Die globale Gefahr Elon Musk

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Marktupdate 18/2022

Markus Schön, Dienstag 03. Mai 2022

 

In den vergangenen Handelstagen schien das Motto „alles muss raus“ zu gelten. Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Edelmetalle standen auf der Verliererseite. Lediglich der US-Dollar konnte etwas deutlicher profitieren, aber die Rückgänge der US-Indices bei weitem nicht ausgleichen. So ist der US-Technologie-Index Nasdaq seit Jahresanfang 2022 wieder um mehr als 20% gefallen. Verantwortlich für den Rückfall in den Abwärtstrend war vor allem die Aktie des Elektromobilitätskonzerns Tesla, die 25% verlor, nachdem der Hauptaktionär Elon Musk die Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter ankündigte, die ihn 44 Mrd. US-Dollar kosten wird. Um dies zu finanzieren, muss er Tesla-Aktien verkaufen. Damit versetzt er Europa in Angst und Schrecken, weil er Twitter-Nutzern die Möglichkeit zur „freien Meinungs-äußerung“ zurückgeben will. Gemeint ist damit, dass jeder dort seinen eigenen Blickwinkel als absolute Wahrheit veröffentlichen kann. Damit wird Elon Musk zu einem der vermutlich gefährlichsten Menschen der Welt. Nachdem es ihm mit seiner Persönlichkeit gelungen ist, eine veraltete Technologie als Vision in eine emissionsfreie Zukunft zu verkaufen, hat er mit seinem Satellitenprogramm dazu beigetragen, dass Begehrlichkeiten weltweit nach dem Konsum analog zu den Industrienationen entstehen, und nun will er jedem die Möglichkeit geben, alle abwegigen Behauptungen ohne Einschränkungen im Internet zu verbreiten. Dies passt in die Welt der „alternativen Fakten“ des Donald Trumps und bestätigt den Ruf von Musk als Visionär. Es wäre aber besser, sich an den großen Satz Helmut Schmidts zu erinnern: „Wer Visionen habe, möge zum Arzt gehen“. Musk wird dies nicht geraten, obwohl seine Ansichten und sein Vorgehen für die Welt zunehmend gefährlich werden.

 

Anders als vielfach suggeriert, hat eben nicht derjenige recht, der am lautesten schreit. Hier werden aber Musk keine Grenzen gesetzt und inzwischen werden seine Unternehmen zu Preisen bewertet, mit denen er 1/3 der größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland kaufen könnte. Es wird spannend sein, ob die Bündelung von Einflussnahmemöglichkeiten durch einen Einzelnen zu mehr Regulierung führt. Bei dem Tesla-Werk in Grünheide waren deutsche Gesetze für Musk schon nicht mehr als eine unverbindliche Empfehlung. Dieser Blickwinkel „alles ist erlaubt, solange es gut für mich ist“ stellt eine große Gefahr dar. Letztlich kann man den Ukraine-Krieg auch auf diesen Satz reduzieren. Offensichtlich hält Wladimir Putin den Krieg für „gut“, um russische Interessen zu schützen. Die (eigenen) Kollateral-schäden spielen dabei keine Rolle. Bislang ist er damit sogar relativ erfolgreich. Die in Folge des Krieges sprunghaft gestiegenen Energiepreise kommen zu einem nicht unwesentlichen Teil im russischen Staatshaushalt an. Erste Unternehmen beugen sich den Bedingungen, trotz anderslautender Verträge nur noch in Russischen Rubel zu bezahlen. Der Stopp von Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien ist offensichtlich ein klares Signal gewesen. In jedem Fall gehören Rubel-Anlagen zu den erfolgreichsten Transaktionen, die man in diesem Jahr machen konnte. Seit Jahresanfang 2022 hat der Russische Rubel fast 12% an Wert hinzugewonnen. Von seinem Tiefstkurs hat er sich nahezu verdoppelt. Aussagen, dass der Rückgang des Rubels den Niedergang Russlands widerspiegeln, bestätigen sich nicht. Unsere Erwartung, dass der Euro-Rubel-Wechselkurs von aktuell 75 auf 60 steigen könnte, erscheint nicht mehr unwahrscheinlich. Die Wirkung der Sanktionen wird nicht in den westlichen Staaten entschieden. Der Erfolg entscheidet sich in der Haltung Chinas und Indiens. Solange diese Staaten die Sanktionen nicht mittragen oder gar unterwandern, dürften Russland die Kraft, den Krieg zu führen, leider nicht ausgehen. Dies gilt umso mehr, wenn Russland weiterhin eher gelingt, Europa und teilweise auch die USA zu schwächen. So steuern die US-Demokraten auf eine deutliche Wahlniederlage bei den Zwischenwahlen im Herbst 2022 zu. Es liegt nicht nur an einem „blass bleibenden“ US-Präsidenten Joe Biden, sondern auch an den internationalen Herausforderungen, die sich teilweise auch innenpolitisch bemerkbar machen. So treiben die international hohen Energiepreise auch die Treibstoffpreise in die USA in die Höhe und befeuern die Inflation zusätzlich. Während in den USA teilweise schon von einem Leitzinsniveau von 5,5% p. a. fabuliert wird, steigt auch in Europa der Druck auf die EZB, eine Zinswende zu vollziehen. Wie dies dann zu sinkenden Rohstoffpreisen führen soll, erschließt sich nicht. Die Wirtschaft in Europa und Deutschland stagniert. Steigende Zinsen könnten nun das auslösende Element für eine Rezession sein, zumal die Marktzinsen deutlich gestiegen sind. So haben sich in Griechenland die Zinsen auf 3,3% p. a. von ihren Tief 2021 nahezu verfünffacht. Diese Entwicklungen sind kein Einzelfall.

 

So haben die Risikoaufschläge auf allen nicht staatlichen, AAA-gerateten Anleihen nicht nur ein historisches Hoch erreicht, sondern auch die Dauer, in der die Risikoaufschläge so hoch sind, ist historisch einmalig. Wie unsinnig dies ist, zeigt auch die Nachfrage nach Neuemissionen, die während der Wochen um Ostern noch geringer ausfiel. Aber schon zu in diesem Jahr „normalen“ Zeiten wurden Papiere fünf- bis achtmal stärker nachgefragt. Liquidität und Kapital sind also vorhanden, aber viele Investoren haben Sorge, jetzt zu früh in den Zinsmarkt einzusteigen. Damit wird vergessen, dass schon jetzt die laufende Rendite durch die gestiegenen Zinsen deutlich positiv ist.

 

Von diesem deutlich positiven Zinsen profitieren die Kreditinstitute derzeit besonders. Statt Zinsen für Festgeld u. ä. anzubieten, bleiben viele Angebote mit Strafzinsen versehen. Gleichzeitig sind die Zinsen für Kredite deutlich gestiegen. Selbst Baufinanzierungen mit guter Besicherung haben sich nahe verdreifacht. Es wird nicht mehr lange dauern, bis private Kreditnehmer mehr als 3% p. a. für eine 10-Jahres-Zinsbindung bezahlen müssen. Dies schlägt zunehmend stark auf Unternehmen durch, die unter Druck geraten, wenn sie auf günstige Finanzierungskonditionen angewiesen sind. Aus diesem Grund ist der Kurs des (Noch-)DAX-Werts Delivery Hero weiter gefallen und nährt sich unserem Kursziel von weniger als 20 Euro an. Ohne billige Refinanzierungen ist der Wert eher in Tagen als in Wochen zahlungsunfähig. Wie immer ist die Substanz entscheidend. Zinsen sind dann eine Art Katalysator für die unternehmerische Qualität.

 

Schließlich ist die Frage nicht unwesentlich, ob wir am Beginn einer neuen Krise stehen. Die Konjunkturdaten sind teilweise deutlich schwächer als erwartet. Neben dem deutschen ifo-Geschäftsklima-Index sind vor allem die Daten vom US-Arbeitsmarkt enttäuschend. Deswegen stellt sich die Frage, ob die US-Dollar-Schwäche, die in der zweiten Hälfte der vergangenen Handelswoche zu spüren war, tatsächlich auf die Rede des US-Notenbankpräsidenten zurückgeht oder nicht eine konjunkturelle beachtenswert. Trotz deutlich steigender Corona-Infektionszahlen und damit verbundenen Lockdown gewinnt die Währung mehr als 1,5%. So könnte die Eurozone auf ein massives Problem zusteuern. Unter Betrachtung der Konsumstimmung, der Konjunkturerwartungen und der Verschuldungssituation vieler Unternehmen und vor allem Staaten ist eine Zinserhöhung ausgeschlossen. Aber die zuletzt vor 40 Jahren vergleichbar hohe Inflation sorgen für Druck auf die EZB, etwas zu tun. Dort will man sich retten, bis die Basiseffekte sichtbar werden. So ist die Inflation im Monatsvergleich zwischen März und April 2022 nur um 0,1% gestiegen, aber die Jahreszahl von aktuell 7,4% sorgt für Schockwellen. Hinzu kommt die Haltung der US-Notenbank, die – auch aufgrund des sehr starken Arbeitsmarktes dort – die Zinsen offensiver erhöhen muss. Damit steigt der US-Dollar – über das fundamental gerechtfertigte Niveau hinaus – an und ist nach dem Russischen Rubel die zweiterfolgreichste Währung in diesem Jahr.

 

Die Stärke des Russischen Rubel überrascht nicht nur mit Blick auf die politischen Sanktionen, sondern auch vor dem Hintergrund der Sorgen um die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Nicht nur durch den Krieg in der Ukraine, sondern u. a. auch durch die Lockdowns in China stellt sich die Frage nach der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung. Die chinesische Notenbank wird mit Blick auf die Risiken dort expansiver, die japanische Notenbank behält aufgrund der globalen Wirtschaftsrisiken ihren expansiven Kurs bei. Dennoch fallen die Rohstoffpreise – teilweise deutlich. Aber auch die Edelmetalle verlieren an Wert, weil nun die teilweise deutlich positiven Renditen einen Mehrwert im Vergleich zu Edelmetallen bieten, die keinen laufenden Ertrag ermöglichen. Durch den starken US-Dollar kommen die Verluste bei Anlegern in der Eurozone derzeit nur teilweise an.

 

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