Börsenguru Ronaldo

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Marktupdate 24/2021

Markus Schön, Dienstag 22. Juni 2021

 

Am vergangenen Freitag geschah, was viele Marktteilnehmer für nicht mehr möglich erachtet hatten: Die Aktienmärkte verloren deutlich. Der DAX büßte mehr als 300 Punkte ein. Ursache war mit der US-Notenbank eine Institution, die eigentlich die Kurse trieb und für immer neue Rekordstände an den Aktienmärkten sorgte. Nun wurden aber eine erste – noch ganz vorsichtige – Überlegung, die im Zuge der Corona-Pandemie beschlossenen Anleihekäufe irgendwann in der Zukunft zu reduzieren, kritisch aufgenommen. Dabei spielte die steigende Inflation in der Argumentation der US-Notenbank keine Rolle; es standen Bedenken zu einer möglichen Überhitzung der US-Wirtschaft im Fokus. Realwirtschaftlich geben dies die Daten nicht her. So enttäuschten die US-Konsumausgaben ebenso wie der US-Arbeitsmarkt. Dies kam aber an den Aktienmärkten gut an. Schließlich wird keine Notenbank eine extrem expansive Geldpolitik auch nur in Ansätzen zurückfahren, solange die wirtschaftliche Erholung nicht sehr weit fortgeschritten ist. Dies hatte man schon vor der Corona-Krise gesehen: Die EZB hatte viel zu lange expansiv agiert und musste dann alle geldpolitischen Hemmungen fallen lassen. Dort hatte die US-Notenbank eine bessere Basis, die sie aber durch ein noch aggressiveres geldpolitisches Vorgehen sehr schnell aufgegeben hatte. Entsprechend verwunderlich ist die starke Reaktion auf einen eigentlich als normal einzustufenden Schritt. Ursache ist das allgemeine Kursniveau, das rational kaum zu erklären ist. Gerade die Technologiewerte befinden sich auf Kursniveaus, die sehr stark an die Technologieblase der Jahrtausendwende erinnern. Solche Aktien sind aber existenziell auf günstige Finanzierungsbedingungen angewiesen, ohne die viele der Geschäftsmodelle zum Scheitern verurteilt wären. Wie fundamentale Grundlagen zu vernachlässigen sind, zeigte aber auch die Kursreaktion der Coca-Cola-Aktie, nachdem Cristiano Ronaldo deren Flaschen wegstellte.

 

Der portugiesische Fußballstar stellte bei einer Pressekonferenz im Zuge der Fußball-Europameisterschaft an die Stelle der Coca-Cola-Getränke Wasserflaschen und der Kurs verlor 4%. Dies ist für diesen Aktienwert eine außergewöhnlich starke Reaktion, zumal diese Aktien Ronaldos eher für mehr Aufmerksamkeit sorgte. Sonst gelingt es nur dem Tesla-Gründer Elon Musk mit ähnlich einfachen Maßnahmen ähnliche Börsenreaktionen hervorzurufen. Damit ist Cristiano Ronaldo nicht nur sportlich auf vielen Ebenen ein Rekordhalter; er kann sich auch nun hinsichtlich Kapitalmarktreaktionen mit den ganz großen messen. Dies ist aber in diesem Umfang nur möglich, weil die Irrationalität an den Kapitalmärkten so ausgeprägt ist und die Notenbankpolitik nicht nur viel Geld, sondern auch viel dummes Geld schafft. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob die eigentlich gute Nachricht einer in Deutschland – ebenso wie weltweit – ausbleibenden Pleitewelle tatsächlich positiv zu werten ist. Vermieden wurde dies durch einen nie gekannten Umfang an Staatshilfen, die zu einer immer höheren Verschuldung der Staaten führen, für die es keine wirkliche Rückzahlungsperspektive gibt. So wird eher über Steuerermäßigungen diskutiert, obwohl die Höchst-Vermögenden teilweise ohnehin nur sehr geringe Steuerbelastungen hinnehmen müssen. Gleichzeitig sind aber die Steuereinnahmen während der Corona-Pandemie auf allen Ebenen rückläufig gewesen. Statt wie im Jahr 2019 mit 7% haben im „Corona-Jahr“ 2020 „nur“ 6,3% aller Steuerzahler in Deutschland den Spitzensteuersatz gezahlt, der bei Alleinstehenden allerdings schon bei knapp unter 60.000 Euro einsetzt. Auf die unheilvolle Kombination von einerseits ausufernder Verschuldung und geringeren Steuereinnahmen andererseits gibt es viel zu wenig Antworten. Vielmehr wollen die G7-Staaten weitere Konjunkturprogramme auflegen, obwohl schon jetzt teilweise ein deutlicher Mangel an Rohstoffen besteht. Dies könnte mit stärkerer internationaler Zusammenarbeit zumindest in Teilen gelöst werden. Hier waren die Signale aus dem Treffen zwischen dem russischen und US-amerikanischen Präsidenten aber nicht sehr ermutigend. Betrachtet man den steigenden Russischen Rubel als Indikator, wird der Dialog positiv wahrgenommen. Aber mit Blick auf die extrem niedrigen Erwartungen und vor allem das Profitieren Russlands von dem inhaltlich weitgehend ergebnislosen Treffen relativiert sich dieser vordergründige Eindruck. Wichtig wäre, wenn – neben dem Dialog mit Russland – auch China international mehr Beachtung fände. Dort eilen die Aktienmärkte nicht mehr von Rekord zu Rekord, sondern haben teilweise deutlich verloren. Mit der erneuten Abwärtsbewegung der letzten Tage kamen auch die Rohstoffpreise unter Druck. Kupfer ist im Wochenvergleich um fast 10% eingebrochen und zeigt, dass weder die Konjunktur-erholung noch kontinuierlich steigende Rohstoffpreise ein Automatismus sind. Vielmehr ist die Erholung der Weltwirtschaft mit vielen Fragezeichen verbunden, zu denen auch die Entwicklung der Delta-Variante des Corona-Virus zählt.

 

Die in vielen Bereichen großen Risiken werden an den Kapital-märkten weiterhin kaum wahrgenommen. So ist die Stimmung weiterhin sehr optimistisch. Aktien wurde – bis letzten Freitag – überwiegend gekauft, während Anleihen kaum verkauft wurden. Interessant bleiben daher Neuemissionen, die fast immer – wie selbst eine neu aufgelegte, negativ verzinste zehnjährige Bundesanleihe – überzeichnet sind. Besonderes Augenmerk verdiente ein Papier des Automobilkonzerns BMW, da die Anleihe mit einer Mindeststückelung von umgerechnet 1.000 Euro als sogenannte Panda-Anleihe emittiert wurde. Dies sind auf den chinesischen Yuan lautende Zinspapiere, die von nicht-chinesischen Unternehmen emittiert werden. Als Beimischung ist das mit über 3% p. a. verzinste Wertpapier nicht uninteressant.

 

Schließlich wird China auch als Kapitalmarkt immer wichtiger und die chinesische Währung wird perspektivisch dem US-Dollar als Weltleitwährung mehr Konkurrenz als der Euro machen. Dieser Situation muss man sich stellen, auch wenn sich die Nachrichten verdichten, dass das Corona-Virus in einem chinesischen Labor entstanden sein könnte. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich keine gute Nachricht, wenn der mit so hohen Erwartungen verbundene CureVac-Impfstoff eine so geringe Wirksamkeit aufweist. Gerade der Verweis des Unternehmens, die geringe Wirksamkeit sei auf die Vielzahl der den Studien zugrunde liegenden Corona-Varianten zurückzuführen, ist kein positives Signal für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Eine weniger als 50%ige Wirksamkeit bei zukünftigen Virusvarianten würde die „neue Normalität“ negativer als derzeit erwartet verändern.

 

Offensichtlich ist eine wellenförmige Entwicklung der Corona-Pandemie zu erkennen, bei der Europa derzeit profitiert, während Asien und zunehmend Afrika unter der Pandemie leiden. Deswegen ist eine Währungsdiversifizierung weiterhin wichtig. Allerdings zeigten die vergangenen Handelstage, dass auch dies keine Einbahnstraße ist. Vielmehr litten die rohstoffnahen Währungen unter den Rückgängen der Rohstoffpreise. Ausnahme war – wie dargestellt – der Russische Rubel, der jedoch von dem Treffen Wladimir Putins mit Joe Biden profitierte. Der sehr stabile Ölpreis konnte hingegen weder dem Mexikanischen Peso noch der Norwegischen Krone helfen. Beide verloren deutlich, während der US-Dollar von dem – aus unserer Sicht zu Unrecht – erwarteten Ende der extrem expansiven Geldpolitik profitierte. Durch die Heftigkeit der Aufwärtsbewegung ist wahrscheinlich, dass der zu Recht erfolgende Anstieg zunächst abgebremst werden wird.

 

Dennoch bleibt der US-Dollar im Vergleich zum Euro unterbewertet. Wesentliche Faktoren sind die Zinsdifferenz und die wirtschaftliche Entwicklung, die in den USA „ordentlicher“ als in Europa ist. Beide Wirtschaftsräume sind von der erhofften Dynamik in allen Segmenten teilweise deutlich entfernt. Dazu trägt natürlich auch der in diesem Jahr zu verzeichnende Anstieg der Rohstoffpreise bei, der viele Investitionen unrentabel macht, die dann in der Folge zurückgestellt werden. Dies dämpft den Preisanstieg im Rohstoffsegment, aber bremst die konjunkturelle Erholung. Deswegen ist die teilweise scharfe Preiskorrektur bei den Industriemetallen zu begrüßen, während es für die Rückgänge bei den Edelmetallen keine wirkliche Erklärung gibt. Daher rechnen wir dort – insbesondere bei Platin und Silber – aufgrund der industriellen Komponente mit einer Erholung. Als Beimischung bleiben beide Edelmetalle interessant.

 

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