Überbewertungen von deutschen Immobilien bis zu 30 Prozent

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Marktupdate 03/2022

Markus Schön, Dienstag 18. Januar 2022

 

Das wesentliche Thema im noch relativ jungen Jahr 2022 ist die Zinsentwicklung. In den USA rentieren zehn Jahre laufende US-Staatsanleihen wieder bei fast 1,8% p. a. Würde es die erwarteten drei – oder gar befürchtete vier – Zinserhöhungen geben, könnte dies die Marktzinsen in den USA auf 2,5% bis 3% p. a. treiben. Kaum vorstellbar wäre in einem solchen Szenario eine Null-Zins-Struktur in der Eurozone, die derzeit vielfach noch zu erleben ist. Noch weniger realistisch ist, dass dies keinen Einfluss auf andere Anlageformen hat. Anders ist der auf Jahressicht 2022 deutliche Rückgang bei der US-Technologiebörse um 5% kaum zu erklären. Dort sind viele Unternehmen notiert, die teilweise extreme Verluste schreiben und sich ausschließlich mit Krediten finanzieren. Dieses „Geschäftsmodell“ funktioniert nur, wenn die Kosten der Finanzierung niedrig sind. So erklären sich dann auch die teilweise immens hohen Bewertungen – insbesondere von Unternehmen im Technologiebereich. Umgekehrt sind in diesem Sektor auch viele Unternehmen tätig, die mindestens mittelbar durch die Corona-Pandemie profitiert hatten. An den Kapitalmärkten setzt sich immer stärker die Einschätzung durch, die Omikron-Variante werde die Pandemie beenden. Ob dies jedoch wirklich geschieht, neue Mutationen drohen oder die große Gefahr eines Zusammenbruchs der Lieferketten durch die Infektionen in China drohen, kann man derzeit nicht beurteilen. Insofern ist die Frage einer wirklichen Zinswende derzeit nicht zu beantworten. Dies zeigt auch die Reaktion der Märkte auf die Ausführungen des US-Notenbankenpräsidenten Jerome Powell, der zwar nichts Neues sagte, aber die Wiederholung bekannter Einschätzung eher eine zinsstabilisierende Reaktion auslöste. Deutlich höhere Zinsen können sich die Weltwirtschaft und vor allem viele Staaten nicht leisten. Aber auch die BaFin zeigt mit der Forderung an Kreditinstitute, ihre Risikopuffer bei Immobilien-finanzierungen zu erhöhen, welchen Einfluss steigende Zinsen auch in anderen Sektoren haben könnten. Schließlich geht die Aufsichtsbehörde von bis zu 30% zu hohen Immobilienpreisen aus.

 

Aber auch hier sind die globalen Wahrnehmungen z. T. sehr unterschiedlich. So wurde in New York ein Penthouse zu einem Rekordwert von fast 200 Mio. US-Dollar verkauft. Innerhalb von zwei Jahren hat sich der Preis dort verdoppelt, obwohl New York so stark von der Corona-Pandemie betroffen schien und sich viele Menschen zunächst von der Metropole abwendeten. Auch diese Entwicklung zeigt, wie unvorhersehbar der Einfluss der Pandemie in sehr vielen Lebensbereichen ist. Daher scheint es etwas voreilig zu sein, die Zinswende als gegeben zu betrachten. Auch hier lohnt sich der Blick nach China. Dort ist die Inflation mit 1,5% im Dezember 2021 deutlich gefallen und könnte Vorbote der Rezession sein, die wir in China erwarten. In diesem Fall wird die Entwicklung der Weltwirtschaft sehr herausfordernd; eine Garantie für eine rückläufige Inflationsentwicklung ist dies jedoch nicht. Die Knappheit der Vorprodukte, die häufig in China produziert werden, könnte – neben hohen Energiepreisen – für eine anhaltend hohe Inflation in Europa und den USA sorgen. Schließlich lag die US-Inflation mit zuletzt 7% im Dezember 2021 so hoch wie vor 40 Jahren. Auf Jahressicht 2021 lag die Inflation bei 4,7%. Damit zeigt der Vergleich zwischen November und Dezember 2021 eine nachlassende Inflationsdynamik, die allerdings im Wesentlichen auf die zum Jahresende 2021 rückläufige Energiepreisentwicklung zurückging. Dies hat sich Anfang 2022 bereits wieder umgekehrt. In der Eurozone sind etwas dämpfende Effekte durch den sich abschwächenden US-Dollar spürbar. Aber die Hoffnung auf ein Pandemie-Ende und – vor allem bezogen auf den Gaspreis – geopolitische Sorgen hinsichtlich Russland führen zu steigenden Energierohstoffpreisen. Schließlich gibt es mit Kasachstan und der Ukraine mindestens zwei Konfliktregionen, in denen Russland zunehmend Einfluss gelten macht. Hier entsteht eine neue Machtstruktur, auf die Europa und die USA keine wirkliche Antwort entwickeln. Vielmehr scheint derzeit das „best-case-Szenario“ die Ausweitung von (Wirtschafts-)Sanktionen zu sein. Bisherige Maßnahmen in diese Richtung haben Russland nicht beeindruckt. Eher scheint die Wirtschaft dort robuster geworden zu sein. Lediglich der Russische Rubel wird durch die Spannungen spürbarer belastet. Nach einem sehr starken Jahr 2021 hat er in den ersten Wochen des neuen Jahres knapp 2% verloren, obwohl sich die Energiepreise verteuert haben, was für eine gute Wachstumsdynamik der russischen Volkswirtschaft spricht. Würde der Außenwert der russischen Währung die Leistungsfähigkeit der dortigen Volkswirtschaft widerspiegeln, hätte der Russische Rubel sicherlich weiteres Aufwärtspotenzial von bis zu 10%. Derzeit spielen allerdings die politischen Risiken und die Sorge vor einer deutlichen Zinswende in den etablierten Industriestaaten eine wesentliche Rolle. Kurzfristige Änderungen sind hier nicht zu erwarten, auch wenn in der kommenden Woche der Antrittsbesuch der neuen deutschen Außenministerin Annalena Baerbock ansteht. Dort wird sicherlich auch das Thema der Energieversorgung Europas und damit der neuen Ostsee-Pipeline Nordstream 2 thematisiert. Für die deutsche Volkswirtschaft mit der weiterhin starken industriellen Basis ist es wesentlich, eine Versorgungssicherheit – auch während der Energiewende – zu haben und nicht durch Versorgungsengpässe oder explodierende Preise an internationaler Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen.

 

Dabei zeigte die Pandemie, wie wichtig nationale Versorgungs-sicherheit ist. Die gesamte Produktion nach Asien insgesamt oder China im Besonderen auszulagern, stößt in solchen Krisenzeiten an Grenzen. Deswegen sind eher regionale Produktionskonzepte wichtiger denn je. Auch eine solche Wirtschaftsstrategie spricht gegen deutlich steigende Zinsen, weil sie immense Investitionen – auch in Infrastruktur, Zukunftstechnologien und Digitalisierung – fordert. Hier ist Deutschland im internationalen Vergleich nur begrenzt wettbewerbsfähig. Entsprechend muss man derzeit auf Fehler anderer Volkswirtschaften setzen. In China ist dies der aufgeblähte Immobilienmarkt, dessen Werte nochmals deutlich über dem zu hohen Niveau Deutschlands liegen und damit dort auch Zinsanstiege begrenzen. In den USA könnte dies eine zu aggressive Zinswende sein, die die Wirtschaft dort ausbremst.

 

Schließlich steht der US-Technologiesektor nicht nur für teilweise absolut irrationale Unternehmensbewertungen, sondern auch für viele Arbeitsplätze. Da die Dynamik im US-Arbeitsmarkt ohnehin nachlässt, die Konsumausgaben enttäuschen und die Berichtssaison der Unternehmen eher schwach begann, stellt sich die Frage, wie die weitere Entwicklung aussieht. Die Weltbank reduziert schon jetzt ihre globale Wachstumsprognose. Mit Ausnahme von Aufholeffekten bei chinesischen Technologieaktien ist der Jahresauftakt 2022 an den Aktienmärkten weltweit verhalten. Werte mit einem guten Geschäftsmodell, soliden Finanzen und hoher Zukunftsfähigkeit sind derzeit stärker, was unsere Einschätzung der Bedeutung fundamentaler Daten stützt.

 

Schließlich ist die Frage nicht unwesentlich, ob wir am Beginn einer neuen Krise stehen. Die Konjunkturdaten sind teilweise deutlich schwächer als erwartet. Neben dem deutschen ifo-Geschäftsklima-Index sind vor allem die Daten vom US-Arbeitsmarkt enttäuschend. Deswegen stellt sich die Frage, ob die US-Dollar-Schwäche, die in der zweiten Hälfte der vergangenen Handelswoche zu spüren war, tatsächlich auf die Rede des US-Notenbankpräsidenten zurückgeht oder nicht eine konjunkturelle beachtenswert. Trotz deutlich steigender Corona-Infektionszahlen und damit verbundenen Lockdown gewinnt die Währung mehr als 1,5%. Diese Rückbesinnung auf „Substanz“ bei Unternehmen erscheint nicht nur vor dem Hintergrund – bislang – moderat steigender Zinsen logisch, sondern erklärt sich teilweise auch durch die deutliche Erholung des Euros im Vergleich zum US-Dollar. Dieser rutschte nach den unveränderten, aber eher defensiv interpretierten Aussagen des US-Notenbankpräsidenten weiter ab, obwohl die Wirtschaftskraft deutlich stärker und das Zinsniveau spürbar höher ist. Offensichtlich erwartet man an den Devisenmärkten aber dauerhaft eine so viel höhere Inflation, dass die Geldentwertung diese Vorteile zunichtemachen könnte.

 

Sehr wahrscheinlich ist ein solches Szenario nicht, weil die USA mit einer Verschuldungsquote von 130% der Wirtschaftsleistung eben auch keine nachhaltige Zinswende verkraften können. Durch einen „weichen US-Dollar“ die Verschuldung relativ zu reduzieren, funktioniert in einer international immer stärker verflochtenen Wirtschaft auch zunehmend schlecht. Alle Abwertungswettstreits vor der Corona-Pandemie haben keinen wirklichen Gewinner gehabt. Insofern ist das Experiment der Türkei, Zinsen bei galoppierender Inflation zu senken, spannend. Aber selbst die eigene Bevölkerung glaubt nicht an den Erfolg, sondern setzt auf Edelmetalle, die wieder hinzugewinnen konnten, aber auf Jahressicht 2021 eben auch keine Gewinne aufweisen. Ein starkes Jahr hat bislang nur der Ölpreis, der über 10% gestiegen ist.

 

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