Vom GANZ billigen Geld zum billigen Geld

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Marktupdate 05/2022

Markus Schön, Dienstag 01. Februar 2022

 

Seit Jahresanfang 2022 sind über 10 Billionen US-Dollar an den internationalen Kapitalmärkten verloren gegangen. Daran hat die US-Notenbank durch ihre erste Sitzung in diesem Jahr nichts ändern können; vielmehr hat sie die Unsicherheit beschleunigt. Aus unserer Sicht ist dies überraschend, weil nach den Ankündigungen der letzten Monate eine Zinserhöhung im Januar 2022 der richtige und logische Schritt gewesen wäre. Tatsächlich ist dies nun für März 2022 angekündigt. Entsprechend bleiben die Zinsen – auch in den USA – historisch niedrig und das Anleihekaufprogramm wird in der geplanten Geschwindigkeit abgeschmolzen. So wird allein den US-Kapitalmärkten in diesem Jahr mindestens weitere 100 Mrd. US-Dollar an Liquidität zugeführt. Dies entspricht knapp 3% der Marktkapitalisierung, die der deutsche Leitindex DAX aufweist. Eigentlich hätte also dieser – für uns überraschende – Schritt zu deutlich steigenden Aktien- und Anleihekursen führen müssen. Allerdings war nach einem kurzen Anstieg unmittelbar nach Bekanntgabe der Beschlüsse am vergangenen Mittwoch genau das Gegenteil der Fall. Die Erläuterungen des US-Notenbankpräsidenten Jerome Powell, die eigentlich eine eloquente Form von „wissen wir nicht“, „alles ist möglich“ und „Prognosen sind ungewiss, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen“ waren, wurden als Vorboten einer deutlichen Zinswende interpretiert. Aus unserer Sicht ist dies eine Fehleinschätzung. Tatsächlich scheint eine Zinswende immer weiter herausgeschoben zu werden, weil sonst ein Zusammenbruch der Finanzmärkte drohen würde. Die globalen Vermögen können nur steigen, weil sich vor allem Staaten über alle Maßen verschuldet haben. Daher ist der US-Notenbankpräsident als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Es ist daher nur die Frage, wann die Wahrnehmung an den Kapitalmärkten einsetzt, dass die Politik des ganz billigen Geldes im schlimmsten Fall in eine Politik des billigen Geldes verwandeln wird. Wenn dies ausreicht, um für zweistellige Billionenverluste zu sorgen, wird es global sehr schwierig werden.

 

Dies gilt umso mehr, da sich die Situation in China hinsichtlich der Omikron-Variante des Corona-Virus zuzuspitzen scheint. Der Internationale Währungsfonds sieht die chinesische Wirtschaft in einem Jahr der „Flaute“. Aktuell ist der Einkaufsmanagerindex unter die Schwelle von 50 Punkten gefallen, die Wachstum signalisiert. Gleichzeitig steigt die Nervosität vor weiteren Corona-Infektionen. Dies könnte nicht nur die in der kommenden Woche beginnenden Olympischen Spiele überschatten; auch die Reisen anlässlich des chinesischen Neujahrsfests könnten die „Null-Covid-Strategie“ an Grenzen führen. Andernfalls drohen so viele Lockdowns, die die chinesische Wirtschaft nicht nur schwächen, sondern zum temporären Stillstand bringen würden. Auf die ohnehin noch gestörten globalen Lieferketten wäre der Einfluss dramatisch. Auch auf diese Gefahren hatte der US-Notenbankpräsident hingewiesen. Sie werden derzeit lediglich an den Kapitalmärkten nicht ernst genommen. Dabei hatte die chinesische Notenbank mit neuen Hilfspaketen bereits auf die nachlassende Wirtschaftsdynamik reagiert. Selbst wenn die US-Notenbank restriktiver würde, gäbe es durch China vermutlich ein deutlich wahrnehmbares Gegengewicht. Geld wird international ein leicht verfügbar und kaum begrenztes Gut bleiben. Allerdings bestehen genau durch dieses Szenario Risiken auf der Inflationsseite, die man nicht unterschätzen sollte. Eine global steigende Geldmenge könnte u. U. auf eine Phase größerer Lieferengpässe stoßen. Dies wird zu steigenden Preisen führen, die mit klassischen geldpolitischen Instrumenten kaum bekämpft werden können. Zinserhöhungen beeinflussen keine Preise, die steigen, weil es Menschen oder Unternehmen gibt, die diese akzeptieren. So ist der Einfluss steigender Lebensmittel- oder Energiepreise für vermögende Menschen viel kleiner als für „Normalbürger“. Dem Tesla-Gründer Elon Musk kann die 7% Inflation im letzten Jahr in den USA egal sein; sein Vermögen ist um mehr als 100% gestiegen. Durch Verkäufe der Tesla-Aktien hat er diese Steigerungen teilweise realisiert. Entsprechend beeinflusst ihn die Inflation in seinen Kauf- und Investitionsentscheidungen in keinem nennenswerten Umfang. Dies gilt schon für viele Immobilien-Investoren, die an die Inflation gekoppelte Mietverträge haben. Dieses – insbesondere bei gewerblichen Mietern übliche – Instrument sorgt für einen „Inflationsausgleich“, der die Unternehmen nicht „schmerzt“, wenn sie die Preissteigerungen weitergeben können. Vielfach scheint dies möglich zu sein, weil die Notenbanken weltweit in den drei großen Krisen der letzten 15 Jahre – Finanzkrise, euro-Krise und Corona-Pandemie – so viel Geld in die Kapitalmärkte gepumpt haben, dass viele Preissteigerungen nun zumindest für Unternehmen leichter als beispielsweise in den 1980iger Jahren verkraftbar sind. Gleichzeitig fühlen sich viele Investoren reicher als sie es wirklich sind. Schließlich haben die Notenbank-Billionen zu einer Vermögenspreisinflation geführt, bei der für hoch verschuldete und hoch defizitäre Unternehmen absolute „Mondpreise“ gezahlt werden. Ähnliches gilt teilweise für Immobilien, während manche substanzstarke Werte unter ihrem fairen Preis gehandelt werden. Wenn sich diese Irrationalitäten auflösen würden, wäre es positiv zu werten. So hat der US-Technologieindex Nasdaq in den ersten vier Handelswochen mehr als 50% der Gewinne des letzten Jahres wieder verloren.

 

Dabei ist auf der Zinsseite nicht sehr viel geschehen. Noch immer kaufen alle relevanten Notenbanken Anleihen und teilweise Aktien. Bei den Leitzinsen geht es global eher weiter abwärts, während die Marktzinsen teilweise deutlich gestiegen sind. Deswegen sind die Refinanzierungsaktivitäten von Unternehmen weitgehend zum Erliegen gekommen. Vielmehr werden neue Anleihen von Staaten, staatsnahen Institutionen und Kreditinstituten emittiert. Diese Wertpapiere sind stark nachgefragt. Offensichtlich erwartet man hier eine größere Liquidität in einer Phase steigender Leitzinsen. Dadurch sind bestehende Anleihen weniger gefragt und es ergeben sich hier teilweise sehr attraktive Kaufkurse, die dann attraktive Renditen bieten und einen Kapital- und Inflationsschutz ermöglichen.

 

Dies ist in dem aktuellen Umfeld bei Aktien nicht gegeben. Neben dem auf Jahressicht 2022 deutlich im Minus liegenden Nasdaq müssen auch Dow Jones und DAX deutliche Verluste seit Jahresanfang hinnehmen. Wenn ein konservativer Wert wie Henkel 10% durch den Hinweis, die Unternehmensziele werden schwierig zu erreichen sein, verliert, verwundert es nicht, dass die US-Technologiewerte auf den schlechtesten Monat seit 2008 zusteuern. Der Januar 2022 wird – sollte es keine Rallye morgen am letzten Tag des Handelsmonats geben – an der NASDAQ schlechter als jeder Verlustmonat während der Corona-Pandemie sein. Umso erfreulicher ist, dass von den drei stärksten deutschen Aktienwerten bislang in diesem Jahr BASF und Bayer Bestandteile der Schön & Co Vermögensverwaltungen sind.

 

Schließlich ist die Frage nicht unwesentlich, ob wir am Beginn einer neuen Krise stehen. Die Konjunkturdaten sind teilweise deutlich schwächer als erwartet. Neben dem deutschen ifo- Geschäftsklima-Index sind vor allem die Daten vom USArbeitsmarkt enttäuschend. Deswegen stellt sich die Frage, ob die US-Dollar-Schwäche, die in der zweiten Hälfte der vergangenen Handelswoche zu spüren war, tatsächlich auf die Rede des US-Notenbankpräsidenten zurückgeht oder nicht eine konjunkturelle beachtenswert. Trotz deutlich steigender Corona- Infektionszahlen und damit verbundenen Lockdown gewinnt die Währung mehr als 1,5%. Ein so starker Kursanstieg, um den schwächsten Monat bei Aktien aus dem Technologiesektor noch zu verhindern, erscheint unwahrscheinlich. Vielmehr werden die Handelsvolumina durch das chinesische Neujahrsfest etwas geringer sein und vor allem die Stärke der US-Dollars stellt einen zusätzlichen Belastungsfaktor dar. Schließlich hat der US-Dollar allein in Woche fast 2% hinzugewonnen, während rohstoffnahen Währungen eher unter Druck waren. Hier grenzte sich insbesondere der Russische Rubel mit einem deutlichen Anstieg um fast 1% ab, da neben dem weiteren Anstieg der Energiepreise vor allem eine leichte Entspannung im Ukraine- Konflikt wahrgenommen wurde. Allerdings bleibt die Unsicherheit auch hier sehr groß. Schließlich wird dieser Konflikt vom russischen Präsidenten Wladimir Putin auch genutzt, um seine innenpolitische Stabilität zu erhalten und ggf. zu festigen.

 

Anders als vielfach wahrgenommen, agiert Russland aus einer Position der Stärke. Daran ändert auch die wirtschaftliche Erholung gerade in den westlichen Staaten nichts. Diese ist vielfach auf einen „schuldenfinanzierten Bestandsaufbau“ zurückzuführen, während Volkswirtschaften wie Russland, Mexiko oder Saudi-Arabien tatsächlich aus den Preissteigerungen im Rohstoffsektor mehr Staatseinnahmen generieren und so von dem Aufschwung nachhaltiger profitieren. Teilweise werden diese Mehreinnahmen genutzt, um Edelmetallpositionen auszubauen. Daher ist der aktuelle Rückgang in diesem Sektor sehr überraschend. Anleger spekulieren hier auf stark steigende Zinsen, die dann Anlagen in Gold, Silber oder Platin unattraktiver machen, weil die laufenden Erträge fehlen. Unter Sicherheitsaspekten bleiben aber Gold und Silber wichtige Anlagebausteine.

 

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