Industrielle Bedeutung in Deutschland auf dem Niveau von 2009

Veroeffentlichungen

Marktupdate 03/2020

Markus Schön, Montag 20. Januar 2020

 

Es war die Handelswoche, in der wesentliche Daten zum Wirtschaftswachstum bekannt wurden. Deutschlands Wirtschaft ist mit 0,6 % so schwach wie seit sechs Jahren nicht mehr. Das Gewicht der Industrieproduktion beträgt nur noch rund 1/5 der gesamten Wirtschaftsleistung. Dies ist u. a. auf einen Produktionseinbruch in der Automobilindustrie um 9 % im letzten Jahr zurückzuführen. Deswegen wird nun über ein staatliches Förderprogramm diskutiert, das ein Volumen von 10 bis 20 Mrd. Euro haben soll und so den Weg in die Elektro-Mobilität ebenen soll, die aber wiederum rund 400.000 Arbeitsplätze in Deutschland bedroht. Trotz der gerade in dieser Branche weit verbreiteten Pläne für einen Arbeitsplatzabbau hat die Bundesagentur für Arbeit einen Überschuss von 2 Mrd. Euro erzielt und trägt so zu dem hohen Überschuss der öffentlichen Hand im Jahr 2019 bei. Entsprechend nehmen die Diskussionen an Fahrt auf, wie dieses Geld zu verwenden sei. Neben dem Abbau der Schulden werden Steuersenkungen und Investitionen immer wieder in die Diskussion gebracht. 

 

Gleichzeitig ist das private Geldvermögen in Deutschland mit 6,3 Billionen Euro so hoch wie nie zuvor. Die heftig umstrittenen Strafzinsen haben also nicht zu einem Rückgang des Vermögens geführt. Sicherlich hat die niedrige Inflation von 1,4 % im Jahr 2019 die Vermögenszuwächse ebenfalls begünstigt. Im Vergleich zum Vorjahr mit einem Wert von 1,8 % ist der Rückgang der Geldentwertung schon wahrnehmbar, weil vor allem der Preisanstieg bei Lebensmitteln sehr gedämpft verlaufen ist. Während diese Entwicklung der EZB nicht gefallen dürfte, zeigte sich in den letzten Tagen ein Erfolg ihrer Geldpolitik. Da es in Deutschland, Österreich und den Niederlanden faktisch keine Zinsen bei Staatsanleihen mehr gibt, werden vor allem Papiere aus Spanien und Italien gekauft. Damit sinken die Renditen dort und nähren sich den wesentlich finanzstärkeren Staaten an. Dies führt zu einer Suche nach mehr Risiko, von der Private-Equity-Anbieter und Start-ups profitieren. In diese Sektoren ist so viel Geld wie nie zuvor geflossen. Diese alternativen Finanzierungsmöglichkeiten nehmen Kreditinstituten Geschäftsansätze. Daher lässt die Dynamik im Kreditwachstum deutscher Banken nach und eine (weitere) Ertragsquelle verliert an Bedeutung. Dabei liegt die Gewinnmarge deutscher Banken und Sparkassen im Durchschnitt ohnehin bei nur noch 0,4%. Selbst italienische Banken fahren mehr als 10 Mal so hohe Gewinne ein.

 

Es ist noch nicht lange her, da waren deutsche Kreditinstitute Weltmarken. Vor 25 Jahren war die Deutsche Bank das größte Kreditinstitut der Welt. Es war eine beeindruckende Managementleistung, sich gegen die wesentlich weniger stark regulierten Banken aus den USA und zunehmend Asien zu behaupten, zumal der deutsche Markt durch das 3-Säulen-Modell für Großbanken damals keinen starken Heimatmarkt ermöglichte. Nun sind deutsche Banken in der Rendite Schlusslicht in Europa und werden hinsichtlich der Höhe ihrer absoluten Gewinne mit griechischen Banken verglichen. Dies sollte ein Warnsignal für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland sein: Wenn man zu lange auf alte Strukturen setzt, ist man schneller Vergangenheit als man erwartet. Das Problem ist aber, dass es in Europa nicht viel anders aussieht. In Frankreich wird es keine Veränderung des Renteneintrittsalters geben und auch andere Reformen scheinen auszubleiben. Der französische Präsident Macron ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Dies ist eine Erfahrung, die auch andere in den letzten Monaten machen mussten, wenn sie von Veränderungen überrollt wurden. Deswegen ist es so wichtig, dass Deutschland wieder in einen Innovationswettkampf einsteigt. Die Wettbewerber finden sich aber eben nicht in Europa, sondern in Asien und teilweise in den USA. Selbst Russland stellt die politischen Weichen Richtung Zukunft. Ob die vom russischen Präsidenten Putin gestellten Weichen der richtige Weg sind, kann man ja bezweifeln, selbst wenn die Ansprüche an eine Demokratie eines so großen Staates sicherlich anders als in Deutschland verstanden werden müssen. Aber die Staaten tun etwas. Dies gilt auch insbesondere für China, dessen Wachstum so schlecht wie seit 1990 nicht mehr gewesen ist. Relativ betrachtet ist die Wachstumsrate von 6,1 % tatsächlich der niedrigste Wert seit 29 Jahren, absolut betrachtet wächst China inzwischen aber mehr als doppelt so stark wie vor 30 Jahren. Zudem findet dort eine qualitativ wesentlich bessere Wertschöpfung statt. Von der „Werkbank der Welt“ entwickelt sich die Volkswirtschaft zu einem Innovationsmotor, der zunehmend in direkter Konkurrenz zum Silicon Valley steht. Nun haben die USA hier Vorteile, die Donald Trump durch Abschottung zu schützen versucht. Daher war die Unterzeichnung des Phase-I-Abkommens zur Beendigung der Handelsstreitigkeiten nur ein Medienereignis. Die Strafzölle bleiben in Kraft; es soll lediglich mehr bilateraler Handel stattfinden. Davon profitiert Deutschland nur mittelbar. Die Entscheider für den zukünftigen Wohlstand sitzen nicht in Berlin, sondern in Peking, Washington und vielleicht sogar Moskau. Hier muss wieder mehr wirtschaftspolitische Dynamik einsetzen.

 

Niedrige Zinsen sind kein Allheilmittel. Vielmehr zeigt die Entwicklung der Gewinne deutscher Kreditinstitute die entstehenden Risiken. Wenn dies ausschließlich auf das Zinsniveau zurückzuführen wäre – was es nicht ist –, wird sehr deutlich, wie dramatisch die Risiken dann bezogen auf die gesamte Eurozone ansteigen, wenn sich die Zinsen auch für südeuropäische Staatsanleihen der Nulllinie annähern. Deswegen war die Vielzahl der Neuemissionen in der letzten Woche etwas enttäuschend. Außer Kreditinstituten haben kaum Unternehmen neue Anleihen aufgelegt. Vordergründig bestätigt dies den Trend der nachlassenden Dynamik in der Kreditvergabe. Tatsächlich sind aber viele Unternehmen mit der Bewertung der unsicheren Aussichten beschäftigt und agieren daher eher verhalten. Auch auf der Zinsseite ist in den USA eine völlig andere Dynamik zu verzeichnen, was dort neben dem staatlichen Finanzbedarf die Verschuldung weiter nach oben treiben wird. Der wirtschaftspolitische Vergleich Europa zu den USA ist ein bisschen wie ein Pokerspiel. Während die USA ständig den Einsatz erhöhen, versucht Europa das Tempo herauszunehmen, um das Spiel (vielleicht besser) und vor allem umfassender zu verstehen.

 

Damit wiederholt sich auch finanzpolitisch das gesamte Bild Europas: Statt Weiterentwicklungen voranzutreiben, sollen Risiken reduziert und der Status quo erhalten bleiben. Stillstand ist aber Rückschritt, wie die Entwicklung des Außenwerts des Euros sehr schön zeigt. Der Währungskurs spiegelt eigentlich die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft wider. Dies ist in den letzten Jahren etwas aus dem Fokus geraten, weil Japan, die USA und auch China immer um eine Abwertung ihrer eigenen Währung bemüht waren. Lediglich die EZB präsentierte sich als Hüter fairer Währungskurse. Tatsächlich konnte aber gerade der von Donald Trump immer schwach geredete US-Dollar im letzten Jahr deutlich hinzugewinnen. Auch aktuell hat er die Marke von 1,11 wieder überschritten. Dies liegt neben dem Fortgang des Amtsenthebungsverfahrens in den USA vor allem an der derzeit an den Kapitalmärkten vorherrschenden Einschätzung, dass die europäische Wirtschaft den USA zu wenig entgegensetzen kann und beispielsweise bei der Umsetzung der – wieder einmal – angedrohten Strafzölle diesen mehr oder weniger hilflos gegenüberstünde. Entsprechend groß bleiben die Abwärtsrisiken beim Euro. Es ist also keine Phase der US-Dollar-Stärke, sondern eine Phase der Schwäche der europäischen Gemeinschafts-währung, von der dann auch die rohstoffnahen Währungen aus Australien, Neuseeland, Mexiko und Russland profitieren werden.

 

Die vordergründige Entspannung zwischen den USA und dem Iran hat auch den Anstieg der Ölpreise relativ deutlich gestoppt. Entsprechend dürfte der Anstieg der Inflation auch in diesem Monat weiter moderat verlaufen, was ein weiteres Argument für niedrige Zinsen in der Eurozone ist und bleibt. Dennoch behaupten sich in diesem Umfeld die Edelmetalle Gold und Silber sehr gut. In diesem Segment ragt Palladium heraus, das nicht nur ein Rekordhoch nach dem nächsten aufstellt, sondern nunmehr fast 60 % höher als Platin bewertet ist. Von den industriellen Verwendungsmöglichkeiten sind beide relativ austauschbar, so dass hier irgendwann eine entsprechende Gegenbewegung einsetzen wird. Aber derzeit scheint hier – ebenso wie bei anderen Anlageformen – zu gelten: The trend is your friend. Die damit vorhandenen Chancen im Edelmetallsektor kann man derzeit eher mittelbar nutzen, in dem man Luxusgüterkonzerne wie Richemont beimischt, die sehr solide Ergebnisse insgesamt erwirtschaften. Spannend ist die weitere Entwicklung im Bereich der fossilen Energieträger, auf die das Wachstum in Asien sehr stark auch zukünftig aufbauen wird. Entsprechend dürften dort – trotz der gegenteiligen Bemühungen in Deutschland – die Nachfrage eher steigen und damit auch die Preise unter starken Schwankungen moderat hinzugewinnen können. Neben Silber ist Glencore eine Möglichkeit, von diesen Chancen zu profitieren.

 

Der Handelsauftakt am kommenden Montag dürfte relativ entspannt sein. In den USA ist ein Börsenfeiertag, so dass viele Marktteilnehmer fehlen. Positiv könnte sich die Einigung zu dem Konflikt in Libyen bemerkbar machen. Diesen außenpolitischen Schwung sollte die Bundesregierung nutzen, um nun auch wirtschaftspolitisch mutiger zu agieren und nicht so passiv zu bleiben. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist gering. Entsprechend dürften sich viele Marktsegmente eher seitwärts entwickeln. Größeres Aufwärtspotenzial ist vor allem weiter bei Fremdwährungen gegeben, während der Ölpreis noch etwas fallen könnte. Bei Anleihen profitiert man derzeit eher vom Zinskupon und weniger von den weiterhin Seitwärts-Kursen.