USA und China – auch ein Marktmissverständnis

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Marktupdate 25/2021

Markus Schön, Dienstag 29. Juni 2021

 

Der Blick auf die Aktienmärkte suggeriert eine wirtschaftliche Überlegenheit der USA, da dort immer neue Kursrekorde erreicht werden. Es stechen auch Einzelwerte wie Microsoft hervor, das nach Apple als zweites Unternehmen weltweit eine Marktkapitalisierung von mehr als 2 Billionen US-Dollar erreicht hat. Getrieben wird dies durch immer neue Schulden, die die Aktienkurse – teilweise sogar weltweit – stützen. Die Ankündigung eines Infrastrukturprogramms in den USA sorgte auch für einen Kursanstieg bei dem deutschen Konzern HeidelbergCement. Die Konjunkturmaßnahmen sind – in den USA ebenso wie weltweit – nahezu ausschließlich kreditfinanziert. Deswegen müssen die Zinsen weltweit niedrig bleiben. Daher war es nicht überraschend, dass in der vergangenen Woche der US-Notenbankpräsident und die US-Finanzministerin die steigende Inflation als temporäres Problem bezeichneten und – insbesondere die US-Notenbank – das Festhalten an einer weiterhin expansiven Geldpolitik bekräftigten. Dennoch stiegen die Zinsen global leicht an, obwohl beispielsweise die britische Notenbank ebenfalls an ihrer sehr expansiven Geldpolitik festhalten wird. Dort droht – trotz hoher Impfquoten – die Delta-Variante des Corona-Virus die britische Wirtschaft stärker zu beeinträchtigen. Die Marktteilnehmer schauen aber mehr auf die Inflationsentwicklung insgesamt, die sich durch die Ölpreissteigerungen eher weiter beschleunigen wird. Schließlich sind die US-Rohölbestände stärker als erwartet gesunken und die OPEC hält die Fördermengen relativ niedrig. Davon profitieren – zusammen mit der insgesamten Erholung der Preiskorrektur bei den Industriemetallen aus der Vorwoche – die rohstoffnahen Währungen. Allerdings geht hier sehr viel von China aus, dessen Aktienmärkte sich eher verhalten entwickeln, aber von dort letztlich die Rohstoffmärkte dominiert werden.

 

So sorgte die Entscheidung der chinesischen Regierung, die Liquiditätsreserven zu erhöhen und weniger Rohstoffe im Ausland zu kaufen, für starke Bewegungen bei den Industriemetallen, die sich dann aber schnell wieder relativierten. Dennoch zeigt es, dass China inzwischen in vielen Marktsegmenten wesentlich bedeutender als die USA ist. Diese Entwicklung wird an den Kapitalmärkten verdrängt. Schließlich ist der wirtschaftliche Taktgeber damit eine Volkswirtschaft, deren Fundament nicht auf demokratischen Grundwerten basiert. Dem Konflikt zwischen materiellem Nutzen und Moral blenden die Kapitalmärkte einfach aus. Dies ist risikoreich, weil es zu Fehleinschätzungen führt. Die wirtschaftliche Erholung ist zufriedenstellend; sie ist aber nicht so dynamisch, wie es die Kursentwicklung in den USA suggeriert. Zudem ist man noch lange nicht im „Post-Corona-Zeitalter“. Neben der Delta-Variante des Virus in Großbritannien oder Portugal sorgt der Anstieg der Fallzahlen in Südostasien für konkrete wirtschaftliche Beeinträchtigungen. So werden in mehreren, insbesondere chinesischen Häfen die Schiffe verzögert abgefertigt, weil es zu größeren Corona-Ausbrüchen gekommen ist. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen der globalen Lieferketten können größer als die Folgen nach der Blockade des Suez-Kanals durch ein havariertes Schiff sein, was lediglich für die unmittelbaren Schäden zu einer Entschädigungszahlung von 550 Mio. US-Dollar führte. Nun droht durch die schleppende Abfertigung und die damit verbundenen Folgen erneut ein Lieferkettenproblem, das nicht auf eine Phase reibungsloser Abläufe folgt, sondern sich an die Corona-Pandemie, die bereits dargestellte Suez-Blockade sowie Lieferengpässe bei Halbleiter-Chips und verschiedenen Rohstoffen – insbesondere im Bausektor – anschließt. Umso überraschender ist eigentlich, dass sich der Verkauf von Bestandsimmobilien in den USA rückläufig entwickelt. Aber auch hier liegt eine Erklärung in den durchschnittlichen Verkaufspreisen, die mit 350.000 US-Dollar ebenfalls einen neuen Höchstwert erreicht haben. Auch dies ist nur dank der lockeren Kreditvergabe der US-Kreditinstitute möglich. In den USA steigt nicht nur die staatliche Verschuldung, sondern auch die privaten Verbindlichkeiten erreichen immer neue Rekordwerte. Deswegen war die Lockerung der Regeln für Kreditinstitute in den USA notwendig. Dieser Schritt geht noch auf den früheren US-Präsidenten Donald Trump zurück, der schuldenfinanziertes Wachstum als bestmögliches Wirtschaftsmodell sah. Sein Amtsnachfolger Joe Biden ist im Ton verbindlicher; seine politische Agenda ist nicht wesentlich anders. Positiv ist sicherlich die Initiative zu werten, die internationalen (Technologie-)Konzerne einer weltweiten Mindestbesteuerung zu unterwerfen. Ob dies aber tatsächlich konsensfähig ist, bleibt abzuwarten. Dann würden u. a. EU-Staaten wie Irland oder Luxemburg schnell unter massiven Druck geraten, weil dann sozusagen das volkswirtschaftliche Modell gefährdet wäre. Bezogen auf Irland würde dann eine neue Schuldenkrise und in den USA ggf. eine Bankenkrise drohen.

 

Um hier möglichst viel Gefahren abzuwenden, müssen die Notenbanken weltweit geldpolitisch möglichst expansiv agieren. Geld muss so günstig wie möglich zur Verfügung gestellt werden. Dies schafft aber auch immer größere Spielräume für Hedgefonds und andere spekulative Investoren, die dann ihrerseits die Möglichkeit haben, Zinsstrukturen zu beeinflussen. Auch die immense, durch die Notenbanken geschaffene Liquidität sorgt dafür, dass immer mehr Möglichkeiten bestehen, gegen die internationale Notenbankpolitik zu spekulieren. So resultieren weiterhin viele Bewegungen am Zinsmarkt aus derivativen Instrumenten, während bestehende Anleihen eher gekauft und gehalten werden. Dies zeigen auch immer wieder die teilweise deutlichen Überzeichnungen bei Neuemissionen, die gerade vor der langsam einsetzenden Sommerpause wieder deutlich wahrnehmbar sind. Entsprechend hoch wird auch der Anlagedruck in den kommenden Wochen und Monaten bleiben.

 

Dies spricht eindeutig für ein weiterhin sehr niedriges Zinsniveau, zumal die Alternativen auf der Aktienseite auch dünner werden. Neben den teilweise irrational hohen Bewertungen zeigen Entwicklungen wie bei der Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway von Warren Buffet, eigene Aktien zurückzukaufen, die Verzweiflung.  Statt neue Investmentziele zu erschließen und so den Wert für Anleger zu steigern, soll dieser Schritt durch den Rückkauf von eigenen Aktien erzielt werden. Es bedeutet aber auch, dass die US-Investmentlegende keine Anlagen sieht, die bessere Chancen für Anleger bieten. Zusammen mit den immer stärker auftretenden Irrationalitäten an den Kapitalmärkten ist jetzt ein Zeitpunkt, vorsichtig zu agieren. Mit der nun beginnenden Sommerphase dürften die Ausschläge an den Kapitalmärkten stärker und noch weniger nachvollziehbar werden.

 

Mit Ausnahme des US-Dollars konnten alle von uns researchten Fremdwährungen hinzugewinnen. Besonders deutlich war dies beim Mexikanischen Peso, dessen Außenwert zum Euro um 3,5% gestiegen ist, nachdem die mexikanische Notenbank völlig überraschend den Leitzins erhöht hatte. Nun hat die von uns teilweise in Schön & Co Mandaten beigemischte Währung ein neues Jahreshoch erreicht und trägt zur erfreulichen Wertentwicklung für unsere Kunden bei. Fast genauso überraschend ist der moderate Zugewinn beim Russischen Rubel, nachdem es zumindest unterschiedliche politische Wahrnehmungen zu einem militärischen Vorfall zwischen Russland und Großbritannien gab und dies die politischen Risiken noch einmal deutlich machte. Normalerweise sorgt dies dann immer für Druck bei der russischen Währung. Vielleicht profitiert sie zusätzlich, nachdem vertrauliches Material aus Großbritannien eher den russischen Blickwinkel zu bestätigen scheint.

 

Natürlich hilft auch die Entwicklung des Ölpreises, der entgegen einer Einschätzung von uns nun den höchsten Stand seit fast drei Jahren erreicht hat. Seit Jahresanfang 2021 ist der Wert um über 50% gestiegen und trägt natürlich zu den globalen Preis-steigerungen bei. Diese fallen so stark aus, weil auch die weiteren Industriemetalle hinzugewinnen. So ist der Kupferpreis – trotz der Turbulenzen in China – in diesem Jahr um über 20% gestiegen. Natürlich treiben hier die positiven Konjunkturerwartungen die Preise. Ebenso wie im Aktienmarkt sind hier die Erwartungen extrem hoch und werden durch die realen Wirtschaftsergebnisse nicht in diesem Umfang bestätigt. Deswegen ist es nachvollziehbar, dass sich die Edelmetallkurse nach ihrem deutlichen Abrutschen in der Vorwoche wieder erholen. Dabei sticht wiederum Platin hervor, das im Wochenvergleich über 6% hinzugewinnen konnte und nun auf Jahressicht 2021 auch wieder im Plus notiert. Davon ist Gold mit einem Minus von über 6% in diesem Jahr noch weit entfernt.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.