Coronavirus: Vorgeschmack auf die Folgen an den Aktienmärkten

Veroeffentlichungen

Marktupdate 08/2020

Markus Schön, Montag 24. Februar 2020

 

Vor wenigen Tagen wurde der Umgang Chinas mit dem Corona-Virus kritisiert, weil die Abschottung nur in einem totalitären Staat möglich wäre. Nachdem es zu einem ungeklärten Ausbruch in Norditalien gekommen ist, gehen die italienischen Behörden einen ähnlichen Weg und schotten eine Region mit 50.000 Einwohner ab und versuchen auch mit unpopulären Absagen von Veranstaltungen die Risiken einzudämmen. Dieser Schritt ist – ebenso wie der chinesische Weg – positiv zu beurteilen, weil man weiterhin alles tut, um eine weltweite Pandemie zu verhindern.

 

Inwieweit dies weiterhin möglich ist, obwohl die Inkubationszeit ebenso unklar wie die Übertragungswege sind, bleibt abzuwarten. Deswegen überrascht es, dass der Internationale Währungsfonds nur von einem Rückgang des globalen Wirtschaftswachstums um 0,1% ausgeht. China steht für 17% der weltweiten Wirtschaftsleistung und ist eine der Drehscheiben für den globalen Warenverkehr. Dieser wird durch Engpässe auf dem Containermarkt und Einschränkungen der Transportwege immer stärker beeinträchtigt. Die Entscheidung Österreichs vom heutigen Abend, den Zugverkehr mit Italien nach zwei Corona-Virus-Verdachtsfällen an der Grenze zwischen beiden Staaten zu unterbrechen, zeigt wie fragil die Situation gesundheitlich und volkswirtschaftlich ist. Dies fällt in eine Phase, in der es Anzeichen der Rückkehr einer Inflation gibt. So sind in Deutschland die Erzeugerpreise so stark wie zuletzt im Jahr 2011 gestiegen. In Großbritannien lag die Inflation mit aktuell 1,8% ebenfalls über den Erwartungen und in den USA deuten die Indikatoren auch auf eine steigende Geldentwertung. Noch ist dies eine Momentaufnahme, die sehr stark durch den Anstieg der Energierohstoffpreise im Januar 2020 beeinflusst war. Nun hatte sich dies relativiert, aber es drohen „virusbedingt“ teilweise Kapazitätsengpässe mindestens in der Industrie, die aber sehr schnell auch andere Bereiche betreffen können. Selbst in der Technologiebranche macht sich dies bemerkbar wie die Hinweise zu Lieferengpässen bei dem US-Technologieunternehmen Apple zeigen.

 

Umso erstaunlicher ist die relativ ruhige Situation an den Aktienmärkten. Zwar hat der DAX rund 1% und der Dow Jones 1,5% im Wochenvergleich eingebüßt, aber für die mit der Weltwirtschaft verbundenen Abwärtsrisiken erscheint dies völlig unangemessen. Je nach Betrachtung wird die Weltwirtschaft in diesem Jahr 0,7% bis 1,2% weniger als bislang erwartet wachsen. Unsere Einschätzung ist wesentlich pessimistischer als der IWF, aber wird durch die Einbrüche beispielsweise im chinesischen Automobilabsatz ebenso bestätigt wie durch die sich abzeichnenden Einbußen im Transportsektor und der Logistikbranche.

 

In diesem Szenario wird die Eurozone in die Rezession rutschen, die Wirtschaft in den USA nahezu stagnieren und etliche Entwicklungsländer unter Druck kommen. Die Entwicklungen dort finden an den Kapitalmärkten derzeit ebenfalls kaum Beachtung. So rückt für Argentinien der Schuldenschnitt immer näher. Vor knapp drei Jahren wurden wir kritisiert, weil wir uns dort einer 100 Jahre laufenden Anleihe mit über 8% p. a. Rendite nicht beteiligt hatten. Selbst mit Zinsen hätte sich das eingesetzte Kapital halbiert. Es zeigt, wie wichtig unsere jahrzehntelange Expertise und unser unabhängiges Research sind. Ebenso zeigt es, wie unsinnig Anleihe-ETFs und -Fonds sind, die vielfach in einen solchen Unsinn investieren. Am Ende ist meistens das „Geschäftsmodell“ entscheidend. Hier war und ist Argentinien – ebenso wie viele andere Staaten – schlecht aufgestellt. Wenn man nicht die Frage beantworten kann, wie die Wertschöpfung entsteht, sollte man weder in Staaten noch Unternehmen investieren. Dies gilt umso mehr, wenn man sich in einer Phase einer Politik wie „America first“ bewegt. Protektionismus funktioniert aus Sicht des sich abschottenden Staates ja nur, wenn man Standortvorteile und/ oder einen großen Heimatmarkt hat.

 

Dies ist auch einer der Gründe, weshalb sich die G20-Finanzminister vor allem durch die Haltung der USA nicht auf eine einheitliche Besteuerung der Digitalkonzerne verständigen können. Die Wertschöpfung ist global und muss global besteuert werden. Es handelt sich aber i. d. R. um US-Konzerne, so dass gerade die Regierung Trump kein Interesse hat, hier zukunftsweisende Lösungen zu schaffen. Deswegen muss man sich auf eine zweite Amtszeit Trumps einstellen. Bernie Sanders dürfte keine Chance haben.

 

Aber es sieht immer stärker nach Sanders als Kandidat der US-Demokraten aus, was sicherlich auch bestimmte Marktentwicklungen unterstützt. So ist auch in den USA eine Flucht in Sicherheit zu verzeichnen, von der u. a. gerade US-Staatsanleihen profitieren. Dort gibt es wieder eine inverse Zinsstruktur; es gibt also höhere Zinsen bei kürzeren als bei längeren Laufzeiten, was als Indikator für eine bevor-stehenden Rezession gilt. Entsprechend sollte man wieder an den Begriff der Stagflation – also wenig Wirtschafts-wachstum mit steigender Inflation – denken und dieses Risiko bewerten. Berücksichtigt man dann noch, die international teilweise deutlich sinkenden Immobilienpreise und eine Analyse der Deutsche Bundesbank, die eine Preisblase in diesem Segment zwischen 15 und 30% sieht, erkennt man, wie herausfordernd die Situation werden kann. Ein Schutzelement sind hierbei laufende Zinserträge, sofern diese auch perspektivisch über der Inflation liegen und durch ein aktives (Durations-)Management die Möglichkeit bieten, flexibel auf Entwicklungen zu reagieren.

 

Diese Chance wird es nach unserer Einschätzung bei Aktien nicht geben. Dort ist – ähnlich wie bei Immobilien – eine „schizophrene“ Situation erreicht. Nie war das Bewertungsniveau höher, nie gab es mehr Gewinnwarnungen, nie waren die weiteren Entwicklungen von so vielen nicht vorhersehbaren Faktoren abhängig, aber dennoch erreichten die Aktienmärkte immer wieder neue Rekordstände. Getragen wird dies alles vor allem von Technologie-Aktien, die teilweise zu mehr als dem 100-fachen ihres Ergebnisses bewertet werden. Hier werden Markterwartungen monopolähnlicher Strukturen in der Zukunft eingepreist, die eine schreckliche gesellschaftliche Entwicklung wären, aber beim Nicht-Eintreten zu einem deutlichen Crash führen könnten. Dies wird an den Märkten nicht wahrgenommen. Dabei sind die Risiken für die Weltwirtschaft genauso hoch wie 2008. Nicht umsonst wird die aktuelle Gesundheitsgefahr in Anlehnung an die Pleite der US-Investmentbank 2008 vielfach als „Lehman-Moment“ für den Welthandel bezeichnet.

 

Dennoch kann der Euro als „Währung des europäischen Handels“ in den letzten Tagen profitieren. Auf den US-Dollar bezogen, scheint ursächlich die Zinsentwicklung in den USA zu sein, da dort in den letzten Tagen die Zinsen stärker und schneller als in der Eurozone fielen. Zudem würde ein Rückgang des globalen Wirtschaftswachstums sich in den USA stärker als in Europa bemerkbar machen. Die Ausschläge der US-Wirtschaft sind einfach stärker – im Positiven wie im Negativen. Daneben profitiert der Euro von den Sorgen um die Weltwirtschaft auch bei den eher rohstoffnahen Währungen. Deren Volkswirtschaften wären von einem deutlicheren Rückgang des Wirtschaftswachstums noch stärker betroffen. Daher kam Druck auf den Australischen Dollar, den Mexikanischen Peso und in Teilen auch auf den Russischen Rubel, der aber auch Spielball der Entwicklungen des Ölpreises war. Festzuhalten ist aber, dass an den Devisenmärkten ein deutlich stärkerer Einfluss auf die Weltwirtschaft im Negativen eingepreist ist als dies derzeit auf Aktienseite getan wird. Eine Sichtweise wird am Ende richtig sein. Vieles spricht dafür, dass die Einschätzung des Devisenmarktes am Ende den Weg vorgibt und die Aktienmärkte noch stärker fallen.

 

Dies scheinen auch die Edelmetalle zu bestätigen, die in der Breite und – wie Silber – teilweise sehr deutlich hinzugewinnen konnten. Man muss allerdings vorsichtig sein, dass man nicht ein Muster findet, weil man eines zu erkennen sucht. Für einen Anstieg der Edelmetalle sprechen auch die über den Erwartungen liegenden Inflationsraten. Zusammen mit der – vielfach irrigen – Behauptung der Zinslosigkeit wird dann Gold als Lösung dargestellt, weil bei fehlenden Zinsen die nicht vorhandenen, laufenden Erträge bei Goldanlagen keine Rolle spielen. Ob Gold auch in dem derzeitigen Umfeld wirklich ein Inflationsschutz wäre, kann man zumindest mit einem Fragezeichen versehen. Noch unklarer ist derzeit allerdings die Inflationsprognose. Von der Rohstoffseite wird sie nicht getrieben, auch wenn der Ölpreis unter starken Schwankungen wieder deutlicher gestiegen ist. Ohne einen größeren Effekt des Corona-Virus auf die globalen Lieferketten wird die Geldentwertung in Deutschland in diesem Jahr bei rund 1% liegen. Andernfalls kann es Richtung 2% gehen und vor allem für steigende Preise bei Silber und Platin durch den Aufholeffekt sorgen.

 

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