Aktien und Gold - doch kein Inflationsschutz?

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Marktupdate 08/2021

Markus Schön, Dienstag 02. März 2021

 

Manchmal ist der Blick auf die Zahlen nicht ausreichend, um eine Situation zu beurteilen. Vordergründig haben Indices wie DAX und Dow Jones im Wochenvergleich jeweils ca. 1,5% verloren. Die Kurse für Anleihen fielen global stärker, während die US-Technologiebörse Nasdaq mit fast 5% und Platin mit über 6% deutlicher verloren. Aber auch Gold ist auf Jahressicht 2021 mit deutlich über 8% im Minus. Zwischenzeitlich ging es an den Kapitalmärkten nach dem Motto „alles muss raus“. Getrieben wurde diese Stimmung durch zwei Faktoren. Zum einen greift die Sorge vor Inflation bei weiter extrem expansiver Geldpolitik um sich. Zum anderen rücken – gerade bei den Technologiewerten – fundamentale Bewertungsfragen in den Fokus. Dies sorgte bei Werten wie Tesla, aber auch den Digitalwährungen um Bitcoin für einen deutlichen Kursrutsch. Nicht zuletzt wurde die negative Stimmung durch eine Aktienrallye verschärft. Was zunächst seltsam klingt, ist bei näherer Betrachtung nachvollziehbar. Die Aktie von Gamestop wurde nach dem Rücktritt des Finanzchefs wieder durch Kleinanleger nach oben getrieben. Über dieses Phänomen hatten wir dem Nachrichtensender n-tv.de vor einigen Wochen ein größeres und viel beachtetes Interview gegeben: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Es-trifft-genau-die-Richtigen-article22330520.html. So positiv der Druck ist, den Kleinanleger auf Spekulanten aufbauen, so kritisch ist die Situation in dem mit Schulden überladenen Finanzmarkt. Wenn die Kurse stark und heftig fallen, entsteht Druck an Stellen im Finanzsystem, die teilweise nicht vorhersehbar sind. Entsprechend groß ist die Verunsicherung, zumal schon bei der ersten Attacke der Kleinanleger das US-Finanzsystem leicht ins Wanken kam. In der aktuellen Phase ist es unsicher, ob und in welchem Umfang die Notenbanken zur Hilfe kommen würden. Schließlich versucht man sich global seit 2009 an einem „Kapitalismus ohne Pleiten“, der dann Anlage- und Bilanzbetrug wie bei Wirecard oder zunehmend „kreativer Buchführung“ wie bei anderen börsennotierten Unternehmen Tür und Tor öffnet. Wirksam bekämpfen kann man dies nur, wenn man geldpolitisch klare Grenzen setzt. Dies ist – trotz Corona-Pandemie – gerade so dringend geboten wie selten zuvor. Schließlich kann nicht noch eine volkswirtschaftliche Gewissheit fallen, indem die Notenbanken einer global nachhaltig steigenden Inflation einfach zusehen würden. Beschleunigt sich der Trend einer spürbar steigenden Inflation muss die expansive Geldpolitik gestoppt und die Zinsen erhöht werden. Sonst werden die Notenbanken von der „Macht des Faktischen“ eingeholt. Die Zinsen für Staatsanleihen steigen trotz der extrem expansiven Geldpolitik. Besonders spürbar ist dies in den USA. Dort ist die Rendite innerhalb von knapp einem Jahr von rund 0,50% p. a. auf 1,50% p. a. gestiegen. Neben den Inflationssorgen spielen auch Refinanzierungsfragen eine Rolle. Ein Konjunkturprogramm über 1,9 Billionen US-Dollar ist gerade auf den Weg gebracht worden.

 

Noch ist völlig unklar, wie dies refinanziert werden soll. Der Trend immer höherer Staatsverschuldungen lässt sich nicht endlos fortsetzen. Irgendwann stellt sich die Frage nach der Schuldentragfähigkeit. Wirtschaftszonen wie Hong Kong reagieren schon jetzt und erhöhen – erstmals seit fast 30 Jahren – die Stempelsteuer auf Aktien. Damit sich dies lohnt, muss der Aktienhandel weiter gut laufen. In Deutschland würde sich eher eine Sondersteuer auf Immobilien anbieten. Überlegungen der SPD gehen bereits in diese Richtung, indem man die Vermögens-steuer wieder aufleben lassen will. Dies wäre in einer Rot-Rot-Grünen-Regierung besonders einfach: Schließlich gibt es formal diese Steuer in Deutschland; lediglich ihr Vollzug ist ausgesetzt. Aber auch dies würde letztlich die Inflation antreiben, so dass die Politik volkswirtschaftlich immer weiter auf eine Sackgasse zusteuert. Dies ist keine deutsche Entwicklung, sondern ein internationales Problem, was die Herausforderungen noch erhöht. Schließlich zeigt die Bekämpfung der Corona-Pandemie wie schlecht die internationale Zusammenarbeit derzeit tatsächlich ist. Dies ist in Finanz- und Wirtschaftsfragen nicht besser. Gerade für Anleger in Deutschland kann dies sehr schnell zu einem akuten Problem werden. Die hohe Immobilienlastigkeit reduziert die Flexibilität, die hohe Quote an Liquidität bietet vielen Kreditinstituten die Möglichkeit, das fehlende Kostenbewusstsein durch die Ausweitung von Strafzinsen „auszugleichen“. Ganz vorn dabei sind Kreditinstitute wie die Commerzbank oder die Sparkasse Düsseldorf, die für ihre unternehmerische Erfolglosigkeit bekannt sind. Die Sparkasse kündigt sogar Kunden mit Tages- und Festgeldkonten, was für die Reputation sehr schlecht, rechtlich aber vermutlich unvermeidlich ist. Umgekehrt dürften Strafzinsen ohne Änderungskündigung oder ohne mit dem Kunden betroffene Vereinbarung häufig unwirksam sein.

 

Die Verschärfung der Strafzinspolitik vieler Kreditinstitute steht im Widerspruch zu den Marktentwicklungen. Während noch vor wenigen Tagen der Zinsanstieg ausschließlich über derivate Instrumente entstand und nicht wirklich Anleihen verkauft wurden, kommt nun – auf niedrigem Niveau – etwas Bewegung in den Markt. Tatsächlich steigt die Anzahl der wieder mit einem positiven Zinsbeitrag versehenen Anleihen deutlich an. Die damit verbundenen Chancen sollte man nutzen und derzeit eher Anleihen kaufen als verkaufen. Allerdings muss man die Laufzeiten aktiv managen. Papiere mit (sehr) langen Laufzeiten reagieren auf die Zinsschwankungen viel stärker. Daneben sind Unternehmens- und selektiv Währungsanleihen viel interessanter als beispielsweise deutsche Staatsanleihen, die trotz der auch dort zu verzeichnenden Anstiege vielfach im negativen Bereich rentieren. Solche Anlagen sind – ebenso wie Gelder bei Kreditinstituten – vielfach nur noch eine Garantie für den Vermögensverlust.

 

Man sollte aber auch nicht den Fehler machen, auf den Zinsanstieg mit einer Flucht in Aktien zu reagieren. Auch hier positioniert sich der Markt klar: Bei einer dauerhaft anziehenden Inflation ohne geldpolitische Gegenmaßnahmen ist diese Anlageklasse nur kurzzeitig attraktiv. Schließlich verlieren die Liquiditätspolster der Unternehmen auch an Kaufkraft und die Refinanzierungskosten steigen. Zudem setzt dann ein Wettbewerb ein, welches Unternehmen sich noch günstig refinanzieren kann. Dann werden auch Kapitalerhöhungen schwieriger und die Liquidität der Notenbanken kommt viel schleppender an den Aktienmärkten an. Damit entwicht möglicherweise Luft aus der Aktienblase. In dem jetzt schon nervösen Umfeld, das eher noch unsicherer werden würde, käme es dann sehr schnell zu starken Bewegungen. Einen Vorgeschmack auf ein solches Szenario haben die Entwicklungen an der Nasdaq und vor allem bei den Digitalwährungen gegeben.

 

Etwas gedämpft wurde diese Entwicklung durch den Anstieg des US-Dollar. Hier macht sich die Zinsdifferenz bemerkbar. Deutlich über 150 Basispunkte Zinsvorteil bei zehn Jahre laufenden Anleihen sorgen für Nachfrage nach US-Papieren und damit beim US-Dollar. Schließlich könnte für auf Endfälligkeit ausgerichtete Anleger der US-Dollar unter 1,35 fallen, ohne dass dies im Vergleich zu einer entsprechenden deutschen Staatsanleihe für Verluste sorgen würde. Diese „Kaufen-und-Halten-Strategie“ ist aber weiterhin nicht zu empfehlen. Auch auf der Währungsseite ist aktives Agieren unerlässlich. Dies zeigen die Entwicklungen der letzten Tage. Mit Ausnahme des US-Dollars haben fast alle Währungen gegenüber dem Euro verloren. Diese Rückgänge waren überraschend stark. Daher sind fundamental starke Währungen wie der Russische Rubel oder der Australische Dollar nur noch 1% auf Jahressicht 2021 im Gewinn. Der Mexikanische Peso ist seit Jahresanfang sogar im Minus, obwohl dort der Ölpreisanstieg für deutliche Haushaltsüberschüsse sorgen wird.

 

Zur Abwechselung ist hierfür aber nicht die Rohstoffpreis-entwicklung verantwortlich. Vielmehr kam der Mexikanische Peso unter Druck, weil Brasilien stärkeren Einfluss auf den Ölkonzern Petrobras ausüben könnte. Die damit verbundene staatliche Einmischung wird kritisch gesehen, während dies sonst vielfach eher positiv gesehen wird. Schließlich profitieren die Kapital-märkte sehr stark von den staatlichen Stützungsmaßnahmen. Umso überraschender ist die Schwäche der Edelmetalle in den vergangenen Handelstagen. So setzt Gold den schlechtesten Jahresauftakt seit über 30 Jahren fort und ist über 8% in diesem Jahr im Minus. So viel hat Platin fast in einer Woche verloren, ist aber auf Jahressicht 2021 noch deutlich im Gewinn. Ebenso wie beim Silber hilft die industrielle Verwendung, die Gold eben nicht hat. Die Behauptung, Sachwerte wie Aktien und Gold profitieren, wenn die Inflation steigt, erweisen sich – analog zu unserer Einschätzung – derzeit aber als nicht richtig. Eine breite Diversifikation und aktives Agieren sind weiterhin Erfolgsfaktoren.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.