Börsen brauchen keine Lieferketten

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Marktupdate 12/2021

Markus Schön, Dienstag 30. März 2021

 

Was zunächst wie ein Scherz klang, hat zunehmend ernste Auswirkungen. In dem für den Welthandel wichtigen Suez-Kanal stellte sich eines der größten Containerschiffe der Welt quer und blockiert seit fünf Tagen die Wasserstraße. Inzwischen stauen sich rund 300 Schiffe, die sonst eine mehr als eine Woche längere Fahrt um das Horn von Afrika auf sich nehmen müssten. Dies sorgte bei Rohstoffen für teilweise deutliche Preisausschläge, wird aber zu einem konjunkturellen Risiko, weil die durch die Corona-Pandemie ohnehin angespannten Lieferketten noch stärker belastet werden könnten. Umso überraschender ist der steile Anstieg im späten Handel am letzten Freitag. Ursache sind die Planungen über ein Klima-Abkommen zwischen China, Russland und den USA, das aus der Marktlogik zeigt, dass die internationale Zusammenarbeit doch noch funktioniert sowie die Genehmigung von Dividendenzahlungen der US-Kreditinstitute durch die dortige Notenbank. In den USA scheint – auch dank der zügigen Impfungen – die Corona-Pandemie als Vergangenheit wahrgenommen zu werden. In Europa und Deutschland sieht es völlig anders aus, spielt aber an den Kapitalmärkten auch keine Rolle. Anders ist der Anstieg im DAX von über 7% in diesem Jahr nicht zu erklären, obwohl die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen auf 3,7% inzwischen deutlich abgesenkt haben und hierbei die Diskussionen um einen weiteren, harten Lockdown nicht berücksichtigt sind. Dieses Hin und Her lässt Deutschland nach Meinung einiger Virologen auf Infektionszahlen wie in den USA während der Präsidentschaft Donald Trumps zusteuern. Dennoch hat der ifo-Geschäftsklima-Index den höchsten Stand seit fast 2 Jahren und damit vor Ausbruch der Pandemie erzielt. Diese positive Stimmung ist nicht nachvollziehbar. Realwirtschaftlich überwiegen die Gefahren.

 

Dies zeigen auch die Bankbilanzen in Deutschland. Gerade der öffentlich-rechtliche Landesbankensektor überrascht negativ mit schwachen Entwicklungen. Die NordLB vermeldet zum dritten Mal in Folge Verluste; der Gewinn der Landesbank Hessen-Thüringen ist eingebrochen und bei der Commerzbank sind zwei Aufsichtsräte zurückgetreten. Neben den positiveren Wirtschafts-perspektiven für die USA und vor allem China ist die positive Aktienmarktstimmung vor allem auf expansive Geldpolitik zurückzuführen. So hat die EZB – sozusagen vorfristig – ihre Ankündigung, Anleihen schneller zu kaufen, umgesetzt. Im Moment kauft die Notenbank pro Woche für 20 Mrd. Euro Staats- und Unternehmensanleihen. So wurde das Zinsniveau für zehn Jahre laufende deutsche Staatsanleihen wieder auf -0,35% p. a. gedrückt und zumindest vorerst die „Zinswende“ in Europa gestoppt. Gleichzeitig bleiben Unternehmensanleihen deutlich überzeichnet und die Risikoaufschläge fallen sehr gering aus. Zusammen mit dem geringen Angebot sinkt die Liquidität und Anleger sind kaum bereit, Anleihen zu verkaufen. Entsprechend wird es über die anstehenden Ostertage – ähnlich wie sonst zu Weihnachten – Marktbewegungen geben, die Chancen bieten werden, zumal die Aktienmärkte in weiten Teilen als stark überbewertet gelten müssen. Letztlich werden die Risiken aus Störungen der Lieferketten, der weiterhin ungewisse Verlauf der Corona-Pandemie, die internationalen Konflikte und die Frage nach dem weiteren wirtschaftlichen Potenzial weitgehend ausgeblendet. Derzeit liegt der Fokus auf positiven Nachrichten, so dass jede negative Entwicklung eine Verkaufswelle im Aktienmarkt auslösen könnte. Das vor dem Kollaps stehende Gesundheitssystem in Brasilien mit dem Risiko von neuen Mutationen des Corona-Virus oder die immer schneller auf einen Staatsbankrott zusteuernde Türkei sind Bedrohungen, die schnell ein größeres Ausmaß erreichen könnten. Offensichtlich setzt sich an den Kapitalmärkten aber auch eine Corona-Müdigkeit durch, in deren Folge alles sehr positiv wahrgenommen wird. Es wäre wünschenswert, wenn sich diese wirtschaftliche Dynamik so entfalten würde. Aus unserer Sicht ist dies jedoch zumindest derzeit nicht absehbar. So würde ein neuer, harter Lockdown in Deutschland – je nach Dauer – wahrscheinlich 150 Mrd. Euro kosten. Gleichzeitig ist nicht abzusehen, wann EU-Hilfsmilliarden ausgezahlt werden. Entsprechend schwach sind die Perspektiven für Italien und Spanien, die besonders von den EU-Hilfsgeldern begünstigt werden sollten. Nun allein auf die zunehmend merkwürdig anmutende Kraft Chinas und einen Aufschwung auf neuen Schulden der USA zu setzen, ist eindeutig zu kurz gedacht. Vielmehr sollte man sich weiterhin auf starke Schwankungen einstellen, zumal global der Trend zu Zinssteigerungen – natürlich ausgehend von niedrigem Niveau – weiterhin ungebrochen ist und sich nur die Dynamik verlangsamt hat. Dies führt zu Risiken in der Refinanzierung gerade von bonitätsschwächeren Unternehmen, die bislang besonders von der expansiven Geldpolitik profitierten.

 

Grund für die Zinssteigerungen ist die Sorge vor einer steigenden Inflation. In Großbritannien bestätigen aktuelle Zahlen diese Befürchtungen nicht. Zusätzlich sorgte der US-Notenbankpräsident Powell für leichte Entspannung, indem er starke Steigerungen der Inflation eher bezweifelte. Zusammen mit den Sorgen um die Entwicklungen der Türkei nach Entlassung des dortigen Notenbankpräsidenten führte dies zu steigenden Kursen auch bei deutschen Staatsanleihen. Die Sorge um steigende Inflationsraten verschwand aber vor allem in Europa nicht, nachdem die Deutsche Bundesbank einen kurzzeitigen Anstieg der Geldentwertung Richtung 3% prognostizierte. Dies wäre aber aus Sicht der Notenbanker auf Sondereffekte zurückzuführen und stellt kein dauerhaftes Inflationsrisiko dar. Auch aus unserer Sicht bestehen Richtung 2022 eher wieder deflationäre Gefahren.

 

Natürlich wäre ein solches Szenario nicht positiv für die Aktienmärkte, aber auch die entsprechenden Gefahren werden derzeit nicht gesehen. Vielmehr wird wahrgenommen, dass sich Unternehmen sowohl auf der Zinsseite als auch durch Kapitalmaßnahmen sehr günstig refinanzieren können. Entsprechend kommen auch politische Maßnahmen wie Sanktionen zwischen Europa und China am Gesamtmarkt sehr gedämpft an. Bei Einzelwerten sind die Ausschläge deutlich größer und treffen in Europa mit Werten aus dem Konsumgütersektor Unternehmen, die ohnehin schon unter der Corona-Pandemie gelitten haben. Entsprechend legen wir den Fokus weiterhin auf substanzstarke Werte mit einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell und einer soliden Finanzbasis. Dies trägt dazu bei, dass unsere Schön&Co-Vermögensverwaltungen sehr überzeugende Ergebnisse – trotz Schwankungen gerade bei Anleihen – erzielen.

 

Für das gerade durch die Schiffsblockade im suez-Kanal unsichere Umfeld ist die Entwicklung auf der Währungsseite überraschend moderat. Der Mexikanische Peso setzt – analog zu unseren Erwartungen – seine Aufwärtsbewegung fort und notiert mit einem deutlichen Zinsvorteil bei den entsprechenden Anleihen im Vergleich zum Euro nun auch auf Jahressicht 2021 im Plus. Dies zeigt schon eine relative Stärke der mexikanischen Währung, weil der Ölpreis durch die unsicheren Transportwege deutlich schwankte und durch den historischen Einbruch der Türkischen Lira und der türkischen Staatsanleihen sozusagen alle Schwellenländer in Sippenhaft kamen. Erkennbar war dies beim Russischen Rubel, der 1,5% im Wochenvergleich zum Euro verlor, obwohl die russische Wirtschaft mindestens so solide wie in Mexiko ist. Einer relativ niedrigen Verschuldung stehen hohe Devisen bzw. hohe Rohstoffvorkommen gegenüber. Letztlich von der Zinsdifferenz und als sicherer Hafen profitierte der US-Dollar.

 

Allerdings dürfte der US-Dollar auch weiter steigen, wenn sich der Stau im Suez-Kanal auflöst. Derzeit sieht alles danach aus, dass die USA besser als Europa aus der Corona-Krise herauskommen und das Zinsniveau dort leicht höher bleibt. Entsprechend robust könnte sich weiterhin die Nachfrage nach Industrierohstoffen gestalten. Hier war in den vergangenen Handelstagen eine Seitwärtsbewegung zu verzeichnen, während die Edelmetalle unter den Entwicklungen in der Türkei litten. Der dortige Regierungschef Erdogan forderte die Bevölkerung auf, alle Edelmetalle zur Stützung der Türkischen Lira zu verkaufen. Dies scheint einen Effekt gehabt zu haben, der dann insbesondere beim Silber zu weiteren Verkäufen von kurzfristigen Investoren in dem Edelmetall führte. Fundamental sind dies eher Kaufkurse, so dass man das Edelmetall – ergänzt um leichte Goldbeimischungen – weiter aufstocken sollte, während Energierohstoffe in den nächsten Tagen eher weiter verlieren dürften.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.