DAX-Allzeithoch... richtig weit weg

Veroeffentlichungen

Marktupdate 02/2020

Markus Schön, Montag 13. Januar 2020

 

Um das Geschehen in der ersten „vollen“ Handelswoche an den Kapitalmärkten zu verstehen, ist es hilfreich, sich eine Zauber-Show vorzustellen. Die Aufmerksamkeit der dortigen Zuschauer wird fast immer auf das Spektakuläre gelenkt, damit die häufig vorhandene Einfachheit der Tricks übersehen wird.

 

Entsprechend zog der Konflikt zwischen den USA und dem Iran sehr viel Aufmerksamkeit auf sich. Politisch sind die Entwicklungen weiterhin dramatisch. Die vielfach wahrgenommene Deeskalation ist bei Weitem nicht so sicher, wie dies vielfach dargestellt wird. Dies zeigten heute neue Raketeneinschläge auf einem auch von den USA genutzten Militärstützpunkt. Volkswirtschaftlich und global ökonomisch liegen die Risiken dieses Konflikts allerdings ausschließlich auf der Seite der Rohstoffpreisentwicklungen. Würde es zu einer Knappheit an Energierohstoffen kommen, würde diese Knappheit oder die in der Folge deutlich gestiegenen Preise die Wirtschaft belasten. Bei einer Entspannung der Situation käme man aber nur auf den Status zurück, in dem sich die Weltwirtschaft schon vorher befunden hat. Die Phase der Unsicherheit setzt sich einfach weiter fort.

 

Ein zweites Thema mit großer medialer Wahrnehmung ist Australien. Die dortigen Buschbrände sind verheerend und werden als eine Folge des Klimawandels betrachtet. Dies spielt an den Kapitalmärkten eine untergeordnete Rolle. Seit der Ankündigung der australischen Regierung, den Wiederaufbau mit Staatshilfe sicherzustellen, gewinnt der Australische Dollar wieder an Wert und ist von seinen Tiefstständen aus dem letzten Jahr weit entfernt. Als entsprechend leistungsstark wird die australische Volkswirtschaft eingestuft, die mit ca. 0,3 % Anteil an der Weltbevölkerung für 1,1 % der weltweiten CO²-Emissionen verantwortlich ist. Daran wird sich nichts Wesentliches ändern, da weiterhin in fossile Brennstoffe investiert wird.

 

In diesem Zuge kam der deutsche Industriekonzern Siemens unter medialen Druck, da er mit seiner Bahntechnologie zur Errichtung eines neuen Kohlebergwerks beiträgt. Sehr öffentlichkeitswirksam wurde sogar hinterfragt, ob Siemens aus einem laufenden Vertrag aussteigen sollte, um jetzt den Klimaaktivisten entgegenzukommen. Aus unserer Sicht richtigerweise hält sich das Unternehmen an die geschlossenen Verträge gebunden. Zu hinterfragen ist allerdings, ob man die Entscheidung für eine Beteiligung an diesem seit Jahren heftig umstrittenen Projekt nicht früher hätte prüfen müssen. Schließlich muss Deutschland die Technologieführerschaft in allen Industriebereichen anstreben, die Zukunftsperspektiven bieten. Der Kohlebergbau zählt – hoffentlich – nicht dazu.

 

Viel weniger beachtet, aber für den Wirtschaftsstandort Deutschland möglicherweise von viel grundlegenderer Bedeutung ist die Forderung des Stahlkonzerns Salzgitter, eine Umstellung der deutschen Stahlproduktion auf ökologische Nachhaltigkeit staatlich zu unterstützen. Schließlich findet der Wettbewerb in dieser Branche u. a. mit China und Indien statt, bei denen die ökologischen Standards teilweise deutlich niedriger sind. Bei den heutigen Rahmenbedingungen wird am Ende sehr viel industrielle Produktion in Regionen mit niedrigeren Umwelt- und Sozialstandards abfließen, weil es in anderen Regionen zu teuer wird. Der schon seit vielen Jahren vorhandene Nachteil für Staaten wie Deutschland wird sich massiv zuspitzen, wenn es nicht gelingt, weiterhin – und in manchen Bereichen wieder – Innovationsführer zu sein.

 

Schließlich findet am „point of sale“ eine Abstimmung statt, die im deutlichen Widerspruch zu der Klimadiskussion steht. Die Flugreisen nehmen weltweit zu. Selbst bei den ökologisch besonders kritisch einzustufenden Privatjets gibt es teilweise zweistellige Nachfragezuwächse. Das Wachstum der Automobilkonzerne entsteht vor allem im Bereich der SUV, was bei Premiumherstellern wie gerade BMW zu neuen Absatzrekorden geführt hatte. Dennoch liegt die Aktie mehr als 20 % unter ihren Höchstständen und bestätigt damit einen Trend: Zyklische Werte sind „pfui“, während Technologiewerte überwiegend auf Allzeithochs notieren. Allerdings sind rund 90 % der Menschen weltweit nicht in Technologieunternehmen beschäftigt. Eine vollständige Digitalisierung würde also zu einer ungeahnten Massenarbeitslosigkeit führen und die Wirtschaftskrise der 1920iger Jahre deutlich übertreffen.

 

Die Wahrscheinlichkeit für eine solche Entwicklung ist derzeit niedrig. Von einer weiteren Automatisierung industrieller Fertigungsprozesse würde Deutschland eher profitieren. Die Entwicklungen zeigen aber vor allem, wie trügerisch die Berichterstattungen über ein mögliches Allzeithoch beim DAX sind. Im Jahr 2018 hatte der DAX sein Jahreshoch bei knapp 13.560 Punkten. Es war übrigens das Jahr, in dem viele Anleger, die wenig aktienaffin und -erfahren waren, hohe Verluste erlebten. Am Jahresende stand im gesamtjahresvergleich ein Minus von fast 20 %; vom Hoch hatten die Aktien knapp 30 % verloren. Da es sich aber beim DAX um einen Performance-Index handelt, in dem die Dividenden berücksichtigt werden, läge das zum Jahr 2018 vergleichbare Allzeithoch bei ca. 14.250 Punkten. Dies sieht man sehr deutlich, wenn man den Vergleich mit dem DAX-Kursindex vornimmt. Dieser liegt noch ca. 7 % unter dem Allzeithoch. Sowohl im kurzfristigen wie auch im langfristigen Vergleich sind damit Unternehmensanleihen den ungleich risikoreicheren Aktien deutlich überlegen.

 

Dies gilt auch gerade in einer makroökonomischen Betrachtung für die nächsten Monate. Ohne große öffentliche Wahrnehmung hat Frankreich nun den Protesten stattgegeben und wird das Renteneintrittsalter dort nicht auf die durchschnittlich angestrebten 64 Jahre anheben. Es bleibt im Wesentlichen bei der bestehenden Regelung, die letztlich in einer bestenfalls stagnierenden Volkswirtschaft nur mit neuen Schulden finanziert werden kann. Aber auch in Deutschland schmelzen die Haushaltsüberschüsse zusammen, obwohl wichtige Investitionen ausbleiben. In der Bildung fällt Deutschland immer weiter zurück, während in der digitalen Infrastruktur man inzwischen das Niveau eines Schwellenlandes hat. Eine wirklich dynamische Auflösung dieses Investitionsstaus ist nur möglich, wenn massiv investiert würde. Stattdessen gibt es Diskussionen um Enteignungen und Verstaatlichungen aus der Führung einer Deutschland auf Bundesebene mitregierenden Partei. In Großbritannien signalisiert die Notenbank, das Leitzinsniveau von derzeit 0,75 % p. a. ggf. senken zu wollen, wenn sich im Zuge des Brexits die Wirtschaftsaussichten eintrüben. Die das Wachstum im sonstigen Europa tragenden Konsumausgaben sind in Großbritannien erstmals seit 25 Jahren bereits gefallen. Daher wird das Zinsniveau global niedrig bleiben und ggf. noch weiter sinken.

 

Erfreulicherweise nehmen aber die Neuemissionen in den nächsten Tagen und Wochen wieder an Fahrt auf, so dass es eine Vielzahl von Anlagechancen geben wird. Eine Emission einer zehn Jahre laufenden Bundesanleihe hat allerdings gezeigt, wie wichtig es ist, zu geeigneten Zeitpunkten an den Markt zu gehen. Diese mit -0,25 % p. a. weiterhin deutlich negativ verzinste Emission war deutlich unterzeichnet. Das Angebot lag also deutlich über der Nachfrage. Letztlich liegt dies an einem sehr zögerlichen Jahresauftakt 2020, in der die Kursfindung teilweise immer noch aufgrund der Handelsvolumina relativ willkürlich ist.

 

Natürlich ist dies auch auf die vorhandene Unsicherheit zurückzuführen, durch die man als mittel- und langfristig orientierter Investor aber etwas „hindurchsehen“ sollte. Entscheidend auf dem Weg zu einem neuen „Allzeithoch“ beim DAX wird sein, wie die Entwicklung im Nahen Osten weitergehen wird und wann die erste Stufe des Handelsabkommens zwischen China und den USA unterzeichnet werden wird. Nach Kommentaren des US-Präsidenten Donald Trump wird der angestrebte Termin am 15.01.2020 nicht gehalten. Entsprechend könnte dies tatsächlich ein neuer Belastungsfaktor für die Weltwirtschaft sein. Auf der Zinsseite werden diese Unsicherheiten Marktchancen bieten, so dass man sukzessive Liquidität abbauen kann. Hierzu zählen natürlich weiterhin Fremdwährungsanleihen, bei denen man wie beispielsweise beim US-Dollar von deutlich höheren Zinsen und einem leichten Währungsanstieg in den letzten Tagen profitieren kann.