Sorge schafft Angst, Angst schürt Panik

Veroeffentlichungen

Marktupdate 10/2020

Markus Schön, Dienstag 10. März 2020

 

Wenn man die Nachrichten betrachtet, beherrscht der Corona-Virus sämtliche Schlagzeilen. Es ist eine neuartige Krankheit, die leider auch zu Todesfällen führt, aber die Konzentration auf dieses Thema überrascht schon etwas.

 

Noch verwunderlicher sind die radikalen Schritte, die nach China nun auch Italien ergreift, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Während China eine wirtschaftsstarke Region unter Quarantäne gestellt hat, legt Italien mit den nun nochmals verschärften Beschränkungen praktisch die gesamte Wirtschaft lahm. Allein in Norditalien werden fast 70 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung erzielt. Entsprechend wird die italienische Wirtschaft in die Rezession fallen und nach ersten Analysen aus unserem Schön&Co-Research um mehr als 2,5 Prozent in diesem Jahr schrumpfen. Für eine mit 130 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldete Volkswirtschaft ist dies ein Horrorszenario. 

 

Daher wird die EZB vermutlich ähnlich panisch wie die US-Notenbank reagieren und zum einen die Leitzinsen senken und zum anderen eine Art Bankenrettung 2.0 anstoßen, da bei einer Wirtschaftskrise die italienischen Banken und Sparkassen wanken, was wiederum Auswirkungen auf andere europäische Kreditinstitute haben könnte. 

 

Allerdings muss man sich die Frage stellen, ob geldpolitische Instrumente die richtige Antwort auf eine Pandemie, die im Übrigen die Weltgesundheitsorganisation noch immer nicht erklärt hat, sind. Der Einbruch der Aktienmärkte auf die außerplanmäßige und mit 50 Basispunkten relativ hohe Zinssenkung zeigte, wie nervös die Märkte sind. Vielfach wurde die Frage gestellt, was die US-Notenbank wisse, was an den Märkten noch unbekannt sein. So nährt die Sorge die Angst; aus der Angst wird eine Panik und die Panik bereitet den idealen Nährboden für Spekulationen, Falschnachrichten und neue Sorgen und Ängste. Diese Abwärtsspirale ist mindestens genauso gefährlich wie die Krankheit selbst: Wenn das Vertrauen in die Institutionen wegbricht, droht eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise unvorstellbaren Ausmaßes.

 

Glücklicherweise ist es noch nicht so weit. Aber in Europa und Deutschland rächt sich nun der Reformstillstand der letzten Jahre. Nun wird über staatliche Konjunkturprogramme diskutiert, weil man die Jahre niedriger Zinsen, hoher Haushaltsüberschüsse und guter wirtschaftlicher Entwicklungen ungenutzt gelassen hat.

 

Statt über seit mehr als 100 Jahren überholte Mobilitätskonzepte wie die Elektromobilität zu diskutieren und diese zu fördern, wäre viel sinnvoller gewesen, fokussiert Schulden abzubauen, zielgerichtet zu investieren und Steuern zu senken. Dann hätten die meisten Branchen keine Probleme, eine wirtschaftliche Talsohle zu überstehen. Vielmehr hätte man sich dann auf die Branchen und Unternehmen konzentrieren können, die wirklich existenziell durch die Krise gefährdet sind.

 

Dann wären zielgerichtete Maßnahmen leichter umsetzbar gewesen. Nun steht man vor dem Problem eine Art „Gießkannenlösung“ zu machen und dabei auf Instrumente zu setzen, die nach der Finanzkrise 2008/ 2009 erfolgreich waren. Allerdings wird ein wesentlicher Unterschied nicht gesehen. Als Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld oder Abwrackprämie ergriffen wurden, hatte man den Tiefpunkt der Finanzkrise erreicht.

 

Heute kann niemand abschließend sagen, wie tief die Einschnitte für die Weltwirtschaft tatsächlich werden. Derzeit funktionieren Geschäftsmodelle in moderat vom Virus betroffenen Staaten gut, sofern sie regional eher beschränkt sind und nicht bei Großveranstaltungen angeboten werden müssen. Die Frage ist aber, wann möglicherweise Lieferketten durchbrochen sind und damit Vorprodukte aus China, Südkorea oder Italien nicht mehr zur Verfügung stehen. Der US-Technologiekonzern Apple hatte dies auf dem Höhepunkt der Krise in China erlebt und musste teilweise sein Angebot einschränken. Dieser Lieferengpass löst sich nun sukzessive wieder auf. Aber jetzt könnten in den USA selbst Einschränkungen drohen, nachdem dort auch immer mehr Erkrankungen und eine höhere Sterblichkeit als beispielsweise in China bekannt werden. Inwieweit die USA diese Krise mit Donald Trump als US-Präsidenten tatsächlich meistern könnten, bleibt abzuwarten. Er scheint die Risiken für das US-Gesundheitssystem bei einer Verschärfung ebenso wenig richtig einschätzen zu können wie die Folgen für die US-Wirtschaft.

 

Deswegen ist es möglicherweise positiv, dass Joe Biden bei den Vorwahlen der US-Demokraten doch noch ein Comeback gefeiert hat. Dies hatte die US-Märkte kurz stabilisiert, bevor die US-Notenbank durch die Zinssenkung für Rekordkurse bei US-Staatsanleihen sorgte, die dann in der Folge nahezu sämtliche, als besonders sicher eingestuften Anleihen nach oben zogen. Vielfach wurde dann behauptet, dass weniger sichere Anleihen deutlich unter Druck kamen. Dies ist nicht richtig. Diese sind im Kurs weitgehend unverändert geblieben, so dass die Renditedifferenz zwischen guten Staats- und mittleren Unternehmensanleihen größer geworden ist. Allerdings wird hier die Schwankungsbreite zunehmen, weil zum einen Anleger wie 2008 nahezu jedes Risiko scheuen, aber zum anderen die unglaubliche Liquidität in den Märkten sehr schnell für Nachfrage sorgen wird. Schließlich sind Anleger immer noch auf der Suche nach Rendite und erleben gerade, wie schnell sich diese im Aktienmarkt in Luft auflösen kann.

 

Schließlich ist der DAX inzwischen im Fünf-Jahres-Vergleich trotz der Einbeziehung der Dividenden im Minus. Wären dort noch Werte wie die Commerzbank, Lanxess oder ThyssenKrupp notiert, fiele der Verlust noch wesentlich deutlicher aus. Daher ist es eine Illusion, ohne aktives Management auch mit Aktien eine über Anleihen liegende Rendite zu erzielen. Interessant ist aber, dass deutsche und europäische Aktien besonders leiden. Chinesische Werte werden ja von der dortigen Notenbank gestützt, aber in den USA erholen sich die Aktien teilweise auch wieder deutlich schneller. So konnte der Dow Jones am letzten Freitag von seinem Tiefstkurs über 700. Punkte hinzugewinnen. Am Ende verblieb ein Tagesminus von 1 Prozent. Im Wochenvergleich hatten die US-Indices aber hinzugewinnen konnten, während Deutschland und Europa wieder deutlich Aktienverluste hinnehmen musste. Nach der Zuspitzung in Italien und der – völlig aus dem Blick geratenen – neuen Flüchtlingskrise dürfte die Erwartung einer Erholung auch bei deutschen Aktien nicht eintreten.

 

Zu den beiden Problemen – mögliche Flüchtlingswelle und Corona-Virus – wird in den nächsten Wochen der Anstieg des Euros belastender werden. Dabei ist es eigentlich eine irrsinnige Entwicklung: Europa steht vor großen Herausforderungen und die Währung gewinnt hinzu. Die Erklärung ist einfach, wenn aber auch zumindest aus unserer Sicht überraschend: Wenn man nirgendwo mehr Zinsen für Staatsanleihen bekommt, kann man auch in Europa investiert sein. Schließlich war ein wesentliches Element für einen schwächeren Euro die Zinsdifferenz zu den USA oder Australien. Da dort die Anleihekurse aber teilweise wesentlich stärker als in Deutschland und Europa insgesamt explodiert sind, haben sich die Zinsdifferenzen deutlich reduziert. Nun setzt ein Trend ein, der den Euro insbesondere gegenüber den rohstoffnahen Währungen steigen lässt, da wesentliche Industriemetalle aufgrund des drohenden Nachfrageeinbruchs deutlich verloren hatten. Besonders spürbar ist dies beim Ölpreis, der im Wochenvergleich über 8 Prozent verloren hatte, nachdem er allein am letzten Freitag fast 10 Prozent an Wert eingebüßt hatte. Dies dämpft wiederum etwas die Effekte des starken Euro.

 

Schließlich sorgt insbesondere der fallende Ölpreis für sinkende Kosten und könnte sich entsprechend dämpfend auf die Inflation auswirken. Ursache für den deutlichen Preisrutsch am letzten Freitag war die Uneinigkeit zwischen den OPEC-Staaten und vor allem Russland zu möglichen Förderkürzungen. Einem weiterhin hohen Angebot steht eine zumindest temporär rückläufige Nachfrage gegenüber, so dass die Preise deutlich nachgegeben haben. Dies wird dann auf die Industrierohstoffe insgesamt, die damit dann auch rohstoffnahe Währungen und Rohstoffunternehmen belasten. Dies gilt umso mehr, da sich auch Edelmetalle – trotz ihres Rufs als Krisenwährung – durchwachsen entwickeln. Zwar konnten Gold, Platin und Silber im Wochenvergleich hinzugewinnen, aber die Dynamik – insbesondere währungsbereinigt – enttäuscht etwas. Vor allem bei den von uns favorisierten Edelmetallen Silber und Platin sehen wir noch größeres Aufwärtspotenzial. Gold hatte auf dem bisherigen Höhepunkt der Krise gezeigt, dass es als wirklicher Krisenschutz – ebenso wie Aktien – ungeeignet ist. Bei den Industriemetallen sollte durch die leichte Entspannung in China eine Beruhigung einsetzen.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.