Corona-Virus an der Wallstreet greifbar - werden Lehren gezogen?

Veroeffentlichungen

Marktupdate 14/2020

Markus Schön, Dienstag 07. April 2020

 

Im Moment sieht es nach einem Gewinner der Corona-Krise aus und dieser heißt China. Dort hat man die Infektionen erstaunlich gut im Griff. Dies schafft Freiräume, um sich international als Gesundheitshelfer zu positionieren und das „Verursacher-Image“ abzustreifen.

 

Im Moment sieht es nach einem Gewinner der Corona-Krise aus und dieser heißt China. Dort hat man die Infektionen erstaunlich gut im Griff.  Häufig werden ja die dort bereitgestellten Daten bezweifelt, aber viel häufiger mussten in der Vergangenheit – auch vor Trump – die USA Datenangaben korrigieren. Überzeugend scheinen die Zahlen zu den Infektionen auch zu sein, wenn man das etwas freiheitlichere Taiwan betrachtet. Auch dort sind die Neuinfektionen niedrig und der Virus scheint unter Kontrolle zu sein. Dies schafft China dann Freiräume, um sich international als Gesundheitshelfer zu positionieren und das „Verursacher-Image“ abzustreifen. 

 

Damit hat die zweitgrößte Volkswirtschaft mehr in Europa als die EU getan. Nach der Krise wird man sich fragen, wofür Europa noch steht, wenn in einer solchen Krise jedes Land zuerst an sich denkt. Dies zeigt auch die Diskussion um gemeinsame Anleihen der Eurostaaten zur Bekämpfung der wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Corona-Krise. Italien wird zur Bewältigung mindestens 500 Mrd. Euro benötigen. In Frankreich dürfte eine ähnliche Größenordnung erreicht werden. In Spanien dürften es 350 Mrd. Euro und in Portugal 100 Mrd. Euro sein. Diese knapp 1,5 Billionen Euro würden die genannten Staaten nur sehr teuer refinanzieren können. Zusammen mit dem Bedarf der Niederlande, Österreichs, Finnlands und Deutschlands könnte eine Euro-Corona-Anleihe ein großer Erfolg werden. Vielleicht gelingt es – neben den Euro-Staaten – auch Länder wie Norwegen oder die Schweiz für eine gemeinsame Finanzierungsaufnahme zu begeistern. Die absehbaren Wirtschaftsherausforderungen wird man nur in einem größeren Kontext lösen können. Verfällt Europa in die sich schon in der Krise absehbare Kleinstaaterei ist es das Ende der EU und vor allem das Ende der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Jetzt muss man die Strategie entwickeln, welche Branchen relevant sind, wie diese produzieren sollen und wie Europa zusammenarbeiten will.

 

Andernfalls wird mindestens China Europa wirtschaftlich überrollen. Der dortige Einkaufsmanagerindex zeigt Wachstum an, die Unternehmen produzieren wieder weitgehend normal und zusätzlich holt China durch Investitionserleichterungen neue Investoren und neues Geld ins Land. Während also der Rest der Welt weitgehend still steht – Europa scheint kurz vor dem Scheitelpunkt der Krankheitszahlen zu stehen, die USA sind mitten im Katastrophenfall und Afrika steht noch vor dramatischen Entwicklungen – entspannt sich die Situation in Asien zunehmend. China übernimmt dort immer stärker eine Führungsrolle, was man mit Blick auf zukünftige gesellschaftliche Veränderungen bedauern kann. Man muss aber die aktuelle Situation richtig einordnen und daraus Entscheidungen ableiten, wenn man etwas verändern will. Es kann aus deutscher Sicht nur heißen, mehr Europa statt weniger Europa, mehr Globalisierung statt weniger Globalisierung, aber beides muss intelligenter umgesetzt werden als es in der Vergangenheit der Fall war.

 

Ein Europa der Gleichmacherei wird ebenso wenig funktionieren wie die Auslagerung aller Produktionen in die Regionen, in denen es gerade am günstigsten ist. Qualität – gegebenenfalls auch „nur“ als Versorgungssicherheit definiert – hat ihren Preis. Deswegen muss man zwischen Akuthilfen und Konjunkturprogrammen klar unterscheiden.

 

Bei ersteren geht es darum, möglichst vielen Unternehmen durch die Krise zu helfen. Damit ist natürlich auch das Risiko verbunden, Unternehmen zu retten, die eigentlich nicht überlebensfähig sind. Diese dürfen zum Ende der Krise nicht durch Konjunkturprogramme weiter gestützt werden, sondern diese Maßnahmen müssen sich auf zukunftsfähige und gegebenenfalls staatlich definierte, systemrelevante Unternehmen richten. Dazu zählen sämtliche Bereiche, in denen deutsche Unternehmen Weltmarktführer sind oder werden können. Damit muss dann der Unsinn der Förderung der Elektromobilität enden; gleichzeitig müssen sich Unternehmen aus dem Technologie- und Pharmasektor wieder besser aufgehoben fühlen. Unternehmen, die die Regeln einer sozialen Marktwirtschaft nicht folgen wollen, können nicht mehr mit Zugängen in den europäischen Markt rechnen. Hier könnte man über Lösungen wie Corona-Anleihen auch für entsprechende Regeln sorgen.

 

Schließlich signalisieren die Notenbanken weltweit nahezu unbegrenzte Hilfe und damit extrem günstige Finanzierungsbedingungen. Erleichtert wird diese sehr expansive Geldpolitik durch die sehr stark rückläufige Inflation. Im März lag diese in der Eurozone nur bei 0,7 Prozent auf Jahressicht. Dies wird auch noch einige Wochen anhalten, weil die Nachfrage in vielen – insbesondere zur Berechnung der Inflation relevanten – Bereichen zum Erliegen gekommen ist. Dadurch sinken die Preise. Dies wird sich in der Folge relativieren, wenn die Nachfrage anzieht und Nachholeffekte einsetzen. Schließlich ist jetzt neben den Beschränkungen der Ausgabemöglichkeiten eine große Konsumzurückhaltung zu spüren. Wer in eine so ungewisse Zukunft wie aktuell blickt, reduziert die Ausgaben so weit wie möglich. Erschreckend ist, dass dies auch zunehmend gut aufgestellte Unternehmen versuchen, indem sie zum Beispiel ihren Mietverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Dies wird in der Folge den Immobilienboom nicht nur zum Erliegen bringen, sondern für fallende Preise sorgen.

 

Wer jetzt eine Immobilie verkaufen will, kann dies kaum umsetzen, weil Besichtigungen fast nicht mehr möglich sind. Neben der „immobilen“ Struktur sprechen die in Krisenzeiten fehlende Fungibilität und die nicht vorhandene, laufende Marktpreisbildung gegen eine Immobilie. Wie schwierig das Geschäft dort ist, zeigt auch die Entwicklung des Vermietungsdienstleisters WeWork, dem der Ankeraktionär Softbank die Unterstützung entzogen hat. Auf die Risiken hatten wir vor Monaten hingewiesen. Daher ist es derzeit wesentlich interessanter, neben Einzelaktien auch erstklassige Unternehmensanleihen beizumischen, deren Rendite deutlich über den Dividendenzahlungen liegt, die ohnehin bei vielen Unternehmen gestrichen werden. Zusammen mit dem Stopp der teilweise unsinnigen – wie bei Boeing existenzbedrohenden – Aktienrückkaufprogramme könnte wieder mehr Realismus an den Aktienmärkten einziehen. So werden sich dann auch konservativen Anlegern gute Chancen bei Beimischungen in diesem Segment bieten.

 

Auch im Rohstoffsektor hat China seine Stärke gezeigt. Nach der Ankündigung, die Ölvorräte aufgrund der wieder anlaufenden Produktion aufzustocken, konnte sich der Ölpreis von seinen Tiefstständen deutlich erholen und hat zum Ende der hinter uns liegenden Handelswoche zu einer Rallye angesetzt. Diese bleibt bei den Edelmetallen – vor allem beim Platin, aber auch beim Gold – aus. Dabei wird physisches Gold etwas knapper, da die – richtigerweise als nicht systemrelevanten – Lieferketten nur eingeschränkt funktionieren. Da die an den internationalen Börsen virtuell gehandelten Goldvolumina ungefähr 75 Mal so groß wie die tatsächlich physisch handelbaren Goldbestände sind, überrascht der Preisrückgang erneut. Es ist ein Beleg, das Gold den behaupteten Sachwertcharakter nicht hat, sondern fast eine ebenso willkürliche Wertbemessung wie Papiergeld hat. Es ist eben auch nur ein Instrument der Wertsicherung, von dem niemand weiß, wie hoch der gesicherte Wert ist. Anders als Silber, Platin und Palladium hat Gold keine industrielle Bedeutung. Der Wegfall dieses Edelmetalls würde also weder Lieferketten unterbrechen noch für industrielle Preissteigerungen sorgen.

 

Die Sorge um die Zukunft Europas hat auch die Gemeinschaftswährung unter Druck gesetzt. Während dies im Vergleich zum Russischen Rubel und der Norwegischen Krone durch den starken Anstieg des Ölpreises noch nachvollziehbar ist, überrascht die Schwäche des Euros – zumindest zu diesem Zeitpunkt – gegenüber dem US-Dollar schon. Die USA sind weit davon entfernt, den Hochpunkt der Corona-Pandemie erreicht zu haben. Nach Berechnungen aus unserem Research werden dort über 200.000 Menschen an dem Virus sterben, aber dennoch gewinnt der US-Dollar hinzu. Möglicherweise ist genau die dramatische Situation eine der Erklärungen. Das Geld fließt in die Heimatregion zurück. Gleichzeitig werden immer mehr Kreditfinanzierungen für Spekulationen aufgelöst. Ein Großteil war in der US-amerikanischen Währung erfolgt. Zudem gewinnen auch die „anderen Dollars“ aus Australien und Neuseeland ebenso wie der Mexikanische Peso moderat hinzu. Hier gehen letztlich Marktüberreaktionen zurück, die auch zwischenzeitlich bei der Abwärtsbewegung des US-Dollars feststellbar waren. Dieser Trend dieser leichten Beruhigung dürfte sich weiter fortsetzen.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.