DAX unter 13.000 Punkte - wie geht das Jahr 2020 weiter?

Veroeffentlichungen

Marktupdate 01/2020

Markus Schön, Montag 06. Januar 2020

 

Die ersten zwei Handelstage des Jahres 2020 erinnerten etwas an den Silvester-Klassiker „Dinner for One“ – derselbe Ablauf wie immer. Alle Marktteilnehmer, die von steigenden Kursen bei Aktien profitierten, riefen ein wunderbares Aktienjahr 2020 aus und sahen sich am ersten Handelstag direkt bestätigt. Der Anstieg war tatsächlich verwunderlich, da die konjunkturellen Nachrichten eher durchwachsen ausfielen und die Sorge um einzelne Unternehmen und die konjunkturelle Entwicklung insgesamt weiter vorhanden waren. Die Abwärtsrisiken scheinen insgesamt gesunken zu sein, aber aufgelöst haben sie sich eben nicht.

 

Deswegen kam es nach der Eskalation im Nahen Osten am Freitag zu einer deutlichen Abwärtsbewegung, in der der DAX zwischenzeitlich fast 300 Punkte verloren hatte. Dieser Rückgang war dann wieder Wasser auf die Mühlen der Crashpropheten, die aus der Zuspitzung zwischen den USA und Iran das Ende der Weltwirtschaft interpretierten. Natürlich ist dies Unsinn.

 

Aber ebenso großer Unsinn ist, auf ein wunderbares Ergebnis an den Aktienmärkten in diesem Jahr zu rechnen. Die Gewinnerwartungen der Unternehmen sind ungefähr auf dem Niveau des Jahres 2015; insbesondere die US-Aktienmärkte liegen jedoch in ihrem Bewertungen 50% über den damaligen Kursniveaus. Wenn es jetzt noch zu einer Zinswende käme, würden diese Bewertungen sehr schnell korrigiert.

 

Jedoch zeigt die Ankündigung Chinas, die Geldpolitik lockern zu wollen, dass die Hoffnungen auf steigende Zinsen zumindest kurzfristig eine Utopie darstellen. Vielmehr muss die Geldpolitik global expansiv bleiben, weil die wirtschaftlichen Risiken durch die Eskalation im Nahen Osten massiv gestiegen sind. Dies wird sich nicht unmittelbar bemerkbar machen, weil der Iran keine direkte militärische Auseinandersetzung mit den USA suchen wird. Tatsächlich wird man die Politik der gezielten Nadelstiche fortsetzen, um sich als entscheidende Ordnungsmacht im Nahen Osten zu etablieren. Damit werden auch die Demokratiebemühungen im Irak erschüttert und die Region immer weiter destabilisiert.

 

Dies ist aber gerade für Europa eine fatale Entwicklung, weil damit die Energiesicherheit immer stärker ins Wanken kommt. Gegen die russische Energieversorgung mit einer weiteren Pipeline haben die USA Sanktionen verhängt. Nun drohen möglicherweise Beeinträchtigungen durch iranische Vergeltungsaktionen auf Erdöl- oder Erdgasfelder in Saudi-Arabien oder wichtige Handelswege. Nachhaltig deutlich steigende Preise für Energierohstoffe würden dann die bislang weiterhin sehr moderate Inflation – wahrscheinlich 1,4% im Jahr 2019 – anheizen, ohne dass dies zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage führen würde. Das Risiko einer „Stagflation“ – also einer wirtschaftlichen Seitwärtsbewegung bei steigender Inflation – würde dann wieder wesentlich realer. Dies wäre geldpolitisch fast genauso schwierig wie eine Deflation zu bekämpfen. Insofern wird im Anlagejahr 2020 sehr viel von dem geldpolitischen Geschick der Notenbank und einer weltweit vorausschauenden Wirtschaftspolitik abhängen. Hier zeichnet sich Europa gar nicht und die USA geldpolitisch in Maßen aus. Letztlich bleibt von den großen Wirtschaftsräumen nur Asien unter der Führung Chinas mit einer guten Geldpolitik und einer zufriedenstellenden Wirtschaftspolitik. Dies ist zu wenig, um in einer gesamtpolitisch immer unsicheren Lage für Stabilität zu sorgen.

 

Entsprechend werden im Jahr 2020 auch wieder viele „Klassiker“ gefragt sein. Edelmetalle dürften sich erfreulich entwickeln. Hier hat Silber deutlich mehr Potenzial als Gold. Fluchtwährungen wie der Schweizer Franken und der Japanische Yen dürften ebenfalls gefragt sein. Es ist jedoch eine zunehmend mutige Wette, dass die möglichen Währungsaufwertungen die vielfach negativen Zinsen kompensieren können. Deswegen bleiben die „Dollars“ insbesondere aus Australien, Neuseeland und den USA interessant. Neben dem Mexikanischen Peso könnte auch – trotz aller dort ebenfalls populistischen politischen Themen – der Brasilianische Real wieder interessanter werden. Solche Beimischungen gleichen das insbesondere auch in Deutschland niedrige Zinsniveau zumindest teilweise aus. Dennoch werden auch deutsche Bundesanleihen zu den gefragten „Klassikern“ zählen.

 

Die Sachwertdiskussion wird auch immer wieder Chancen bei Aktien eröffnen. Tatsächlich dürfte hier aber – losgelöst von Schwankungen – das beste Szenario eine Seitwärtsbewegung sein. Neben den teilweise unrealistischen Bewertungen lassen die globalen Innovationen und der Zuwachs der Produktivität nach. Deutlichere Impulse könnten hier von Schwellenstaaten ausgehen, deren Wachstum jedoch auch durch die Handelskonflikte und möglicherweise weiter steigende politische Unsicherheiten gebremst wird. Zudem müssen dort die Produktionsbedingungen kritisch hinterfragt werden, um die globale Umweltpolitik wirklich deutlich voranzubringen. Dies geht derzeit nur mit weniger Wirtschaftswachstum.

 

Um aber gleichzeitig die Lebensstandards global zu verbessern, müssen weltweit Zinsen und Inflation niedrig sein. Andernfalls drohen – wie teilweise in Südamerika – schwere politische Konflikte in einzelnen Staaten. Auch dies kann eine Beeinträchtigung für das globale Wachstum sein.

 

Ein gutes Jahr 2020 auf der Zinsseite und bei den bereits beschriebenen Klassikern erscheint damit schon relativ wahrscheinlich. Wesentlich für ein insgesamt gutes Börsenjahr – inklusive der Aktien – ist eine politische Entspannung und ein stärkeres globales Miteinander. Hier waren die ersten Tage des noch jungen Jahres nicht sehr ermutigend.

 

Deswegen bleibt ein konservativer und unabhängiger Blick auf die Entwicklungen an Kapitalmärkten von wesentlicher Bedeutung. Nur so lassen sich Chancen nutzen und Risiken vermeiden. Während viele Marktteilnehmer auf Systeme setzen, die vermeintlichen Trends folgen und immer stärker computerbasierte Modelle einsetzen, ist der wesentlich erfolgversprechendere Ansatz, unabhängig und mit einem ganzheitlichen Blick zu agieren. So zeigten am ersten Handelstag nahezu alle Analysen auf eine weitere Abschwächung des US-Dollars im Vergleich zum Euro. Tatsächlich setzte aber eine gegenteilige Bewegung ein, die natürlich teilweise auf den Charakter der US-Währung als „sicherer Hafen“ zurückzuführen war, aber auch aus den relativ schwachen Konjunkturdaten in Europa und der unklaren politischen Positionierung resultierte. Deswegen sollte man – gerade in dieser Phase der hohen Unsicherheit – die Sachverhalte ganzheitlich betrachten und weiter vorsichtig agieren.

 

Ein Problem an den Märkten wird sich jedoch nun in den nächsten Tagen sukzessive lösen: Die geringen Handelsvolumina werden wieder nach und nach auf normale Niveaus zurückkehren. Dann sind insbesondere bei Zinspapieren auch wieder Volumina verfügbar, bei denen man aktives Management gestalten kann. Bei Aktien werden dann die Ausschläge weniger stark ausfallen. So verwunderte die Heftigkeit des Kursrutsch bei Lufthansa schon etwas. Betrachtete man aber die Handelsvolumina konnte man erkennen, dass relativ kleine Stückzahlen ausreichten, um die Aktie deutlicher als zumindest am letzten Freitag gerechtfertigt fallen zu lassen.

 

Dennoch sollte man nun nicht direkt morgen wieder „voll“ investieren, sondern abwarten, bis sich die Märkte stabilisieren. Die Ankündigung des Iran, sich nicht mehr an das mit den europäischen Staaten noch bestehende Atomabkommen halten zu wollen, ist keine gute Nachricht und zeigt, wie groß die Risiken in der Region sind. Dies wird die Kapitalmärkte mindestens in den nächsten Tagen beschäftigen. Daher ist es sinnvoll, Liquidität vorzuhalten und die nun entstehenden Marktchancen sukzessive zu nutzen.