Deutscher Tankrabatt zeigt Europas Schwäche

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Marktupdate 11/2022

Markus Schön, Dienstag 14. März 2022

 

Natürlich bleibt der Krieg in der Ukraine das beherrschende Thema an den internationalen Kapitalmärkten, weil die Auswirkungen für die Zukunft – fast unabhängig vom weiteren Verlauf – gravierend sein werden. Der Anstieg der Ölpreise treibt die Inflation weltweit. Sollten wesentliche Teile der Getreidesaat in den nächsten Tagen nicht erfolgen, drohen Lieferengpässe insbesondere beim Weizen, die steigende Weltmarktpreise für Lebensmittel nach sich ziehen werden. Schon jetzt werden teilweise Pflanzenölprodukte knapp. In Italien soll die Logistikbranche aufgrund der hohen Treibstoff-preise mindestens einen Tag lang bestreikt werden. Dies sorgte teilweise für Hamsterkäufe, aber vor allem werden damit die Logistikketten weiter belastet. Schon durch Corona, immer neue Lockdowns in China und nun den Krieg in der Ukraine kommt der globale Warenverkehr ins Stocken. Diese Belastungen werden sich nicht sofort lösen, wenn der Krieg beendet werden sollte. Vielmehr werden neben dem menschlichen Leid die Folgen längerfristig wirtschaftlich zu spüren sein. Vielleicht auch mit Blick auf diese Risiken überraschte die EZB bei ihrer Sitzung in der letzten Woche mit der Ankündigung, die Anleihenkäufe schneller als erwartet zu reduzieren. Völlig klar ist aber, dass weder dieser Schritt noch eine Zinserhöhung etwas an der Inflationsentwicklung verändern. Durch die Sorge um den Wegfall eines der wichtigsten Lieferanten, die relative Knappheit an fossilen Energieträgern derzeit und die weiteren Folgen steigen viele Preise weltweit überproportional. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Nachfrage-Inflation, bei der die Nachfrage durch eine boomende Wirtschaft zu groß geworden ist, sondern um einen Angebotseffekt. Es wird erwartet, dass viele Rohstoffe selbst in den derzeit benötigten Mengen aktuell nicht dauerhaft verfügbar sind. Produktionssteigerungen wären so kaum möglich.

 

Dies begrenzt die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Erholung, wobei viele Staaten noch immer nicht den Einbruch nach der Corona-Pandemie vollständig aufgeholt haben. Deswegen sind die Sorgen an den internationalen Kapitalmärkten vor einer Stagflation – wenig Wachstum, hohe Geldentwertung – so ausgeprägt. Nicht ohne Grund hat daher die EZB-Präsidentin Lagarde die Staaten in die Pflicht genommen, fiskalpolitisch zu reagieren. Schließlich würde beispielsweise ein Aussetzen der Mineralölsteuer in Deutschland sofort den Inflationsdruck wegnehmen, weil sich dann die Preise vieler Erdölprodukte fast halbieren würden. Finanziell wäre dies für den deutschen Staat zunächst eine immense Belastung und würde zu steigenden Schulden führen. Es wird immer offensichtlicher, dass die fehlende Reformbereitschaft seit vielen Jahren Deutschland in vielen Bereichen nahe an die Handlungsunfähigkeit gebracht hatten. Dies in der nächsten großen Krise innerhalb von zwei Jahren zu ändern, wird kaum möglich sein, zumal Wladimir Putin genau auf eine wirtschaftliche Schwächung der westlichen Staaten abzielt. Solange man russische Energie nicht kompensieren kann, bleibt Russland in einer Position der relativen Stärke. Natürlich ist dies tragisch, weil Russland durch die Eskalation zu den steigenden Preisen beitragen hat, von denen es weiterhin profitiert und jeden Monat Milliardenbeträge an Devisen erhält. Auch deswegen war es für die Energiekonzerne Gasprom und Rosneft kein Problem, in der vergangenen Woche fällig gewordene Anleihen in US-Dollar zu bezahlen. Russland wird – zumindest bezogen auf die Energie-Exporte – durch den Krieg auf Kosten von westlichen Staaten, Unternehmen und Privatpersonen reicher. Besonders deutlich zeigt sich dies nun auch in Frankreich. Dort wurde ein Rabatt auf Treibstoffkosten beschlossen, der Verbraucher und Unternehmen entlastet. Diese Entlastung kostet Frankreich in der Befristung auf zunächst vier Monate 2 Mrd. Euro. Dafür muss einer der schon hoch verschuldeten Euro-Staaten weitere Kredite aufnehmen. Zusammen mit der laufenden Staatsverschuldung, neuen Ausgaben für Sicherheits- und ggf. Konjunkturprogramme steigt die Staatsverschuldung immer weiter an. Ähnliches wird in Spanien und Italien notwendig werden. Deutschland will nun – aus unserer Sicht überraschend – das französische Modell kopieren und zeigt, dass man in einem Wirtschaftskrieg Russland zu wenig entgegenzusetzen hat. Sollten sich die Szenarien für steigende Kosten in diesem Jahr dennoch bestätigen, werden dennoch viele Unternehmen in diesem Jahr Personal abbauen und die Insolvenzquote wird ebenfalls steigen. Es findet daher eine Auseinandersetzung auf militärischer Ebene in der Ukraine und auf wirtschaftlicher Ebene mit Europa statt. Für Nervosität an den Kapitalmärkten müssten zwei Fakten aus den USA sorgen. Zum einen stellt man Russland ein Ultimatum für eine Wiederaufnahme des Atom-Abkommens mit dem Iran. Wenn die Sanktionen gegen den Iran fielen, hätte dies einen dämpfenden Effekt auf die Energiepreise und würde neben Russland auch Saudi-Arabien schwächen. Zum anderen warnen die USA China, die Sanktionen gegen Russland nicht zu unterlaufen. Sonst könnte China Russland mit westlichen Waren beliefern und damit Sanktionen zu einem stumpfen Schwert machen. Beide aktuell seitens der USA geäußerten Forderungen hinterlassen den Eindruck, dass die Sanktionen nicht so wirksam wie erhofft sind.

 

Umso wichtiger ist ein weiter wirklich koordiniertes Vorgehen. Damit dürften neben der Aufnahme von Flüchtlingen vor allem Subventionen von Energieträgern und Konjunkturhilfen im Fokus stehen. Gemeinsame Anleihe-Emissionen der Eurostaaten – vor wenigen Jahren noch als „Euro-Bonds-Irrweg“ gebrandmarkt – sind eigentlich nicht das Fokusthema. Aber natürlich hilft es überschuldeten Staaten wie Spanien oder Italien, wenn sie sich dem Zinsniveau Deutschlands oder Österreichs refinanzieren könnten. Selbst Frankreich könnte seine Zinskosten bei solchen Emissionen halbieren. Ein solcher Weg ist kritisch zu bewerten, kann aber zu einer Beruhigung im Rentenmarkt führen, in dem neben den starken Schwankungen vor allem die teilweise irrationalen Risikoaufschläge für Unsicherheiten sorgen.

 

Interessant ist auch, dass die Risikoaufschläge in keinem Zusammenhang mit Unternehmenszahlen und/ oder der Aktien-kursentwicklung stehen müssen. So weisen die Anleihen von dem Rohstoffkonzern Glencore historisch hohe Risikoaufschläge auf, während sich die Aktie – natürlich in diesen Zeiten unter starken Schwankungen – positiv entwickelt. Aber die Irrationalität des Marktumfeldes zeigt sich auch in dem in Punkten stärksten Anstieg, den der deutsche Leitindex DAX jemals erzielt hat. Die Behauptung über eine Beruhigung in der Ukraine sorgte für einen fulminanten Anstieg, der unsere Einschätzung und unser Vorgehen bestätigte, dass dieses Marktumfeld auch immer Chancen bietet. Dies wird auch auf Sicht so bleiben, weil die Schwankungsbreite weiterhin sehr groß bleiben wird. Durch den Anstieg ist der DAX nur 14% im Minus, während US-Technologieaktien an der NASDAQ fast 20% verloren haben.

 

Dieser Rückgang wird durch die relative Stärke des US-Dollars abgemildert, der in diesem Jahr 4% hinzugewinnen konnte. Daher hat sich für Euro-Anleger der US-Technologiesektor in der Breite genauso schwach wie deutsche Standardwerte entwickelt. Bei einzelnen Werten waren die Ausschläge aber wesentlich größer. So hat sich der US-Zahlungsdienstleister PayPal von seinem Hoch mehr als halbiert. Da nützt auch die solide Währungsentwicklung relativ wenig. Mit Ausnahme der leichten Wochengewinne beim US-Dollar und eines weiteren Rückgangs des Russischen Rubel war das Währungssegment – auch im Verhältnis zu den anderen Anlageklassen – relativ ruhig. Da der Euro gegenüber anderen Währungen leicht gewinnen konnte, war die Stärke des Mexikanischen Peso überraschend. Die Währung konnte trotz Rückgang des Ölpreises im Wochenvergleich profitieren.

 

An den deutschen Tankstellen kommt der Rückgang des Ölpreises bislang nicht an; vermutlich auch, weil mehr als die Hälfte der Kosten Steuern sind. Insofern hätte es bessere Lösungen als den Gedanken eines Tankrabatts gegeben. Ökologisch ist der deutlichere Anstieg des Dieselpreises gerechtfertigt. Vielleicht sollte man dies politisch konsequenter laufen lassen. Überraschend ist aber auch, dass mit Ausnahme von Silber und Gold im Wochenvergleich alle Edelmetalle verloren haben. Der Rückgang bei Platin überrascht durch den Wertaufbewahrungscharakter ebenso wie die Rückgänge der Industriemetalle, die teilweise so deutlich verloren, dass die gesamte Jahresgewinne 2022 aufgezehrt sind. Hier wird eine Stagnation eingepreist, die nach derzeitiger Datenlage nicht gerechtfertigt erscheint. Daher bieten sich dort Marktchancen.

 

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