Hedgefonds sind wie Corona-Partys...einfach schäbig und unsolidarisch

Veroeffentlichungen

Marktupdate 12/2020

Markus Schön, Montag 23. März 2020

 

Die hinter uns liegende Handelswoche stand unter dem Motto „alles muss raus“. Aber anders als bei einem Schluss-verkauf erinnerte die Stimmung an Börsen an einen „Abverkauf wegen Geschäftsaufgabe“. Neben dem Virus selbst wird der Alarmismus immer mehr zu einem Problem. Jeder behauptet etwas, niemand weiß etwas. Für uns ist unser Basismodell ein Szenario, dass die Spanische Grippe – in allen drei Infektionswellen – zwischen 1918 und 1920 mit der Weltwirtschaftskrise 1929 verbindet. Daraus lässt sich eine verkraftbare Dauer der heute beispielsweise in Deutschland nochmals verschärften Beschränkungen von maximal vier Monaten ableiten. Dies bezieht sich selbstverständlich nur auf die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen; gesellschaftlich und politisch wäre eine so lange Zeit eine unvorstellbare Katastrophe. Vier Monate wären jedoch ein Zeitraum, die die meisten Staaten wirtschaftlich auffangen können.

 

Die Zahlen zu Hilfs-maßnahmen in Deutschland von 600 Mrd. Euro und in den USA von 4.000 Mrd. US-Dollar deuten in diese Richtung. Dies wird die Kapitalmärkte aber nur stabilisieren, wenn die Wahrnehmung der Ernsthaftigkeit dieser Hilfen endlich ankommt. Wer jetzt Leerverkäufen von Aktien, Anleihen u. ä. vornimmt oder in Hedgefonds investiert, die auf Kursrückgänge setzt, handelt ebenso unsolidarisch wie die Menschen, die Corona-Partys feiern. Geld kann man – selbst am Kapitalmarkt – auch auf anständige Weise verdienen, wie unser Investmentstil seit vielen Jahren zeigt.

 

Dieses unethische Anlegen sorgt beispielsweise dafür, dass eine Anleihe eines Toilettenpapierherstellers 10 % an einem Handelstag fiel, obwohl die Produkte ja momentan zu den wertvollsten Gütern in Deutschland zu zählen scheinen. Diese Irrationalitäten gab es in der letzten Woche sehr viele, fundamentale Fakten spielen keine Rolle mehr. Eingepreist wird keine Rezession mehr, die wir seit Anfang März mit bis zu 5% in 2020 erwarten, was zunehmend Marktkonsens wird, sondern ein totaler wirtschaftliche Zusammenbruch.

 

Wir sind wir jedoch überzeugt, dass die Finanzpolitik weiter als 1918 oder 1929 ist. Man muss zwar einen exogenen Angebots- und Nachfrageschock verkraften. Wenn dieser aber zeitlich befristet ist, wird es Aufholeffekte geben. Allerdings werden diese nicht so dynamisch sein, wie viele erwarten. Selbst wenn es sehr schnell einen Impfstoff geben würde, wird sich die Weltwirtschaft dramatisch wandeln. China als verlängerte Werkbank der Welt dürfte endgültig Geschichte sein. Es werden Güter definiert werden, die zwingend wieder in bestimmten Wirtschafts-regionen produziert werden müssen. Die Globalisierung wird nicht enden, aber sie wird auf einem geringeren Niveau verharren. Schließlich ist Europa nicht in der Lage, Italien zu helfen, während China, Russland und sogar Kuba medizinisches Material in ein Land bringen, dass weniger als 1.000 km von Deutschland entfernt ist. Aus dem europäischen Selbstverständnis kann dies nicht sein. Entsprechend muss Europa mehr gemeinsam tun und eher gemeinsam Schutzausrüstungen u. ä. produzieren. Vor allem muss aber das Anklagen Chinas oder Russlands enden.

 

In einer Krise, in der viele zeigen, dass sie sich selbst die nächsten sind, haben gerade diese beiden Staaten eher für die Weltgemeinschaft als gegen sie agiert. Sicherlich muss man hinterfragen, wie die Virusentwicklung und der Informationsfluss bei Ausbruch in China erfolgt ist. Aber die Regierung dort hatte den Mut, sehr schnell eine wirtschaftlich sehr bedeutende Region vollständig abzuschotten. Hier haben andere Staaten zu spät reagiert. Dies macht es nun – neben der Einmaligkeit der Situation – zusätzlich noch schwieriger, die konkreten wirtschaftlichen Folgen einzuschätzen.

 

Um diese Krise dauerhaft wirtschaftlich zu meistern, muss es mehr internationale Zusammenarbeit, aber eine Rückkehr zu mehr regionaler Produktion und einem klaren politischen Bekenntnis zu „nationalen Champions“ in der Wirtschaft geben. Derzeit ist eine deutliche Erholungskurve in China zu erkennen, die zwar wirtschaftlich weder das 1. noch das 2. Quartal 2020 „retten“, aber die wirtschaftliche Bedeutung Chinas sicherlich erhöhen wird. Schließlich kann die noch zweitgrößte Volkswirtschaft expandieren, während die USA als weltweite Nummer 1 noch immer nicht den Umfang und die Dramatik der Krise verstanden haben.

 

Stattdessen wird dort Trumps Spielernatur offensichtlich. Ohne medizinisch nachhaltige Evidenz rät er zu einer Behandlung des Corona-Virus mit Malaria-Präparaten. Seiner Pflicht als US-Präsident die Bevölkerung zu schützen, kommt er völlig unzureichend nach. Daher droht den USA eine ähnliche Entwicklung wie Italien und zunehmend auch Spanien. Dies wird man gerade dort und noch dazu in einem Wahljahr mit billigem Geld und Konjunkturhilfen bekämpfen. Entsprechend droht eine Phase, in der zunächst die Zinsen sinken und dann die Preise explodieren. Schließlich stehen einer eventuell und hoffentlich schnell anziehenden Konsumnachfrage deutlich reduzierte Angebotskapazitäten gegenüber. Dies könnte für steigende Preise sorgen, während jetzt – je nach Entwicklung der Lebensmittelpreise – in Europa und den USA sogar eher deflationäre Tendenzen drohen. Zinsanleger sollten daher Wert auf attraktive laufende Renditen mit entsprechenden Zinskupons legen, die – als Abweichung von der bisherigen Strategie – auch längere Laufzeiten haben können.

 

Bei deflationären Entwicklungen profitiert man dann über die Geldwertsteigerung. Bei steigender Inflation ist man dann durch die Zinseinnahmen etwas geschützt und kann durch die sich dann verkürzenden Laufzeiten profitieren. Eine Steigerung der Inflation ist notwendig, um einerseits die sich abzeichnenden Verluste bei „Sachwerten“ wie Immobilien zu kompensieren und andererseits die steigenden Staatsverschuldungen zu relativieren. Die Konjunkturprogramme sind – anders als in der finanz- und der Eurokrise – keine Bankenrettungsprogramme, sondern werden realwirtschaftlich dringend benötigt. Davon profitieren dann auch Aktien erstklassiger Unternehmen. Hier kann man die Marktübertreibungen vermeiden, wenn man kreditfinanzierte Spekulationen verbietet. Die Lobby der Bank- und Hedgefondsindustrie muss jetzt endlich gestoppt werden. Aber vor allem werden so Unternehmen und Arbeitsplätze gesichert. Dies ist richtig und sollte zügig umgesetzt werden, aber die damit verbundenen Schulden müssen dann auch wieder tatsächlich abgebaut werden.

 

Sonst droht spätestens die nächste Krise zu einem Systemcrash zu werden. Aus den aktuellen Entwicklungen muss man lernen, dass solche Schocks in einer vernetzten, digitalisierten und globalen Welt viel plötzlicher und unerwarteter auftreten können. Schließlich gehörten wir zu den Wenigen, die seit Monaten eine Überbewertung der Aktienmärkte sahen und Liquidität aufbauten. Dennoch haben wir weder die Ursache noch die Wirkung der Krise in dieser Form erwartet. Wie gefährlich die Situation nicht nur gesellschaftlich, sondern auch an den Kapitalmärkten ist, zeigt der Blick auf den Australischen Dollar. Die dortige Volkswirtschaft hat seit ungefähr 30 Jahren keine Rezession erlebt, ist zwar rohstofflastig aufgebaut, aber ganz passabel diversifiziert und hat Reformen vollzogen, die deutlich strenger als die deutsche Agenda 2010 waren. Dennoch ist die Währung zusammen mit anderen Rohstoffwährungen in einem Umfang gefallen, der den Untergang Australiens einpreist. Mit Ausnahme zum US-Dollar konnte der Euro gegen nahezu alle anderen Währungen gewinnen, was weder fundamental noch geopolitisch auch nur in Ansätzen zu erklären ist. An den Devisenmärkten regierte die Angst.

 

Ähnliches gilt auch auf der Rohstoffseite. Bei den industriell benötigten Edelmetallen wie Silber oder Platin waren irrationale Bewegungen festzustellen. Der Silberpreis liegt nun – ebenso wie der Ölpreis in allen Förderregionen außer Russland und dem Nahen Osten – unter den Produktions-kosten. Dort wird also nicht der Untergang einer Volkswirtschaft, sondern der Untergang der Weltwirtschaft eingepreist. Genau für solche Szenarien hatten doch die „Untergangspropheten“ immer Gold empfohlen, das aber auch deutlich verliert. Letztlich hatte es – ähnlich wie viele Aktien – Spekulanten angelockt, die nun aus ihren (kreditfinanzierten) Anlagen hinaus müssen. Nun wird mit jedem spürbaren Rückgang am Aktienmarkt Gold auch wieder unter Druck geraten, während bei Silber abzusehen ist, dass man dort relativ nahe am Tiefpunkt ist. Ähnlich wie bei Anleihen und Aktien ist dieses Umfeld aber auch eine Gelegenheit, im Rohstoffbereich weiter zu diversifizieren und neue Positionen aufzubauen. Auch hier zeigt sich, dass es sinnvoll war, Liquidität vorzuhalten, die man nun vorsichtig investieren kann, statt zu verkaufen, um Liquidität zu schaffen und damit Verluste zu realisieren.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.