10 Tage Lockdown in Shanghai – der nächste Schlag für die Weltwirtschaft

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Marktupdate 13/2022

Markus Schön, Dienstag 29. März 2022

 

An den Kapitalmärkten hat der Krieg in der Ukraine – vorerst – den Schrecken verloren. Die Nachrichtenlage bleibt widersprüchlich, wesentliche Veränderungen gibt es nicht. Die Behauptung aus der Türkei, Russland und die Ukraine stünde kurz vor einem Friedensschluss hat sich nicht bewahrheitet. Entsprechend finden die Nachrichten weniger Beachtung und haben nicht mehr ganz so starke Auswirkungen auf die Kurse. Wie schon nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie versuchen die Kapitalmärkte, zu einer Art Normalität zurückzukehren. Aber anders als dem Krisenausbruch vor zwei Jahren ist ungewiss, welche Rolle die Notenbanken spielen werden. Schließlich sorgt die Angebotsknappheit für teilweise stark steigende Preise, die sich – neben den deutlich erhöhten Energiepreisen im Zuge des Krieges – inflationstreibend bemerkbar machen. Genau gegen diese Entwicklungen muss sich die Geldpolitik stemmen. Entsprechend sind Zinssenkungen – eher stehen Zinserhöhungen bevor – und eigentlich auch Anleihekäufe kaum noch möglich. Letztere könnte die EZB weiterhin nutzen, um vor allem den hochverschuldeten Staaten Südeuropas zu helfen. Die Argumentation für einen solchen Schritt wäre, Zinsanomalien zu verhindern. Hierzu könnte eine Verflachung der Zinskurse zählen, die in den USA im Bereich zwischen fünf und zehn Jahren bereits wahrnehmbar ist. So könnte ein Anstieg der gerade – für Investitionen relevanten – mittel- und langfristigen Zinsen gedämpft werden. Aber dieses Vorgehen birgt Risiken, weil damit ein Teil der expansiven Geldpolitik fortgesetzt wird und damit die Inflation nicht gebremst wird. Dabei sind dort die Risiken aktuell weiter gestiegen, nachdem nun mit Shanghai eine der größten Städte Chinas und das wirtschaftliche Herz der zweitgrößten Volkswirtschaft aufgrund der Corona-Entwicklungen doch in einen zehntägigen Lockdown geht. Die Folgen sind schwerwiegend.

 

Die ohnehin nach Corona und durch den Krieg beeinträchtigen Lieferketten werden damit weiter belastet. Containerschiffe werden an einem der weltgrößten Häfen nicht mehr abgefertigt. Es wird wieder zu Containerstaus und Lieferengpässen kommen, die weltweite Auswirkungen haben. Deswegen entstehen in immer mehr Staaten Überlegungen, Steuern zu senken. Das in Deutschland geplante Maßnahmenpaket wird durch die Reduzierung der Treibstoffkosten dämpfend auf die Inflation wirken. Deswegen haben Frankreich, Italien und nun auch Belgien ähnliche Schritte eingeleitet. So nehmen einige der größeren Euro-Staaten auch Druck von der EZB, schnell auf die Inflation mit Zinserhöhungen reagieren zu müssen. Natürlich ist dies nur eine „kosmetische Reparatur“, die vor allem rein reaktiv ist. Es gelingt den westlichen Staaten nicht, Entscheidungen von Russland oder China so vorherzusehen, dass man den internationalen Folgen vorgreifen kann. So scheint der Westen völlig überrascht zu sein, dass Russland die Begleichung der Rechnungen für Gaslieferungen in Russischer Rubel verlangt. Die Reaktion von Vertragsbruch zu sprechen, mutet schon seltsam an, wenn zuvor das Auslandsvermögen Russlands – im Zuge unzweifelhaft dringend gebotener Sanktionen – festgesetzt wurde. Die damit verbundene Erwartung, dass Russland dringend Devisen benötigt, bestätigt sich nicht. Stattdessen hat die Forderung einer Bezahlung in Russischen Rubel die Währung massiv gestützt. Die Hälfte des Rückgangs der russischen Währung in diesem Jahr ist so ausgeglichen worden. Entscheidend wird nun sein, wie Europa mit der Forderung umgeht. Wenn sie erfüllt wird, hat Russland nach den Steuersenkungen anderer Staaten zur Abfederung der gestiegenen Kosten einen zweiten Erfolg erreicht. Am Ende könnte dies sogar zu einer deutlichen Aufwertung des Russischen Rubel führen. Zahlt man für die Gaslieferungen weiterhin in Euro, wird Russland mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gaslieferungen stoppen. Dann könnte sich Europa sehr schnell in einer (wirtschaftlichen) „Eiszeit“ wiederfinden. Der dann anstehende konjunkturelle Einbruch wäre massiv und wirtschaftlich für einige Staaten der Eurozone kaum verkraftbar. Zudem würden die Preise für Energierohstoffe weltweit nochmals ansteigen und damit die gesamten Hilfspakete kontrakarieren. Zusätzlich belastet würde diese Situation noch durch die Corona-Lockdowns in China, von denen eigentlich die USA und Europa profitieren müssten. Die Abhängigkeiten dieser Staaten von Rohstoffen und Vorprodukten sind aber einfach zu groß. Die Globalisierung stößt hier massiv an Grenzen, die für immer größere Unsicherheit sorgen wird. Daher wird der Auftakt der neuen Handelswoche an den internationalen Kapitalmärkten von Nervosität geprägt sein. Aus Sicht von Wladimir Putin ist diese Unsicherheit ein positiver Nebeneffekt des Krieges, bei dem die Null-Covid-Strategie in China und das restriktive Vorgehen zur Pandemie-Bekämpfung – auch in den großen Wirtschaftsmetropolen – hilft. Damit besteht das Risiko, dass wirtschaftliche Gewissheiten auf den Kopf gestellt werden. Wenn die Zinsen weiter steigen, weil die Inflation in den westlichen Industriestaaten explodiert, verlieren Anleihen, Aktien und Immobilien an Wert. Wie lange sich dann der Wert bei Edelmetallen behaupten kann, ist auch ungewiss. In diesem Szenario müssen regelmäßig Umschichtungen innerhalb der Anlageklassen und zwischen den Anlageklassen erfolgen.

 

Dies ist nur mit einem aktiven Managementansatz möglich, der bei Schön & Co seit vielen Jahren erfolgreich umgesetzt wird. Derzeit ist der Fokus so stark auf den Krieg in der Ukraine gerichtet, dass manche Informationen kaum den Weg in die Öffentlichkeit finden. So steigen zwar vordergründig die Marktzinsen, laufende Anleihen sind aber kaum zu bekommen und nahezu alle Neuemissionen sind mindestens vier- bis sechsfach überzeichnet. Die Nachfrage nach Zinspapieren ist nahezu ungebrochen und steigt teilweise noch, auch weil die Rendite von Zinspapieren teilweise deutlich die laufende Rendite von Aktien übersteigt. Hier können Investoren ja nur auf eine schnelle Markterholung setzen, die aufgrund der Vielzahl der schlechten Nachrichten aber unwahrscheinlicher geworden ist. Anleihen bieten hingegen nicht nur planbare Erträge, sondern auch eine zeitlich und betragsmäßig fixierte Rückzahlung, wenn der Emittent zahlungsfähig bleibt.

 

In einem Szenario eines wirtschaftlichen Einbruchs steigen natürlich auch die Ausfallrisiken. Diese betreffen aber auch Aktien, da diese immer Eigenkapital eines Unternehmens sind und dies im Insolvenzfall als erstes verloren ist. Wenn dann keine Substanz vorhanden ist, hat eine Aktie keinen Sachwert. Dies hat man bei Wirecard, Arcandor und etlichen chinesischen Unternehmen gesehen. Aber nicht nur die wieder aufflammenden Probleme bei Evergrande sollten die Sorgen im Immobiliensektor in den Fokus rücken. Wenn die Werte von Immobilien tatsächlich auch in Deutschland nachhaltig gestiegen sind, hätten die Aktien der Immobilienkonzerne nicht so heftig einbrechen dürfen. Wenn es zu den dort faktisch eingepreisten Bewertungskorrekturen kommt, wird es auch für Immobilienfonds ganz schwierig.

 

Schließlich ist die Frage nicht unwesentlich, ob wir am Beginn einer neuen Krise stehen. Die Konjunkturdaten sind teilweise deutlich schwächer als erwartet. Neben dem deutschen ifo-Geschäftsklima-Index sind vor allem die Daten vom US-Arbeitsmarkt enttäuschend. Deswegen stellt sich die Frage, ob die US-Dollar-Schwäche, die in der zweiten Hälfte der vergangenen Handelswoche zu spüren war, tatsächlich auf die Rede des US-Notenbankpräsidenten zurückgeht oder nicht eine konjunkturelle beachtenswert. Trotz deutlich steigender Corona-Infektionszahlen und damit verbundenen Lockdown gewinnt die Währung mehr als 1,5%. Teilweise holen solche Lösungen ihre Wertentwicklung aus den Währungsgewinnen, die derzeit erfreulich sind, weil der Euro eines seiner schwächsten Jahresauftaktquartale aufweist. Nur in Relation zum Russischen Rubel steht noch ein deutliches Plus von 30%. Vergleicht man dies aber mit der Situation vor zwei Wochen, als der Russische Rubel 60% verloren hatte, zeigt sich die Voreiligkeit einiger Politiker, die von einem Zusammenbruch der russischen Währung sprachen. Derzeit ist es wahrscheinlicher, dass der Russische Rubel bei einem Kurs von 60 steht als wieder auf 140 zu fallen. Aber auch die anderen rohstoffnahen Währungen haben weiteres Aufwärtspotenzial, während beim US-Dollar die Marke von 1,10 relativ stabil zu sein scheint.

 

Aus unserer Sicht sind die Vielzahl der Zinserhöhungen in den USA, die derzeit erwartet werden, bei weitem nicht sicher, auch wenn der US-Notenbankpräsident Jerome Powell auch größere Zinsschritte für möglich hält. Aber das Konsumklima in den USA ist teilweise auf den niedrigsten Stand seit mehr als 10 Jahren zurückgefallen. Die steigenden Kosten für Treibstoff machen sich in den USA ebenfalls bemerkbar; zudem ist die Inflation dort nochmals höher. Sorgen muss aber die schlechte Konsum-stimmung machen, weil der US-Arbeitsmarkt sehr robust ist. Wie lange dies bei steigenden Preisen für Rohstoffe und Vorprodukte aber noch funktionieren wird, ist ebenfalls mehr als fraglich. Die Nachfrage ist ungebrochen, was – ähnlich wie bei Silber und Gold – teilweise auf Panikkäufe deutet, die ein weiteres Risiko wären.

 

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