Substanz entscheidet

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Marktupdate 04/2022

Markus Schön, Dienstag 25. Januar 2022

 

Die US-Notenbank sorgt für Angst und Schrecken an den Kapitalmärkten. Der US-Leitindex Dow Jones hat in der vergangenen Woche fast 5% an Wert eingebüßt. Der US-Technologie-Index Nasdaq hat über 7,5% verloren. Seit Jahresanfang 2021 summiert sich das Minus auf 12%. Mit 2.200 Punkten Verlust erreicht das Minus fast den Rückgang während der ersten Welle der Corona-Pandemie, als der Technologie-Index zunächst 2.700 Punkte verlor, um dann eine fulminante Rallye zu starten. Derzeit sieht es jedoch nicht danach aus, als würde sich diese Entwicklung wiederholen. Zu groß ist die Angst, die „Party“ mit unbegrenzter Liquidität und niedrigen Zinsen könne aufgrund einer weiter steigenden Inflation beendet werden, indem die Notenbanken eine restriktivere Geldpolitik verfolgen. Insofern werden die Kapitalmärkte bis Mittwoch kommender Woche wie „die Kaninchen vor der Schlange sitzen“ und eher weiter fallen. Schließlich herrschen an den Märkten Bewertungen vor, die mit Fundamentaldaten nichts zu tun haben. Dennoch bleibt der Technologiesektor einer der wesentlichen Wachstumstreiber, wie auch die Übernahme des Spielehersteller Activision durch Microsoft für knapp 70 Mrd. US-Dollar zeigt. Alle führenden Technologiekonzerne arbeiten an einer neuen Stufe des Internets, in der reale und virtuelle Welt stärker miteinander verschmelzen. Dies wird die Abhängigkeit von einem Anbieter erhöhen, so dass die Entscheidung, ob man Apple, Alphabet, Amazon, die Facebook-Mutter Meta oder Microsoft nutzt, eine Entscheidung für das gesamte Leben werden wird und eine ähnliche Emotionalität bekommt, wie die Entscheidung, für welchen Fußballclub man sich begeistert. Völlig unklar ist, welche kleinere Wettbewerber überleben, integriert werden oder vom Markt verschwinden. Aus unserer Sicht wäre perspektivisch ein Zusammenschluss zwischen Microsoft und Disney logisch, während sich Netflix an Alphabet oder Meta andienen muss. Sonst werden Streamingangebote von Amazon und Disney den „Streaming-Pionier“ aus dem Markt drücken.

 

Entsprechend könnte bei den Technologieaktien zukünftig eine ähnliche Entwicklung gelten wie bei den klassischen Industriewerten: Substanz entscheidet. Sollte sich dieser Blickwinkel tatsächlich an den Märkten durchsetzen, wird es für viele Technologiewerte sehr unangenehm. Dann ist es wahrscheinlich, dass unsere Einschätzung Ende Dezember 2022 Realität wird und sich der US-Technologie-Index Nasdaq von seinem Hoch auf 8.000 Punkte halbiert. Schließlich zeigte sich in der hinter uns liegenden Handelswoche keine wirkliche Gegenbewegung. Seit Sommer 2020 gab es immer Investoren, die bei Kursrückgängen kauften. Dies fehlt nun völlig. Zwar gibt es keine Paniksignale, aber die Stimmung bei Aktieninvestoren ist verhalten, während sich für konservative Anleger teilweise schon wieder attraktive Alternativen ergeben. Dies umfasst vor allem Nachrang- und klassische Unternehmensanleihen, aber auch die Rendite zehn Jahre laufender Bundesanleihen aus Deutschland war erstmals seit fast drei Jahren wieder positiv. Das hat sich relativiert, nachdem die Marktzinsen zur Mitte der hinter uns liegenden Handelswoche wieder gesunken sind. Teilweise war es also attraktiv, wieder im Anleihemarkt zu investieren. Nachrang-papiere von Allianz oder Bayer bieten teilweise wieder 3% p. a. Dies ist bei geringerem Risiko attraktiver als die entsprechenden Aktien zu kaufen. Schließlich müsste die eingangs beschriebene Angst und der Schrecken derzeit weit weniger auf Zinssorgen oder die Entscheidungen der Notenbanken zurückgehen, sondern geopolitisch begründet sein. Schließlich steuern Russland und Europa, vielleicht aber auch die USA und die NATO auf einen Konflikt zu, an dessen Ende derzeit eher ein Krieg um die Ukraine droht als sich eine diplomatische Lösung abzeichnen könnte. Russland nutzt die Schwäche Europas konsequent aus und füllt global – z. T. gemeinsam mit China – das Machtvakuum, das die USA unter Trump ausgelöst haben. Dies verschlimmert sich aber durch die Untätigkeit des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden weiter. Sanktionen gegen Russland sind zunehmend ein stumpfes Schwert, weil die Abhängigkeit Europas im Energiesektor viel schwerer wiegt, als beispielsweise die Einschränkungen Russlands weniger oder keine westlichen Importe mehr zu erhalten. Oft wird die Situation mit dem Kalten Krieg verglichen, in dem die Sowjetunion zum einen ein verlässlicher Energielieferant war und zum anderen wirtschaftlich durch das Wirtschaftssystem und die weitgehende politische Isolation abgeschlagen war. Jetzt ist aber mit China ein weiterer Akteur auf der Weltbühne, der Russland inzwischen näher als den USA ist. Damit stünden dort alle Lieferwege für (westliche) Industrieprodukte offen. Umgekehrt ist China mit dem starken Rohstoffhunger ein guter Handelspartner für Russland, das – als weitere Unterscheidung zum Kalten Krieg – von den drei Staaten mit weitem Abstand den solidesten Staatshaushalt hat. Daher ist der Sanktionsdruck, den die USA und Europa aufbauen können, sehr beschränkt. Dies ist aber alles andere als ein positives Signal. Nun stehen militärische Test-Manöver seitens Russlands und der NATO unmittelbar bevor. Dies sind keine gemeinsamen Übungen, sondern Maßnahmen, die zeitgleich stattfinden und für eine weitere Eskalation sorgen können. Zusammen mit dem zunehmend aggressiven Blick, den China auf Taiwan zu werfen scheint, ist es kein Umfeld, bei dem man deutliche Kurssprünge erwarten sollte.

 

Umso wichtiger ist ein aktives Management des Vermögens, das wir in den individuellen Schön & Co Vermögensverwaltungen umsetzen. Dort freuen wir uns als konservativer Anbieter über das steigende Zinsniveau, betrachten aber die Nervosität um dieses Thema mit Sorge. Derzeit bestimmt das Marktgeschehen keine fundamentale Betrachtung, sondern weitgehend die Sorge um steigende Zinsen und etwas die Angst vor einer militärischen Eskalation in der Ukraine. Dies beeinflusst aber nicht nur die Kapitalmärkte, sondern hat konkrete realwirtschaftliche Auswirkungen. Neben vielen Rohstoffpreisen selbst schwanken die Kosten für die Logistik und den Warenverkehr extrem. Dadurch wird die Inflationsprognose wesentlich schwieriger als früher. Entsprechend rechnen wir mit einem vorsichtigen Agieren der Notenbanken, so dass es aus unserer Sicht überraschend wäre, wenn sich die US-Notenbank zu einem „großen“ Zinsschritt von 50 Basispunkten oder mehr entscheiden würde.

 

Eine solch großes Maßnahme würde auch die EZB zunehmend unter Zugzwang setzen, weil dann Geld aus dem Euroraum in die höher verzinsten US-Märkte abflösse und damit die Geldverknappung die Marktzinsen auch in Europa nach oben zöge. Die EZB-Präsidentin Lagarde aktuell verdeutlicht, wie wenig sinnvoll eine Zinsanpassung in der Eurozone aus ihrer Sicht aktuell sein. Die EZB betrachtet die Inflation – noch – als temporäres Problem. Diese Positionierung hat dazu geführt, dass die zwischenzeitlich knapp positiv rentierenden Staatsanleihen aus Deutschland wieder in den negativen Bereich fielen, aber natürlich von ihren Tiefst-Renditen weit entfernt sind. Anders als an einigen Stellen zu lesen, hat dies die europäischen Aktienmärkte nicht stabilisiert. Dort wurde einfach nicht so lange gehandelt, weil sich die Kursrückgänge erst im späten Handel am vergangenen Freitag nochmals beschleunigten.

 

Währung mehr als 1,5%. Entsprechend wird es den – negativen – „Nachholeffekt“ am morgigen Montag geben. Dies zeigten auch die Märkte im Nahen Osten, an denen heute gehandelt wurde, aber insbesondere die Entwicklung der Digitalwährungen, die weiter unter Druck kamen. Wer bezweifelt, dass sich der US-Technologiesektor halbieren kann, muss nur auf Bitcoin schauen. Vom Hoch im November 2021 hat sich die Digitalwährung beinahe halbiert. Auch hier sind viele Anleger auf Kredit tätig; hinzu kommen die politischen Spannungen in dem wichtigen „Schürfland“ Kasachstan und die aktuelle Zurückhaltung hinsichtlich weiterer Regulierungen in China. Dies stützt auch den chinesischen Renminbi selbst, während auf Jahressicht 2022 fast alle Währungen – mit Ausnahme des US-Dollars und Mexikanischen Peso – gegenüber dem Euro verloren haben.

 

Profitieren von der aktuellen Marktentwicklung können die Edelmetalle, obwohl eigentlich für Gold und Silber steigende Zinsen „Gift“ sind. Blendet man allerdings die Aufholeffekte aus dem schwachen Edelmetalljahr 2021 aus, zeigen die deutlichen Steigerungen – insbesondere bei Silber – eine Markterwartung, dass die Inflation längerfristig höher als die Marktzinsen bleibt. Auch dies stützt unsere Erwartung einer eher vorsichtigen Zinswende in den USA. Wirklich deutliche Impulse für steigende Zinsen würden nur bei einer Reduzierung der Bilanzsumme der Notenbanken – also dem Entzug von Liquidität durch Verkäufe der Anleihebestände der Notenbanken – erfolgen. Dies ist trotz der Preissteigerungen insbesondere im Energiesektor jedoch nicht wahrscheinlich. Auch in den USA geht man von einer nachlassenden Dynamik der Inflationsentwicklung aus.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.