G7, ohne Russland, ohne China - ein zahnloser Tiger

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Marktupdate 18/2021

Markus Schön, Dienstag 11. Mai 2021

 

Der vordergründige Eindruck von Aktienmärkten, die in der Breite sehr robust ist, ist falsch. Die Bewegungen bei einzelnen Werten ist sehr groß; gleichzeitig ist die Schwankungsbreite deutlich gestiegen, obwohl viele Unternehmen beeindruckende Zahlen vermelden. Dabei darf man weniger auf die relativen Vergleiche schauen, sondern muss sich auf die absoluten Zuwächse konzentrieren. Ähnlich wie bei Daten zum Wirtschaftswachstum ist die Basis des Jahres 2020 gering. Starken Einbrüchen damals stehen nun starke Zugewinne entgegen. Im Saldo bewegen sich aber nur China und zunehmend auch die USA wirtschaftlich auf dem Vor-Corona-Niveau. Europa hinkt – wieder einmal – hinterher und Deutschland glänzt durch Exporte sowie starke Industrie-aufträge. Hier wird aber immer mehr der Mangel an Daten-Chips zum Problem, aber auch zunehmende Lieferengpässe bei Holz und Kunststoffen werfen die Frage auf, ob dies die wirtschaftliche Entwicklung nicht schnell und massiv beeinträchtigen könnte. Insofern ist die harte Linie, die die G7 bei ihrem Treffen gegen Russland und China vertraten, nur in Teilen nachvollziehbar. Eigentlich sollte eine der Lehren der Pandemie sein, dass man die internationale Zusammenarbeit stärken muss. Gerade jetzt geschieht aber das Gegenteil und egal, wie negativ man dies findet: Ohne die Rohstoffe Russlands und die wirtschaftliche Kraft Chinas könnte die Weltwirtschaft nicht bestehen. Die – anders als die beiden Staaten – zu den G7 zählenden Italien, Frankreich, Großbritannien und Kanada haben so große Herausforderungen zu meistern, dass ihre globale Bedeutung eher überschaubar ist. Entsprechend hat man seitens der G7 versäumt, ein Signal der Zusammenarbeit auszusenden, wenn bestimmte Regeln eingehalten werden. Sonst wird es zu immer größeren Konflikten kommen, die die Wirtschaft und die Börsen belasten werden.

 

Schließlich war einer der Gründe für den Kursrutsch am vergangenen Dienstag die Sorge vor einem militärischen Konflikt zwischen China und Taiwan, das China als eigenes Hoheitsgebiet einstuft. Entsprechend kommt es öfter zu solchen Situationen. Die starke Reaktion an den Kapitalmärkten zeigt die hohe Nervosität, die sicherlich durch Aussagen der früheren Notenbankpräsidentin und jetzigen Finanzministerin der USA Janet Yellen beschleunigt wurde, die die Möglichkeit einer Zinserhöhung in den USA in den Raum stellte. Dies drückte die vor allem auf die Bewertungen der US-Technologieaktien, die von günstigen Refinanzierungs-konditionen besonders abhängig sind. Aber auch darüber hinaus sind die Kapitalmärkte von möglichst idealen Bedingungen aus wenig Regulierung, umfassenden Konjunkturhilfen und möglichst günstigen Refinanzierungskonditionen abhängig. Aber gerade vor diesem Hintergrund ist eine Diskussion zur weiteren Zinspolitik ebenso wichtig wie die Entscheidung der deutschen Bundesregierung, die Insolvenzantragspflicht nicht weiter auszusetzen. Wenn man jetzt nicht mit der Bereinigung von „Corona-Lasten“ beginnt, entwickelt sich mindestens eine überschuldete Volkswirtschaft wie in den USA oder eine „Zombie-Wirtschaft“ wie teilweise in China, in der Unternehmen nur deswegen überleben, weil sie immer neue Kredite erhalten und nicht insolvent werden dürfen. Dies würde den Narrativ der absolut überlegenen chinesischen Volkswirtschaft unterhöhlen. Jetzt muss man aber die Chance nutzen, die Folgen der Krise zu bereinigen. Dies wird ein schmerzhafter und vor allem teurer Prozess, in dem es mehr wirtschaftliche Verlierer als derzeit wahrgenommen gibt. Selbst bei steigenden Impfzahlen in Europa und sogar Deutschland ist die Krise alles andere als ausgestanden. Nicht zu vergessen ist, dass international die Pandemie noch immer eher an Dynamik hinzugewinnt. Nicht ohne Grund unterstützen viele Staaten Indien und es wird über eine – temporäre – Aufhebung des Patentschutzes für die Impfstoffe diskutiert. Unabhängig von der Frage des Nutzens einer solchen Freigabe, die immer mit einem Wissenstransfer verbunden sein müsste, ist dies vor allem ein Signal für eine andere Denkweise: Während man während der Finanzkrise Banken und Sparkassen rettete und so Verluste sozialisierte, würde man nun mit einem solchen Schritt die wirtschaftliche Wertschöpfung einzelner der Allgemeinheit zuführen. Für linksgerichtete Parteien wäre dies ein Traum und man darf sicherlich die Frage stellen, ob Gewinne aus einer Pandemie tatsächlich privatwirtschaftlichen Unternehmen zustehen sollten. In einer marktwirtschaftlichen Grundordnung sollte dies eigentlich bejaht werden, sofern die Gewinne angemessen bleiben und nicht dazu führen, dass künstliche Verknappungen Menschenleben gefährden. Hier wird aber – vom US-Präsidenten Joe Biden ausgehend – eine Scheindebatte geführt. Ohne die Expertise der Impfstoff-Erfinder lassen sich entsprechende Generika kaum erzeugen. Zudem ist es derzeit eher ein Verteilungs- als ein wirklicher Produktionskonflikt.

 

Hier wird einfach vergessen, dass die reichen Staaten durch ihre – teilweise vermeintliche – Finanzkraft die Entwicklungsländer und andere Staaten zurückdrängen. Es ist das Ausleben dessen, was Donald Trump mit seinem Motto „America first“ angestrebt hatte. Ohne die teilweise bestehenden Exportverbote wäre die Verteilung der Impfstoffe etwas anders, aber vor allem die USA wären nicht so weit mit der Anzahl der erstgeimpften Menschen. Dies ist eine der Grundlagen für den Wirtschaftsboom, der aber auch den unerbittlichen Rohstoffhunger der großen Volkswirtschaften zeigt. Die Diskussionen um die Klimaneutralität werden ad absurdum geführt, wenn man sieht, wie schnell beispielsweise in den USA die Energierohstoffe benötigt werden. Dies zeigt, dass das fossile Wirtschaftszeitalter nicht zu Ende ist und nährt die Inflationssorgen. Dadurch steigen in der Folge die Zinsen. Aber es wird ausgeblendet, dass die steigende Inflation nur ein temporäres Problem ist und dies wenig Einfluss haben wird.

 

Dennoch werden viele Analysten nicht müde, Aktien als „alternativlos“ anzupreisen. Wenn man die Gründe hinterfragt, bleibt es häufig bei Plattitüden. Eine Aktie ist nur ein Sachwert, wenn dieser auf unternehmerischer Substanz basiert. Diese muss zudem in Relation zum Marktwert stehen, mit der das Unternehmen bewertet wird. Je höher der Marktwert ist, desto schwieriger ist es, einen Sachwert herzuleiten, sofern das Unternehmen in einer relativen Betrachtung nicht mindestens so stark wie die Bewertung wächst. Deswegen sind schon jetzt viele Unternehmen völlig überbewertet. Gleichzeitig kommen dann – wie aktuell bei den Impfstoffherstellern – immer öfter Faktoren zum Tragen, die die jeweiligen Aktien substanziell belasten. Deswegen ist es aktuell ein Marktumfeld, in dem man sich vor marktbreiten Anlagen hüten sollte und einzelne Aktien auswählen muss. Zudem bleibt es sinnvoll, Gewinne mitzunehmen.

 

Wie schwierig die gesamte Lage ist, zeigen die Entwicklung der Währungskurse. Der US-Arbeitsmarkt enttäuschte in der vergangenen Woche sozusagen auf der gesamten Linie und führte zu einem deutlich fallenden US-Dollarkurs. Im Vergleich zum Euro büßte die US-amerikanische Währung über 1% ein, während die rohstoffnahen und wirtschaftlich robuster aufgestellten Währungen an Stärke hinzugewinnen konnten. Besonders erfreulich ist die Entwicklung beim Russischen Rubel, der fast 1% hinzugewinnen konnte und nun auch auf Jahressicht 2021 im Plus liegt. In Relation zum Euro hat sich im Jahr 2021 die Norwegische Krone entwickelt, die fast 5% hinzugewinnen konnte. Ebenso wie dort machen sich auch beim Neuseeländischen Dollar starke volkswirtschaftliche Daten bemerkbar. Dort ist zudem die Corona-Pandemie wirksam eingedämmt und entsprechend robust stellen sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Neuseeland dar.

 

Vor allem die geopolitische Unsicherheit gab einen Schub bei den Edelmetallen. Besonders das von uns favorisierte Silber konnte mit einem Zuwachs von über 6% in der hinter uns liegenden Handelswoche glänzen und ist damit auch auf Jahressicht 2021 deutlich im Plus. Noch dynamischer ist in diesem Jahr die Entwicklung des Platinpreises, der nach einem Zuwachs von 5% in den vergangenen Tagen nun fast 20% im Plus liegt. Natürlich spielen auch die Sorgen um immer knapper werdende Rohstoffe eine wichtige Rolle. Neben den Edelmetallen haben auch industriell benötigten Rohstoffe teilweise wieder deutliche Zuwächse zu verzeichnen. So ist der Ölpreis „nur“ um 2% gestiegen, Kupfer hingegen konnte fast 7% hinzugewinnen und notiert nun in diesem Jahr fast 35% im Plus. Letztlich gehen diese Steigerungen auf stärker als erwartete Nachfrage bei – bedingt durch die Corona-Pandemie – deutlich reduzierte Produktions-kapazitäten zurück. Wenn sich diese Faktoren relativieren und es nicht zum erwarteten und teilweise eingepreisten Wirtschaftsboom kommt, werden viele Rohstoffpreise sinken.

 

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