Trotz sinkender Lohnkosten – die Angst vor Inflation ist da

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Marktupdate 07/2021

Markus Schön, Dienstag 23. Februar 2021

 

Nachdem die Wirksamkeit des Corona-Impfstoff von AstraZeneca in den vergangenen Tagen teilweise irrational heftig kritisiert wurde, setzt an den Kapitalmärkten leichte Verunsicherung ein. Schließlich wird derzeit eine schnelle Erholung der Weltwirtschaft eingepreist. Tatsächlich stellt sich die Situation – nicht zuletzt durch die Mutationen – deutlich differenzierter dar. Immer stärker wird in den Industriestaaten eine dritte Welle der Corona-Pandemie befürchtet, die dann die Erholung der globalen Wirtschaft verlangsamen oder gar ganz zum Erliegen bringen könnte. So sind die Zahlen vom US-Arbeitsmarkt nicht ermutigend, obwohl sich der dortige Konsum relativ robust entwickelt. Ursache hierfür sind jedoch die umfangreichen Hilfsprogramme. Nicht zuletzt der virtuelle G7-Gipfel zeigte, dass die Situation politisch wie wirtschaftlich sehr ungewiss ist. Dies zeigen auch Daten zum deutschen Arbeitsmarkt. Die Corona-Pandemie hat für sinkende Löhne – etwas gedämpft durch das Kurzarbeitergeld – gesorgt, während gleichzeitig die von den Zollbehörden ermittelte Schwarzarbeit angestiegen ist. Es ist eine umso erstaunlichere Entwicklung, da die Kontrollen und das Umfeld, in dem kontrolliert wurde, durch die Corona-Pandemie eher geringer geworden ist. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse nur die „Spitze des Eisbergs“ zeigen und der Umfang der Schwarzarbeit wesentlich stärker im Zuge der Krise gestiegen ist. Gerade Bezieher von niedrigen Einkünften dürften dort tätig geworden sein, um ihre Lohneinbußen zu kompensieren. Volkswirtschaftlich ist dies ein negatives Signal, weil damit staatliche Einnahmeausfälle verbunden sind, vor allem aber das sinkende Lohnniveau nicht zu einer Nachfrageausweitung bei Unternehmen gesorgt zu haben scheint. So werden die Zukunftsrisiken deutlich.

 

Umso erstaunlicher ist, dass manche Konjunkturdaten doch noch positiv ausfallen. abgrenzen. Schließlich wird man nie besser sein, wenn man das tut, was alle tun und zum anderen spürt Volkswagen den Wettbewerbsdruck weniger durch die genannten Unternehmen, sondern bei dem klassischen Wettbewerber Toyota, der bislang beeindruckend gut durch die Corona-Krise gekommen ist. Kaum Beachtung verdient hierbei der ZEW-Index, bei dem die Einschätzung einiger Börsenteilnehmer abgefragt wird. Wenn die Aktienkurse gestiegen sind, fällt der Index immer positiv aus. Es ist also ein Nachlaufindikator, statt eine Indikation für zukünftige Entwicklungen zu setzen. So ähnlich sind derzeit auch Inflationsprognosen zu werten. Einige Marktteilnehmer gehen von stark steigender Geldentwertung aus. Neben dem Basiseffekt einer niedrigen und teilweise rückläufigen Inflationsentwicklung 2020 spielen die steigenden Rohstoffpreise eine große Rolle. Hier ist im Bereich der industriellen Rohstoffe tatsächlich eine so starke Steigerung wie zuletzt vor rund 20 Jahren festzustellen. Ursachen sind die steigende Nachfrage – insbesondere aus China –, aber vor allem die Erwartung einer schnellen Konjunkturerholung und die Produktionsreduzierungen in der Corona-Pandemie. Hier ist man von einer global sehr ordentlich laufenden Wirtschaft in einen faktischen Stillstand gedreht, in dessen Folge die Kapazitäten in nahezu allen Rohstoffsektoren massiv gekürzt wurden. Dies hat nun zur Folge, dass die Nachfrage das Angebot zumindest perspektivisch übertreffen wird und dies einen Preisschub bringt, der vielfach übertrieben ist und sich relativieren wird. Mit diesen Entwicklungen sind schon jetzt wirtschaftliche Einschränkungen verbunden. So führt der Chip-Mangel in der Automobilindustrie zu Produktionskürzungen. Hierbei handelt es sich um arbeitskraft-intensive Bereiche, so dass sich das Überangebot an Personal noch ausweiten könnte. Neben sinkenden Löhnen – ggf. verbunden mit steigenden Verbraucherpreisen – könnte dies mehr Menschen in Schwarzarbeit oder andere Beschäftigungsverhältnisse drücken. Aber auch für die Zukunftsfähigkeit der Industrie stellen sich wesentliche Fragen. So sind die Marktführer in der Entwicklung der individuellen, autonomen Mobilität mit Waymo und Cruise zwei Unternehmen, die nicht zu etablierten Anbietern gehören, auch wenn Cruise eine Tochtergesellschaft des US-Autokonzerns General Motors ist. Dieser plant – ebenso wie seine dortigen Wettbewerber – eine stärkere Umstellung auf Elektromobilität, da dieses Thema in den USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden an Fahrt gewinnt. Gleichzeitig will er aber den Weg fortführen, die USA als Exporteur fossiler Energieträger global zu etablieren. Daher kann das Fazit zu Joe Biden nach seiner ersten Teilnahme als US-Präsident an einer G7-Konferenz nur sein, dass der Ton freundlich, aber unverbindlich ist und viele Projekte seines Amtsvorgängers Donald Trump fortgeführt werden. Entsprechend wird sich die Verschuldungsstrategie der USA fortsetzen und durch die Notenbank mit niedrigen Zinsen weiterhin erleichtert werden.

 

Vordergründig scheint man derzeit in eine Phase steigender Zinsen einzutreten. Die Rendite von zehn Jahre laufenden Bundesanleihen ist von zwischenzeitlich -0,70% p. a. inzwischen auf -0,31% p. a. gestiegen. Diese Zinsbewegung kam zu großen Teilen aus derivaten Instrumenten, so dass Anleihen weiterhin kaum zu kaufen sind. Wer Papiere hat, gibt sie kaum ab, sondern sichert das erreichte Niveau höchstens ab. Dies gilt umso mehr, da risikoreichere Anleihen von dem Zinsanstieg derzeit kaum betroffen sind und dort die Nachfrage besonders hoch ist. Entsprechend gibt es kaum Papiere und die wenigen guten Neuemissionen sind deutlich überzeichnet. Sofern sich der Zinsanstieg – entgegen unserer Erwartung – fortsetzen sollte, wird es immer mehr Umschichtungen aus anderen Anlageklassen geben. Die steigende Nachfrage wird bei dem begrenzten Angebot zu steigenden Kursen bei Anleihen mittleren Bonität führen.

 

In einem solchen Szenario entsteht auf zwei Ebenen Druck auf die Aktienmärkte. Zum einen verteuern sich die Refinanzierungskonditionen für Unternehmen und machen beispielsweise Übernahmen unattraktiver. Entsprechend würden Werte wie Indus sich zukünftig noch schlechter entwickeln. Zum anderen würden Anleger den sicheren Zins den vielfach viel zu hoch bewerteten Aktien vorziehen. Die Unsicherheit ist zu spüren und führt bei Werten wie dem im MDAX notierten Konzern K+S zu erheblichen Kursverlusten, nach dem eine Bilanzprüfung der BaFin bekannt wurde. Hier geht die Angst vor einer Parallelität der Entwicklungen wie bei Wirecard oder Grenke um. Tatsächlich scheint hier die BaFin deutlich über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Vielmehr Anlass zur Sorge müsste die aktuelle Grundlage für Kurssteigerungen geben: Die Unternehmen schütten viel Geld aus, weil sie offensichtlich kaum noch andere Ideen haben. Teilweise werden Aufspaltungen wie bei VW und Porsche oder Daimler in PKW und Lkw oder bei Vodafone dem geplanten Börsengang der Funkmasten-Sparte vorangetrieben, der interessant sein könnte.

 

Schließlich gilt die Digitalisierung als das wesentliche Zukunftsthema und die damit verbundene Infrastruktur hat wesentliche Bedeutung. Von diesem Trend profitierte auch die Digitalwährung Bitcoin, die mit Kursen von über 50.000 US-Dollar neue Rekorde erreicht. Inzwischen sind dort fast 1 Mrd. US-Dollar investiert worden. Es zeigt die Verzweiflung, mit der Anleger neue Anlagemöglichkeiten suchen. Hier drohen nun Verluste, nachdem der Tesla-Gründer Elon Musk sich kritisch zum Kursniveau äußerte, das er selbst erst mitbegründet hatte. Es wäre spannend zu wissen, ob er aktuell eine Absicherung in der Digitalwährung hat. Die „klassischen“ Währungen hingegen profitieren von den steigenden Rohstoffpreisen. Allerdings mussten Der Russische Rubel und der Mexikanische Peso zum Ende der hinter uns liegenden Handelswoche eine deutlichere Korrektur hinnehmen, nachdem der Ölpreis deutlicher verloren hatte.

 

Die nahezu ausschließliche Abhängigkeit der rohstoffnahen Währungen von den Preisentwicklungen ist fast genauso überraschend wie die teilweise starken Anstiege in diesem Segment. Während Gold in diesem Jahr über 6% verloren hat und den schlechtesten Jahresauftakt seit über 30 Jahren erlebt, können die von uns favorisierten Edelmetalle Silber und Platin 3% bzw. 18% seit Jahresanfang 2020 hinzugewinnen. Gold ist „nur“ eine Anlageform, während Silber und Platin industriell tatsächlich benötigt werden. Auch hier zahlen sich am Ende fundamentale Fakten aus. Selbst die gestiegenen Inflationserwartungen schützen Gold nicht. Die – gerade in den USA – wieder deutlich gestiegenen Zinsen machen den theoretischen Effekt kaputt. Viele Anleger nehmen die Sicherheit von 1% bis 2% Zinsen p. a., statt auf einen Inflationseffekt bei Gold zu setzen, der aber zunächst ohne zählbare Erträge bleibt. Bei anderen Rohstoffen ist die Verknappung durch den Verbrauch offensichtlich und sorgt bei Öl und vor allem Kupfer für überraschend starke Preissteigerungen.

 

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