Kapitalmarkt 2023

Marktupdate 02/2023

Markus Schön, Dienstag 10. Januar 2023

In der Kumulation der Rückgänge in den unterschiedlichen Anlageklassen ist mit 2022 vermutlich das schlechteste Jahr aller Zeiten zu Ende gegangen. Die von vielen erhoffte Jahresendrallye blieb ebenso wie eine Erholung der Anleihemärkte aus. Dafür begann 2023 relativ verheißungsvoll. Die Anleihen haben ihre Verluste der zweiten Dezemberhälfte im Wesentlichen ausgeglichen. Die Aktienmärkte – gerade in Deutschland und teilweise auch in China – zeigten sich sehr stark. Vielfach sind die größten Verlierer des Jahres die Favoriten des Folgejahres. Dies stützt Konsumwerte wie Zalando oder den gesamten Chemiesektor. Schließlich kommt es in Europa konjunkturell wohl nicht so schlimm wie ursprünglich gedacht. Auch die vielfach schon fast panikartig ausgerufene Gasknappheit scheint in Europa nicht mehr zu drohen. Dabei ist beim Krieg in der Ukraine keine Entspannung zu erkennen. Vielmehr droht eine weitere Eskalation, wenn nun westliche Staaten Schützen- und ggf. sogar Kampfpanzer liefern. Die damit verbundenen Risiken werden global ebenso wenig wahrgenommen wie die Folgen der Corona-Pandemie in China. Dort scheinen sich jede Woche mehrere Millionen Menschen erstmals mit dem Virus zu infizieren und viele Verläufe scheinen so schlimm zu sein, dass – auch in Folge völlig überlasteter Krankenhäuser – täglich bis zu 15.000 Menschen sterben. In einem nicht unwahrscheinlichen Szenario wird China am Ende dieses unkontrollierten Infektionsgeschehens 1 Mio. Tote zusätzlich zu beklagen haben. Dies kann eine Belastung für die globalen Lieferketten werden und die gerade – analog zu unserer Erwartung – deutlich sinkende Inflation wieder anfachen. Dann dürfte sich unsere positive Einschätzung für das Anlagejahr 2023 etwas relativieren. Derzeit erwarten wir aber, dass in vielen Fällen in den kommenden zwölf Monaten Gewinne in den Schön & Co Mandaten erzielt werden, die die Rückgänge der letzten Monate deutlich übertreffen. Schließlich gibt es wieder Zinsen und die laufenden Renditen in allen Mandaten unserer Kunden sind positiv. Es bleibt dabei: Jetzt ist die Zeit, um in Anleihen zu investieren, auch wenn die Erholung einzelner Papiere zum Jahresanfang 2023 beeindruckend war. Auch die Nachfrage nach Neuemissionen zeigt, wie groß der Anlagebedarf – gerade im Bereich der konservativen Anlagen – weiterhin ist. Da die Notenbanken signalisieren, mindestens die Dynamik ihrer Zinserhöhungen zu reduzieren, wird spannend sein, wann sich die Marktkräfte durchsetzen und die Liquidität zurück in Aktien und vor allem Anleihen fließen wird. Diese Bewegung wird umso stärker ausfallen, da die letzten Monate gezeigt haben, wie groß die Verluste bei vermeintlich „sicheren“ Aktien wie beispielsweise der Google-Muttergesellschaft Alphabet sind, deren Kurs-Gewinn-Verhältnis unter der US-Baumarktkette Home Depot liegt.

 

In einem negativen Sinne unübertroffen ist allerdings Tesla. Das Unternehmen hat mehr als 70% seines Wertes verloren und findet auch zum Jahresauftakt 2023 keinen Boden. Um überhaupt noch Fahrzeuge verkaufen zu können, muss Tesla insbesondere in China noch größere Rabatte gewähren. Wir bleiben bei unserer Auffassung, dass der faire Wert des Unternehmens knapp oberhalb von 0 Euro liegt. Mit dieser Einschätzung konnten spekulativ orientierte Anleger Milliardensummen verdienen. Ebenso werden im Jahr 2023 auch Unternehmen vom Markt verschwinden, deren Geschäftsmodell nicht überzeugt. Umgekehrt werden Werte wie Volkswagen, LVMH, Ferrari oder Klöckner&Co neue Höchststände erreichen. Deswegen bleibt unabhängige Expertise so wichtig. Schließlich werden nicht alle Aktien und Anleihen von dem freundlichen Umfeld gleichermaßen profitieren. Da die Zeit von global „Null“-Zinsen vorbei ist, wird sich in den nächsten Monaten Qualität wieder stärker in den Fokus rücken, als es bis 2021, aber auch noch 2022 der Fall war. Es werden also Sektoren stärker als andere Bereiche profitieren. So erholen sich die chinesischen Technologiewerte – trotz der Corona-Pandemie – stärker als der Gesamtmarkt und stärker als vergleichbare Aktien. Daneben muss man grundsätzlich die Frage stellen, welche Anlageformen besonderes Potenzial haben. Neben vielen Anleihen und einigen Aktien wird dies vor allem für Silber und Platin im Rohstoffbereich und die chinesische Währung sowie rohstoffnahe Währungen gelten. Umgekehrt dürften Werte wie Tesla oder Delivery Hero, deren Geschäftsmodell keine Mehrwerte bietet, deutlich unter Druck bleiben und eher zu den Verlierern zählen. Daher ist die Meinung von vielen Analysten, dass man „alles“ kaufen kann, weil 2023 „alles“ steigen wird, nicht nur zu kurz gedacht, sondern schlicht falsch. Da die Politik des ganz billigen Geldes – mindestens vorerst – zu Ende ist, müssen Unternehmen den Nachweis erbringen, nicht nur die Kapitalkosten zu verdienen, sondern wirkliche Mehrwerte zu schaffen. Natürlich müssen dafür auch die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen passen. So wäre – neben der Beendigung des menschlichen Leides – ein Ende des Kriegs in der Ukraine ebenso wichtig wie stabile politische Verhältnisse, die es nach dem „Wahldrama“ in den USA und einem Sturm auf das Parlamentsgebäude in Brasilien immer weniger zu geben scheint.

 

Auch diese, global besorgniserregenden Entwicklungen zeigen, wie wichtig sichere Anlagen sind. Dies erklärt möglicherweise, weshalb selbst eher „substanzschwache“ Staaten in Europa wie Irland oder Portugal bei Neuemissionen auf eine nahezu unbegrenzte Nachfrage stoßen. Während diese Staaten – wohlgemerkt immer noch bei niedrigen Handelsvolumina – insgesamt 6,5 Mrd. Euro emittieren wollten, hätten sie über 50 Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen können. Es gibt weiterhin einen unvorstellbaren Anlagebedarf, der durch die gestiegenen Zinsen zunehmen wird. Schließlich fließen allein bei diesen Neuemissionen nun jährlich 200 Mio. Euro mehr an Zinsen als vor einem Jahr. Vermutlich steigt allein aus zusätzlichen Zinseinnahmen 2022 der Anlagebedarf um 20 Mrd. Euro – pro Jahr.

 

Dem kann man nun entgegenhalten, dass die Notenbanken durch ihren Bilanzabbau ja viel größere Beträge den Märkten entziehen. Da aber Notenbanken wie in Japan oder in China – teilweise mit größeren Schwankungsbreiten – expansiver werden, relativiert sich dieser Abbau in den westlichen Industriestaaten. Das global vorhandene Geld steigt und die Vermögen – insbesondere in Asien – nehmen auch immer weiter zu. Von der Lockerung der Einfuhrbestimmungen in Indien und der Aufgabe der Corona-Beschränkungen in China wird die Weltwirtschaft insgesamt, aber gerade auch Luxuskonzerne im Besonderen profitieren. Daher ist es wahrscheinlich, dass der LVMH-Mehrheitsaktionär Arnault auch am Ende des Jahres 2023 der – „offiziell“ – reichste Mensch der Welt sein wird, während Elon Musk weiter zurückfallen wird.

 

Schließlich leidet der Tesla-Gründer nicht nur unter der Schwäche des von ihm gegründeten Konzern; bei dem von ihm übernommenen Kurznachrichtendienst Twitter werden nicht einmal mehr die Mieten gezahlt. Möglicherweise ist Musk also reich an u. E. wertlosen Tesla-Aktien, über unternehmerische Substanz verfügt er so nicht. Gleichzeitig ist die Stimmung in den USA relativ schlecht. Die dortige Notenbank hat hinsichtlich der Zinserhöhungen überzogen, was inzwischen nicht einmal der US-Währung hilft. Trotz robuster Arbeitsmarktdaten dürfte der Druck auf die US-Notenbank zunehmen, geldpolitisch zu entspannen.

 

Davon werden insbesondere die Edelmetalle profitieren, die zunächst unter den Zinssteigerungen litten, aber sich zum Jahresende 2022 stabilisieren konnten. Zusammen mit einer Erholung der Konjunktur vor allem in China dürften damit auch industriell benötigte Rohstoffe hinzugewinnen. Die Aufschläge dort werden aber viel niedriger ausfallen und so Druck aus dem Markt hinsichtlich der weiteren Inflationsentwicklung nehmen. Derzeit geht dies vor allem von den Energierohstoffen aus, die durch die gedämpfte Nachfrage unter den Werten vor dem Kriegsausbruch liegen. Hier erwarten wir weitere Preisrückgänge.

 

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.