Nachhaltigkeit wirklich nachhaltig gestalten
Marktupdate 16/2020
Markus Schön, Dienstag 21. April 2020
Natürlich ist und bleibt die Corona-Pandemie das beherrschende Thema an den internationalen Kapitalmärkten. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Folgen ist eine Betrachtung der konjunkturellen Daten von wesentlicher Bedeutung. Negativ stechen hierbei sicherlich die USA heraus, bei denen die Arbeitslosigkeit explodiert. Zum einen kennt man dort keine Instrumente wie Kurzarbeit, zum anderen verlagert sich der Schwerpunkt der Corona-Pandemie zunehmend in die USA. Aber auch die Daten aus Asien zeigen überwiegend die großen Heraus-forderungen, die die aktuelle Situation auf allen Ebenen mit sich bringt. In China ist zum ersten Mal seit 35 Jahren die Wirtschaft geschrumpft. Damit geht eine Phase des Wirtschaftswachstums in Asien zu Ende, die 60 Jahre angedauert hatte. Damit werden die immensen Verwerfungen greifbar, die mit dieser Krise einhergehen. Vielfach war dies bislang eher eine abstrakte Thematik, wenn festgestellt wurde, dass die aktuellen Entwicklungen so schlimm wie die Große Depression Anfang der 1930iger Jahre oder wie seit der Spanischen Grippe 1918 sind. Die Aktienmärkte berücksichtigen dies nicht. Vielmehr sind sie auf Kursniveaus, die wir frühestens am Jahresende 2020 wieder erwartet hätten. Das Motto, es wird schon nicht so schlimm sein, kann sich als sehr trügerisch herausstellen. So ist es gesellschaftlich uneingeschränkt zu begrüßen, dass es zumindest leichte Lockerungsmaßnahmen gibt, aber der Blick nach Österreich zeigt, dass eine sofortige „Einkaufsrallye“ ausbleibt und die Menschen dort vorsichtig agieren. Die Nachfrageschwäche wird die Weltwirtschaft noch eine ganze Zeit begleiten. Zwar gibt es trotz der rückläufigen Wirtschaftsleistung in Asien weiterhin eine wieder stabile Nachfrage beim Automobilabsatz, aber generell werden wir mit einer schwächeren Nachfrage zu kämpfen haben. Vielen Unternehmen und Privathaushalten fehlt das Geld für Ausgaben. Viele Staaten kompensieren dies, aber dann fehlt Geld für neue Investitionen.
Schließlich werden mindestens wöchentlich neue Konjunktur-, Kredit- oder Hilfsprogramme diskutiert. Es wird zumindest in den öffentlichen Vorschlägen mit Milliardenbeträgen um sich geworfen, ohne dass man in die jetzt notwendige Diskussion eintritt, was zielführend ist. Weltweit ist nun durch die Pandemie zu sehen, wie die Welt aussehen würde, wenn man die Forderungen, den CO²-Ausstoß möglichst vollständig zu stoppen, umsetzen würde. Es gäbe keine individuellen Reisen mehr, der Handel käme zum Erliegen und sehr schnell würden die Lieferketten zusammenbrechen. Entsprechend muss man nun lernen, wie man Nachhaltigkeit wirklich nachhaltig gestalten kann. Dafür muss man Konjunkturpakete schaffen. Dazu darf aber eben nicht der Irrweg der Elektromobilität gehören, weshalb der teilweise geforderte Ausbau der Lade-Infrastruktur nicht nur ganz hinten auf einer Wachstums-agenda zu finden sein sollte, sondern möglichst vollständig verschwinden muss. Gerade Deutschland muss die wichtigen Industrien, die Arbeitsplätze sichern und Steuern zahlen, wirksam schützen. Dies mit einer Zukunftsstrategie zu verbinden, ist wesentlich. Gleichzeitig ist aber auch die Frage der Verschuldung zu beantworten. Die EU und der Euro werden diese Krise nur überstehen, wenn man ein gemeinsames Konjunkturprogramm für mindestens alle Euro-Staaten auflegt. Andernfalls werden Italien, Spanien und vielleicht auch Frankreich unter den wirtschaftlichen Belastungen der Krise zusammenbrechen. Einen Schulden-schnitt dieser Staaten würde selbst in einer nur theoretisch denkbaren „post-Euro-Ära“ das Finanzsystem nicht verkraften. Unzweifelhaft stehen – trotz aller globalen Differenzen insbesondere auch mit Blick auf China – durch die Staaten und Notenbanken hinreichend viele Gelder zur Verfügung. Sie müssen nur klug und zukunftszugewandt eingesetzt werden. Gelder, die heute in die soziale Stabilität fließen, müssen in der Zukunft auch schnell wieder in die Staatskassen fließen. Andernfalls wird die Verschuldung perspektivisch aus dem Ruder laufen und nur durch eine hohe Inflation, Besteuerungen von Vermögenssubstanz oder Schuldenschnitte kompensierbar sein. Derzeit über-wiegen durch die trotz Kürzung anhaltende Ölpreisschwäche und die weggebrochene und teilweise wegbleibende Nachfrage die Deflationsrisiken.
Damit ist es vordergründig ein gutes Umfeld für Zinsanleger. Es gibt ja sogar wieder Zinsen für Tages- und Festgelder. Die Renditen für erstklassige Anleihen sind auch noch ganz gut. Größeres Potenzial haben weiterhin Anleihen guter (aber eben nicht sehr gute) und mittlerer Bonitäten. Dort ziehen aber die Kurse deutlich an und die zwischenzeitlich zweistelligen Renditen gehören wieder der Vergangenheit an. Die Kapitalmärkte werden eben mit Liquidität geflutet. Damit gibt es aber auch genug „Zombie-Unternehmen“, bei denen die Chancen und Risiken in einem sehr ungesunden Verhältnis stehen. Dies ist für viele Marktteilnehmer nicht wahrnehmbar oder wird einfach ignoriert. Schließlich haben die Notenbanken schon nach der Finanzkrise 2008 bewiesen, wie lange sie Bonitätsrisiken ausgleichen können. Dieses Mal wird es nach unserer Einschätzung zu einer Bereinigung kommen und diese Bereinigung wird schneller als in der Vergangenheit erfolgen. Deswegen sollte man weiterhin in erstklassige Unternehmen mit moderater Verschuldung und Zukunftsfähigkeit investieren.
Natürlich gilt dies auch für den Aktienmarkt, so dass Boeing und Tesla in keinem Depot etwas zu suchen haben sollten. Aber auch die stark rückläufigen Entwicklungen im Bereich der Wagniskapitalgeber sind ein Hinweis, wie schwierig es in diesem Umfeld noch werden kann, zumal der DAX bei einem Wirtschaftseinbruch von rund 5% in diesem Jahr bei einem Kurs von 10.500 Punkten fair bewertet wäre. Hier wird es noch einige Bewegungen in den einzelnen Aktien geben, aber wirkliches Aufwärtspotenzial gibt es nur, wenn der Wirtschaftseinbruch verhaltener als bislang von uns erwartet ausfiele. Dies ist mit den vorsichtigen Lockerungs-maßnahmen und der zurückhaltenden Entwicklung gerade in Österreich derzeit nicht zu erwarten. Daher gibt es viele Abwärtsrisiken, die in das Bewusstsein der Anleger kommen werden, wenn die Nachrichten entsprechend ausfallen. Zudem haben mit den USA und Japan zwei wesentliche Volkswirtschaften und mit Russland das derzeit führende Schwellenland den Hochpunkt der Pandemie noch nicht erreicht.
Umso erfreulicher ist die positive Entwicklung des Russischen Rubels, der trotz der Zuspitzung des Corona-Verlaufs insbesondere in Moskau und der wieder einsetzenden Schwäche des Ölpreises in den letzten Tagen moderat hinzugewinnen konnte. Insgesamt haben vor allem die rohstoffnahen gegenüber dem Euro deutlich hinzugewinnen können. In den letzten zwei Wochen ist beispielsweise der Kurs des Australischen Dollars um über 5% gestiegen. Ähnlich stark hat sich auch die neuseeländische Währung entwickelt, während die Entwicklung zwischen Euro und US-Dollar eher seitwärts-gerichtet war. Die Marktteilnehmer sind hin- und hergerissen zwischen der strukturellen Schwäche der Eurozone einerseits und der unklaren Situation in den USA andererseits. Schließlich ist die größte Volkswirtschaft der Welt von einer Beruhigung der Situation noch weit entfernt. Hinzu kommen die immer offensichtlicheren politischen Differenzen in den USA, bei denen ja teilweise gewaltsame Proteste drohen könnten. Zusammen mit dem weiteren Hilfspaket der US-Notenbank über 2,3 Billionen US-Dollar hält sich die US-Währung recht gut.
Daher dürfte sich der US-Dollar weiter positiv entwickeln, sobald eine nachhaltige Beruhigung der Pandemie dort einsetzt. Allerdings wird dies zu einem weiteren Belastungsfaktor für die Schwellenländer, die ja vielfach in US-Dollar verschuldet und von Rohstoffexporten abhängig sind. Deswegen erscheint in den Industriestaaten der günstige Ölpreis als Konjunkturhilfe, global ist das niedrige Niveau aber sehr gefährlich. Es heizt deflationäre Tendenzen an, zumal sich die Gerüchte über ausgeschöpfte Lagerkapazitäten mehren. Andererseits sorgt es für defizitäre Staatshaushalte in Ländern, deren Gesundheits-systeme noch weniger auf Pandemien als in entwickelten Staaten vorbereitet sind. Umso wichtiger sind die vereinzelt positiven Signale aus Asien und die positive Entwicklung im Bereich der Industriemetalle. Besonders positiv sehen wir die Entwicklung des Silberpreises, der sich in den letzten zwei Wochen fast 50% besser als der Goldpreis entwickelt hatte. Noch stärker war die Entwicklung beim Platin, das in den letzten zwei Wochen über 8% gestiegen ist. Allerdings zeigt sich bei den Edelmetallen insgesamt ein „Gleichlauf“ mit den Aktienmärkten.
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