Aktien minus 30% - Gold minus 10% -Bitcoin halbiert… was sich nach Corona ändern muss

Veroeffentlichungen

Marktupdate 11/2020

Markus Schön, Montag 16. März 2020

 

Mit Panik sind die Entwicklungen an den Kapitalmärkten nur unzureichend beschrieben. Auf einen „schwarzen Montag“ folgte ein „schwarzer Donnerstag“. Einen solchen Crash hat es in so kurzer Zeit an den Kapitalmärkten noch nie gegeben. Noch vor einem Monat war eine Vielzahl von Anlegern überzeugt, dass 14.000 Punkte im DAX und 30.000 Punkte im Dow Jones eine Frage weniger Tage waren. Am 12.02.2020 erreichten die Indices Rekordhochs. Bewertungen, rückläufige Unternehmensgewinne und fragwürdige Geschäftsmodelle spielten keine Rolle. Es wurde gekauft, „was nicht bei drei auf den Bäumen“ war. Vier Wochen später spielen für viele Investoren Preise auch keine Rolle mehr. Alles muss raus. Nahezu alle Banken, Sparkassen und fast alle anderen Vermögensverwalter müssen Verlustschwellenmeldungen verschicken oder nehmen „Margin-Calls“ vor. Die durch ungedeckte Derivate oder Kredite getätigten Wertpapieranlagen sind so stark im Wert gefallen, dass entsprechende Sicherheitsleistungen gefordert werden. Dies trägt dazu bei, dass alle Anlageklassen fallen. Gold hat mitten in der Krise fast 10% verloren und sich für Anleger, die den sicheren Hafen suchten, als fatale Anlageentscheidung entpuppt. Zumindest dies erinnert an die Finanzkrise. Wer damals auf dem Höhepunkt der Sorgen um den Euro gekauft hatte, liegt immer noch 20% im Minus. Völlig irrational gilt nun wieder „Cash is King“. Dabei hat sich an Negativzinsen, schlechter Kapitalausstattung von Kreditinstituten, fraglichen Zukunftsmodelle bei Banken und Sparkassen und einer extrem expansiven Geldpolitik nichts geändert. Vielmehr hat die EZB in der letzten Woche beschlossen, die Anleihekäufe in diesem Jahr um weitere 120 Mrd. Euro zu erhöhen. In den USA werden neben Wirtschaftshilfen 1,5 Billionen US-Dollar an Liquidität bereitgestellt, auch weil der US-Präsident bislang versäumt hatte, eine sinnvolle Strategie für die Bekämpfung des Virus zu entwickeln. Nun hat er jedoch gezeigt, was „America first“ wirklich heißt.

 

Während China – anders als die europäischen Staaten – Italien mit Schutzkleidung und Atemmasken hilft, versuchte Trump Zugriff auf ein deutsches Unternehmen zu bekommen, das sehr erfolgversprechend an einem Impfstoff gegen das Corona-Virus arbeitet. Gegen erhebliche Zahlungen sollten diese Forschungsergebnisse dann den USA exklusiv zur Verfügung stehen. Glücklicherweise gehört das Unternehmen mehrheitlich Friedrich von Bohlen aus der Krupp-Familie und dem SAPMitgründer Dietmar Hopp, die sich beide stark unternehmerisch, sozial und insbesondere in Deutschland engagieren. Es handelt sich also um Persönlichkeiten, die das linke politische Spektrum sehr kritisch sieht, aber die jetzt zeigten, wie wichtig internationale Augenhöhe in der Wirtschaft ist. Schließlich rückte die Welt schon vor dem Virus weiter auseinander, obwohl die globalen Wirtschaftsströme zeigen, dass es nur mit mehr Globalisierung statt weniger internationaler Zusammenarbeit geht. Insofern muss die Hoffnung sein, dass diese auch im historischen Kontext dramatische Krise den „Spuk“ des US-Präsidenten bereits nach einer Amtszeit beendet. Die wahrscheinlichen Alternativen der demokratischen Partei lösen zwar keine Jubelstürme aus, aber zusammen mit den Erkenntnissen aus dieser Krise sollte man zumindest mit dem ehemaligen Vize-Präsidenten Joe Biden strategisch wieder sinnvoller zusammenarbeiten können. Bis dahin wird es aber ein politisch und gesellschaftlich schwieriges Umfeld sein, das auch an den Kapitalmärkten erhebliche Herausforderungen mit sich bringt. Weltweit werden jetzt unternehmerische „Rettungsschirme“ nahezu unbegrenzten Umfang aufgespannt. Dies ist richtig, solange es Unternehmen mit einem zukunftsfähigen und aus allen Ebenen nachhaltigen Geschäftsmodell gibt. Nicht überlebensfähige Unternehmen, die nur durch politischen Willen oder Subventionen bestehen, dürfen keine (weitere) Hilfe erfahren. Es muss wieder Realismus auf allen Ebenen einsetzen und man muss nun konsequent die Versäumnisse aus der Finanz- und Eurokrise bereinigen. Konkret bedeutet dies beispielsweise, Europa als Einheit zu verstehen oder den Euro aufzugeben. Es bedeutet auch, dem Markt zu überlassen, welche Geschäftsmodelle zukunftsfähig sind und wie sie ausgestaltet werden können.

 

Das sehr drastische Beispiel CureVac zeigt, wie Kapitalismus in Krisensituationen eben doch funktionieren kann. Anders als Trump haben die meisten Unternehmer einen klaren, moralischen Kompass. Aber wie erfolgreich der aggressive Stil Trumps ist, zeigt die Entscheidung der US-Notenbank völlig überraschend außerplanmäßig den Leitzins um 100 Basispunkte innerhalb von zehn Tagen nochmals zu senken. Er ist nun so niedrig wie während der Finanzkrise zwischen 0% und 0,25% p. a. Was das Zinsniveau mit der Corona-Krise zu tun hat, weiß vermutlich außer der US-Notenbank nur Trump. Wir erleben ja einen parallelen Nachfrage- und Angebotsschock, da durch die Maßnahmen Lieferketten mindestens gestört sind und die Nachfrage sinkt, weil die Unsicherheit in der gesamten Gesellschaft sehr groß ist und die Möglichkeit zu konsumieren, drastisch beschnitten werden. Daran ändern günstige Finanzierungsbedingungen nichts. Vielmehr müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass eine Stabilisierung bereits in wenigen Wochen wieder möglich ist.

 

Gut gelungen zu sein scheint dies in China und vielen weiteren asiatischen Staaten. Selbst in Südkorea ist eine Beruhigung der Lage zu erkennen. Je schneller dies auch in Europa wahrnehmbar wird, desto besser ist es. Dann ist der Virus wirtschaftlich ein Einschnitt, der zu wirtschaftlichen und idealerweise gesellschaftlichen Veränderungen führt. So sollte der kreditfinanzierte Aktien- und Rohstoffkauf verboten werden. Aktienrückkaufprogramme, die für den US-Flugzeughersteller Boeing eine existenzielle Krise beschleunigt haben, müssen andere gesetzliche Regelungen bekommen. Hier muss dann aber auch „klare Kante“ gegenüber Staaten gezeigt werden, die sich restriktiveren Kapitalmarktregeln nicht unterwerfen. Nur so können vor allem die Aktienmärkte krisenfester gemacht werden und überhaupt die Perspektive entstehen, von den in der Breite zu erwartenden Negativzinsen für Staatsanleihen in den Industriestaaten wieder in Situation zu kommen, in der nennenswerte Zinsen erzielt werden können. Auch dies würde dann Finanzrisiken begrenzen.

 

Dies wird ein weiter Weg werden. Schließlich zeigt die überraschende und offensichtliche international nicht abgestimmte US-Zinssenkung, dass insbesondere die USA ausschließlich eigene Interessen verfolgen. Während die wenig aussagekräftigen „Wochenend-Aktienindices“ mit weltweit deutlichen Verlusten auf diesen Schritt reagieren, verliert der US-Dollar wieder etwas an Wert. Damit werden die USA international wettbewerbsfähiger, zumal Europa derzeit viel stärker mit sich als mit dem internationalen Wettbewerb beschäftigt ist. Dabei wird übersehen, dass sich die Situation in China schon fast wieder normalisiert hat und andere asiatische Staaten konsequenter reagiert hatten und vor weit weniger dramatischen Herausforderungen als Europa stehen. Überraschend ist hingegen die anhaltende Schwäche des Australischen Dollar, die auch die neuseeländische Währung belastet. Beide Staaten profitieren nun von ihrer eher isolierten Lage und werden aus der Krise gestärkt hervorgehen. Ähnliches scheint für Russland zu gelten, das aufgrund der Größe und Nähe zu China bislang auch überraschend wenig von dem Virus betroffen zu sein scheint.

 

Die Schwäche des Russischen Rubel war eher auf den Ölpreis-Crash zurückzuführen. Am Montag fiel der Preis für den Energierohstoff um 30% und konnte sich nur moderat erholen. Hintergrund dieser Entwicklungen waren die angekündigten Förderausweitungen von Saudi-Arabien und eben Russland selbst. Auf eine sinkende Nachfrage traf dann ein deutlich steigendes Angebot. Zusammen mit dem ohnehin von Angst und zunehmender Panik geprägten Umfeld sorgte dies für einen „schwarzen Montag“, auf den – bislang historisch einmalig – ein mindestens ebenso „schwarzer Donnerstag“ folgte. Besonders tragisch war, dass dies auch für teilweise deutlich fallende Edelmetallpreise sorgte. Es ging nach dem Motto, alles muss raus. Für Goldanleger, die um ihre Sicherheitsillusionen gebracht worden waren, war es besonders tragisch, aber auch die teilweise als Goldalternative dargestellte Digitalwährung Bitcoin halbierte sich in kurzer Zeit. Neben den kreditbedingten Notverkäufen wird gerade bei den Industriemetallen der Untergang der Weltwirtschaft eingepreist. Dies stellt nach Analyse aller Daten zu globalen Handels- und Warenströme eine Übertreibung dar.

 

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