Italien wichtiger als Gas

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21.07.2022

Wenn man der vielfach aufgeregten Berichterstattung Glauben schenken wollte, ist heute der wichtigste Tag des Jahres. Am 21.07.2022 entschied sich angeblich, ob Deutschland im Winter frieren muss. Schließlich endete heute die jährliche Wartung der Gas-Pipeline Nord Stream 1. In den Vorjahren gab es die Wartungsphasen auch, aber es herrschte eben kein Krieg, der nicht nur eine Drosselung, sondern einen vollständigen Stopp der Gaslieferungen nach sich ziehen konnte. Die gute Nachricht ist: Es fließt wieder Gas, aber genau in der Menge, die für Deutschland zu wenig für einen gut geheizten Winter und das Weiterlaufen einer reibungslosen Produktion ist. Es ist aber soviel, dass es knapp reichen könnte, um einen milden Winter zu überstehen. Strategisch ist dies leider sehr klug, weil genau die damit verbundene Unsicherheit zur psychologischen Kriegsführung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zählt.

Dabei spielt ihm viel in die Hände. Das unglückliche Agieren des deutschen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der weder die Lieferungen von Gas aus Katar bis heute abschließend vereinbart oder die Logistik der Kohlelieferung bedacht hat, ist ebenso „Wasser auf die Mühlen“ des Kreml wie Warnungen der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, in Deutschland könnten „Volksaufstände“ drohen, wenn Kanada die Gasturbine für Nord Stream 1 nicht weitergibt. Viel entscheidender ist aber die Entwicklung in Italien, wie sich auch an den Kapitalmärkten zeigt. Die Aktienmärkte verlieren nach dem Rücktritt des italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi deutlich. Schließlich könnte diese politische Unsicherheit im drittgrößten Euroland den Keil in die europäische Einigkeit treiben, den sich Russland erhofft. Losgelöst davon wird es geldpolitisch nicht einfacher, weil man Mario Draghi zutraute, die Finanzen des völlig überschuldeten Italiens nicht noch weiter aus dem Ruder laufen zu lassen. Jetzt kommt eine Phase der Unsicherheit, in der wieder einmal die EZB als Retter fungieren muss. Wie lange die Notenbank dies leisten kann, ist mehr als fraglich.

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