdifferenz und die Leistungskraft Russlands machen weiterhin Beimischungen attraktiv. Ähnliches gilt – auch wenn die Zinsdifferenz nicht so ausgeprägt ist – auch für den US-Dollar, der mit einem Kurs von 1,1860 auf den höchsten Stand seit drei Monaten gestiegen ist. Dies ist auf stark wahrgenommene Konjunkturdaten zurückzuführen, die aber auch viel Schatten hatten. So gibt es wieder deutlich mehr Arbeitssuchende in den USA, was den starken Anteil neu geschaffener Arbeitsplätze etwas relativierte.

 

Die als gut eingestuften US-Konjunkturdaten waren auch ein Stabilisator für die Industrierohstoffe, die sich wie beispielsweise Kupfer seitwärts oder Öl aufwärtsgerichtet entwickelten. Lediglich Platin zählte wieder zu den Verlierern und verzeichnete ein Wochenminus von 1,5%. Der starke Anstieg auf Jahressicht 2021 ist nun auf 2% „zusammengeschmolzen“. Das von uns besonders favorisierte Silber holt auf und hat mit einem Zugewinn von 1,5% in der vergangenen Handelswoche auch seit dem Jahresbeginn ein leichtes Plus zu verzeichnen. Gold hingegen liegt – trotz eines moderaten Wochengewinnes – auf Sicht des Jahres 2021 weiter im Minus. Die relative Schwäche der Edelmetalle verwundert etwas, weil die Unsicherheit groß ist und weiterhin eine relativ lang anhaltende Phase höherer Inflation erwartet wird. Außerdem wird das Zinsniveau weiterhin niedrig sein und Maßnahmen wie Strafzinsen immer mehr Anleger zu – teilweise für das jeweilige Risikoprofil – ungeeigneten Alternativen treiben. Davon werden Aktien, Immobilien, Edelmetalle, aber auch Anleihen weiter profitieren. Wirklich unabhängige Expertise bleibt unverzichtbar.

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